Das Erdbeben und die neuen Häuser

Nach mehr als zweieinhalb Jahren und einer Corona-Pandemie ist das schwere Erdbeben in Albanien vom November 2019 weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei gingen die Bilder von eingestürzten Häusern damals um die Welt. Viel Geld wurde gesammelt für die Betroffenen: Zehntausende wurden obdachlos. Viele mussten den Winter in Zelten überbrücken, andere lebten vorübergehend in Hotels oder bei Verwandten. Oftmals kehrten die Bewohner auch in die einsturzgefährdeten Häuser zurück. Die Pandemie machte die Situation für viele noch schlimmer.

Die internationale Gemeinschaft stellte Albanien mehr als 1 Milliarde Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung. Trotzdem war im Februar 2020 – drei Monate nach dem Beben und kurz vor dem Ausbruch der Pandemie – noch sehr viel unklar, wie der Wiederaufbau vorangehen sollte (vgl. News vom 29. Februar 2020).

Wo stehen wir zweieinhalb Jahre später? Wie sieht die Lage heute aus? In den Schadenszentren sind die Ruinen verschwunden, neue Wohnhäuser, Krankenhäuser und Schulen entstanden. Aber profitieren davon auch die Richtigen?

Die folgenden persönlichen Eindrücke von Erkundigungen in diesem Sommer sollen ein Bild der Lage vermitteln.

Neue Häuser in Thumana: Neubauten nach dem Erdbeben in Albanien vom November 2019
Neue Häuser in Thumana – Anfang Juni 2022 noch nicht bezogen

Thumana

»Thumana Anfang Juni dieses Jahres. Einige Wohnblocks wurden schon bezogen, die vielen kleinen identischen neuen Häuser stehen leer und etwas trostlos am Rand der Hügel. Ein Blick durchs Fenster zeigt, dass alles eingerichtet ist: Betten, Sofa, Fernseher …

An der Hauptstrasse sind noch neue Verwaltungsgebäude und eine Klinik im Bau. Das neue Schulgebäude ist schon fertig.

Ein paar Kinder spielen in der mittäglichen Hitze auf den neuen Sportplätzen. Eine Frau kommt vom Einkaufen zurück. Ja, die neuen Häuser seien schon gut. Aber vor dem Erdbeben hätte sie drei Wohnungen gehabt, jetzt nur noch eine …

Kein Ort wurde vom Erdbeben so stark getroffen wie Thumana. Wir klettern auf den alten Wasserturm hoch, der heute Aussichtsturm und Mahnmal ist. Bilder im Innern erinnern an das Unglück. Von oben bietet sich ein umfassender Ausblick über das Neubaugebiet. Da die Wohnblocks, dort die leerstehenenden Häuschen.

Ist das Katastrophentourismus? Oder doch noch Anteilnahme?

Die Leere verstärkt das ungute Gefühl noch mehr. Zwar sind viele Wohnungen in den Wohnblocks bezogen. Aber trotzdem ist das Neubaugebiet fast menschenleer. Was stimmt nicht?

Erfüllen die neuen Häuser überhaupt ein Bedürfnis? Oder sind alle Menschen weggezogen – wegen des Erdbebens oder weil wie fast überall in Albanien das Einkommen fehlt? Der Wachmann weiss nicht, wann die Häuser bezogen werden sollen. Anscheinend fehle es noch an Wasser.«

Lars

Thumana war einer der Orte in Albanien, die am stärksten vom Erdbeben getroffen worden sind. Fast die Hälfte der Todesopfer war hier zu beklagen. Das Dorf im Nirgendwo zwischen Fushë-Kruja und Lezha liegt abseits der Autobahn – es ist nicht viel los. Mit der Unterstützung von Stiftungen des türkischen Staats und von Behgjet Pacolli wurden hier mehr Häuser neu hochgezogen als anderswo. Auch einen neue Schule wurde gebaut, weitere öffentliche Gebäude sind in Entstehung.

  • Wasserturm und neue Wohnblocks
  • Erinnerung an das Erdbeben im Wasserturm
  • Häuschen der neuen Siedlung in Thumana
  • Haus an Haus in Thumana
  • Inneneinrichtung eines der Häuschen
  • Dorfmoschee und Baustelle von Verwaltungsgebäude
  • Neuer Wohnblock
  • Neue Wohnblocks: zumindest teilweise bewohnt

Diashow Thumana

Peza e Madhë

»Auf den Bauplatz bei Peza e Madhë bin ich zufällig gestoßen, da eine neue breite Straße von der Dorfstraße abzweigt und kurz später an einer improvisierten Straßensperre und Bauschild endet. Die Häuser am Ring sind bisher erst teilweise im Bau.

Der Bewohner vom benachbarten Haus kam hinzu und erklärte, er sei der Aufseher der Baustelle. Dies sei ein ehemaliges Militärgelände gewesen. Und ja, auf älteren Luftbildern sieht man noch die abgebrochenen Lagerhäuser.

Ein Bericht erklärt, dass hier 30 Häuser gebaut werden, auch Sportplätze sind eingeplant. Wann die Häuser fertig werden, steht wohl in den Sternen. Die Lage ist zwar sehr schön, aber etwas weitab vom Dorfkern.«

Gjergj

Die Region im Tal des Erzen und Peza erhielt nur wenig Aufmerksamkeit in den Medien und nur wenig Hilfe, obwohl sie auch schwer vom Erdbeben getroffen wurde. Etwas nördlich von Peza ist eine Siedlung im Bau. Die auf dem Bauplakat der Bashkia Tirana angekündigte Bauzeit von einem halben Jahr wird wohl nicht eingehalten werden können.

Peza e Madhë

Ndroq

»Die neue Siedlung in Ndroq war im Juni äußerlich fertig, aber vollkommen unbewohnt, von demjenigen Haus abgesehen, das dort früher schon stand und jetzt von der Siedlung umbaut ist. Ein Funktionsgebäude befindet sich im Rohbau.

Die Nationalstraße verläuft direkt vor der Siedlung und wurde genau in dem Abschnitt extra neu asphaltiert, damit alles ›neu‹ wirkt. Die Siedlung ist für meine Begriffe viel zu eng bebaut: kein Platz für Grünanlagen, geschweige einen kleinen Hausgarten. Offenbar gibt es ein Problem, ausreichend Land zu erwerben, man konnte die Häuser nicht einmal mit Abstand zur Nationalstraße bauen.

Im Juni fehlte den Häusern die Einrichtung. Wie in Peza und andernorts sollen die Wohnungen möbliert übergeben werden. Die weißen Markierungen auf den Siedlungsstraßen wirken wie auf einem Verkehrsübungsplatz für Kinder. Auf dem großen Parkplatz hinter der Siedlung steht nur mein Mietwagen. Wahrscheinlich werden die Bewohner Fahrzeuge doch lieber direkt vor dem Haus abstellen wollen.«

Gjergj

Eine weitere neue Siedlung für die Erdbebenopfer ist in Ndroq entstanden – einem Ort westlich von Tirana an der südlichen Strasse nach Durrës. 74 Familien sollen hier eine neue Heimat finden. Edi Rama und Tiranas Bürgermeister Erjon Veliaj waren Mitte Mai nach Ndroq gekommen, um die Häuser zu inspizieren, Reden zu halten, Journalisten zu beeindrucken und Hände zu schütteln. Schlüssel wurden keine übergeben. Und drei Wochen später hatte sich noch nichts getan.

Das Gelände der neuen Siedlung in Nroq vor und nach der Bebauung (Luftbilder Google Earth)

Laç

»Laç ist lebendig an diesem Samstagmittag. Leute sind unterwegs, erledigen Besorgungen, die Polizei kontrolliert den Verkehr. Laç ist keine schöne Stadt – auch nicht für albanische Verhältnisse: nur wenige neue Gebäude überragen die alten kommunistischen Wohnblocks.

Plötzlich taucht Farbe auf. Ein kompletter neuer Stadtteil, vier- und fünfstöckige Wohnhäuser dicht an dicht. Der Baustil wirkt fremd für Albanien. Die grosse Nähe zwischen den Bauten ist hingegen nicht untypisch.

Zwischen den Häusern eine grüne, saubere Parkanlage. Viele frisch gepflanzte Bäume. In der Mittagshitze sind Bänke und Spielplatz verwaist. An einer Ecke zur Hauptstrasse steht eine nüchterne Stele, die an das Erdbeben erinnert. Auf einer Seite steht »Sheshi Erdoğan« – der Platz ist dem türkischen Präsidenten gewidmet.

Gegenstände auf verschiedenenen Balkonen zeugen von Bewohnern. Trotzdem sind nur wenige Menschen zu sehen im neuen Viertel. Vielleicht alle gerade unterwegs in der Innenstadt auf der anderen Strassenseite für Besorgungen oder bei der Siesta?

In der Stadt sind noch weitere Baustellen zu sehen. Hier wird noch an manchen Orten anderes aufgebaut: Schulen, Krankenhaus.«

Lars

Auch Laç, zwölf Kilometer nördlich von Thumana, ist stark getroffen worden vom Erdbeben. Mehrere Wohnblocks in der kleinen nordalbanischen Stadt sind eingestürzt oder waren einsturzgefährdet. Viele Menschen wurden obdachlos. Im Januar reiste der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an. Die Türkei hatte den Wiederaufbau mit Millionen Euro unterstützt. Einen Monat später erhielten die ersten Bewohner die Schlüssel für ihren neue Wohnungen. Mehr als 500 Familien erhielten ein neues, sicheres Zuhause. Diesen Sommer wurde in der Stadt auch ein neues Krankenhaus eröffnet.

Rückblick

»Fährt man durch Albanien, sieht man da und dort neue Gebäude oder gar neue Siedlungen. Zweieinhalb Jahre nach dem Erdbeben wurde einiges getan, was ein gutes Gefühl hinterlässt.

Zaubern kann natürlich niemand. Manches ist auch noch nicht fertig: Verwaltungsgebäude, Kulturzentren und medizinische Einrichtungen sind hier und da noch im Bau. Aber den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, hat auch Priorität.

Dass neue Siedlungen sich nicht immer harmonisch in die Umgebung einpassen, ist auch normal, Aber doch wirkt vieles fremd, landesuntypisch. Ob die neuen Häuser die Bedürfnisse der ländlichen Bewohner erfüllen? Ob vieles gerade deswegen noch so leer wirkt, weil die Menschen noch nicht angekommen sind?

Dass den Menschen geholfen wird, macht Freude. Trotzdem bleibt ein komischer Eindruck zurück. Die Zukunft wird zeigen, ob in den neuen Siedlungen bald viel Leben aufblühen wird.«

Lars

»Alle neuen Siedlungen sind in ihrer Bauform etwas Neues für Albanien. Blickt man von den Bergen von Kruja ins Tal, so fällt die neue Siedlung von Fushë-Kruja unweigerlich ins Auge. Solche Siedlungen mit eng bebauten kleinen Häuschen, den roten Dächern gab es bisher nicht. Ob sich die Bewohner hier einleben werden? Ein Besuch ein Jahr nach dem Bezug wird besonders interessant werden. Konnten die Bewohner hier heimisch werden? Ich habe ein paar Zweifel.«

Gjergj

Anflug Tirana: neue Häuser in Valias
Neue Häuser in Valias beim Flughafen auf dem Gebiet einer ehemaligen Kohlenmine

Ihr Verlobter kam zurück aus dem Krieg, und sie sprachen nie mehr darüber

Im Kulturzentrum »Tulla« in Tirana ist aktuell eine Gruppenausstellung zu sehen. Ein Teil davon ist das Werk »Her Boyfriend Came Back From The War« von Valentina Peri. In diesem Projekt verfolgt die italienische Künstlerin den Militäreinsatz ihres Grossvaters in Südalbanien während des Zweiten Weltkriegs.

Wie Tausende andere italienische Soldaten versuchte er nach dem 8. September 1943, der Verhaftung durch die Nazis zu entgehen. Er versteckte sich in Albanien und gelangte erst 1945 zu Fuss in die Heimat zurück. Er hatte nie über seine Erlebnisse berichtet – wie auch die Erlebnisse der anderen Soldaten in Italien kaum einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden.

Peri fand aber 120 Fotos, Postkarten und Briefe sowie eine Art Tagebuch, nachdem der Grossvater gestorben war. Sie reiste in der Folge auf den Spuren des Nonno nach Albanien. In der Ausstellung stellt sie seine Fotos aus und setzt sie in Kontrast zum heutigen Albanien.

Valentin Peri: Her boyfriend cam back from the war. And they never spoke about it. Ausstellung Tirana 2022
Mit »Augmented Reality« kann man in der Ausstellung neben dem Bild an der Wand (links) weitere Informationen einblenden: ein Foto des Grossvaters vom gleichen Standort an Ostern 1942 (rechts) und ein Link zu weiterführendem Material (Screenshot)

Ihre Ausstellung beschränkt sich nicht nur auf das Material an den Wänden. Mit Hilfe von »Augmented Reality« und dem entsprechenden App kann man auf dem eigenen Smartphone weitere Infos abrufen. Und auch online stellt Valentin Peri viel Material zur Verfügung:

Auf ihrer Website www.hbcbftw.com findet sich ein Teil des reichen Fotoschatzes ihres Grossvaters, die Liebesbriefe der Grosseltern und die eigenen Erfahrungen, die Peri in Albanien gemacht hat.

Das Stöbern auf der Website ist empfehlenswert: spannendes Bildmaterial aus unbekannten Zeiten und unbekannten Ecken. Dazu zahlreiche nette und traurige Geschichten wie diejenige von den Schildkröten essenden Italienern oder von den Haarzöpfen der Grossmutter. Wer die Website auf einem grossen Bildschirm anschaut und auf dem Smartphone das AR-App installiert hat, kann auch dort das ergänzende Bildmaterial einblenden.

Vernissage im Tulla-Kulturzentrum

Tirana am Limit

Mit dem Finale der UEFA Conference League wurde gestern erstmals ein internationaler Sportevent mit Zehntausenden von Zuschauern in Albanien ausgetragen. Der Anlass lief im Allgemeinen problemlos über die Bühne. Organisatorisch hatte man aber in vielen Aspekten Grenzen erreicht.

Grosses Fussballfest

Im erstmals durchgeführten Turnier siegte die AS Roma gegen Feyenoord Rotterdam dank eines Treffers in der ersten Halbzeit. Seither steht die italienische Hauptstadt Kopf. Seit dem Pokalsieg 2008 hatte die AS Roma keinen Titel mehr gewonnen, und auch die laufende Saison ist nicht berauschend.

AS Roma jubelt in Tirana
Die Spieler der AS Roma jubeln nach der Pokalübergabe

Gefeiert wurde aber nicht nur in Rom, sondern natürlich auch in Tirana. Schon Tage vor dem Spiel reisten Fans beider Mannschaften an – Zehntausende. Die genauen Zahlen sind unbekannt. 90’000, wie mancherorts behauptet, dürfte wohl etwas übetrieben sein.

Die albanischen Behörden haben alles gemacht, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Für die Einheimischen war das auch mit erheblichen Nachteilen verbunden: Die ganze Innenstadt innerhalb der »Unaza«-Ringstrasse und südlich der Lana war am Tag des Spiels für den Autoverkehr gesperrt. Tirana stand still. So konnten die Fans gut mit Bussen vom Flughafen in die Stadt gebracht werden. Tausende Polizisten waren in Bereitschaft.

Tirana autofrei: Fahrverbot am Tag des UEFA Europe Conference League Finals
Tirana autofrei: leere Strassen in der Innenstadt am Tag des UEFA Europe Conference League Finals (Bild: Martin Lerch)

Polizei bekundete Mühe

Gerade die albanische Polizei ist sich solche Fan-Aufmärsche nicht gewohnt. In Albanien lockt der Fussball kaum noch Zuschauer in die Stadien, Risikospiele mit gewaltbereiten Fangruppen sind sehr selten, die Zahl der Tifosi eher überschaubar.

Andiamo a Tirana: Screenshot von Twitter
Andiamo a Tirana: Post auf Twitter

Ganz anders war es bei diesem Spiel. Die Fans beider Mannschaften gelten eher als »fanatisch«. Heisses Wetter und billiges Bier leisteten ihren Beitrag, dass die Stimmung schon am Tag vor dem Spiel teilweise überkochte. Die Polizei musste die Fan-Gruppen auseinanderhalten und gegen Randalierer vorgehen.

60 Fans sind bereits am Vorabend in Gewahrsam genommen worden, vier wurden dem Richter vorgeführt. 80 italienische Ultras wurden des Landes verwiesen.

Ausschreitungen sind bei einem solchen Fussballspiel nichts aussergewöhnliches. Auch Fans der »Eintracht Frankfurt« sind beispielsweise in der Woche zuvor in Sevilla verhaftet worden, nachdem es zu Ausschreitungen gekommen war. Es waren aber niemals so viele Personen betroffen.

Ob es an gewaltbereiten Fans lag oder der fehlenden Erfahrung der Polizisten, was Deeskalation bei Fussballfans angeht, ist schwer zu sagen. Jedenfalls gab es einige sehr unschöne Szenen. Auch mehrere Albaner sind – aus welchen Gründen auch immer – mit holländischen Fans zusammengeraten und mussten danach im Krankenhaus behandelt werden. Wie auch fast 20 albanische Polizisten.

Von niederländischer Seite finden sich jedoch lobende Worte: Auf Twitter war zu lesen, dass französische Polizisten durchaus noch von den albanischen Kollegen lernen könnten, die zum ersten Mal ein solches Spiel organisiert haben.

Mehr Mühe bekundeten die Albaner mit den pöbelnden, betrunkenen und gewaltbereitenden holländischen Fans. Ganze Gruppen von Männern, die gegen Hauswände urinieren, waren für sie ein schockierendes Bild. Die Idee, bei Grossanlässen mobile Toiletten aufzustellen, hat sich in Albanien noch nicht etabliert (vgl. Bericht zum Konzert von DJ Bobo 1999). Und auch sonst gab es am Tag nach dem Final viel aufzuräumen, wie die Medien berichteten.

Rekordhohe Passagierzahlen

Der Flughafen von Tirana hatte wegen des Fussballspiels das grösste Verkehrsaufkommen in seiner Geschichte zu bewältigen. Gestern wurden über 70 Landungen verzeichnet. Dutzende von Charter-Flügen brachten Fussballfans aus Holland und Rom nach Albanien – daneben brummte der normale Flugverkehr, der den Flughafen bereits regelmässig an seine Kapazitätsgrenzen bringt. Tausende Fans landeten am Vormittag, Tausende verliessen Albanien in der Nacht wieder. Die Flugzeuge stauten sich in der Zwischenzeit und mussten zum Teil auf der Rollbahn parken. Die detaillierten Vorgaben der albanischen Flugbehörden und des Flughafens für Charterflüge zeugen von guter Vorebreitung, aber auch von einer Extremsituation.

Parkierte Flugzeuge am Flughafen Tirana am Tag des Finals der Europa Conference League
Geparkte Flugzeuge am Flughafen Tirana am Tag des Finals der Europa Conference League

Vorgesehen war, dass ab 1 Uhr nachts innerhalb einer Stunde 14 Flüge von Tirana nach Rom starten. Sieben weitere nach Rom und Rotterdam waren für später in der Nacht geplant. Die ersten Maschinen starteten dann gegen 2:30 Uhr. Es war wohl eine rechte Herausforderung, Tausende von feiernden Fussballfans zum Flughafen und in die Flugzeuge zu bringen – so eilig hatten die es wohl auch nicht.

Bilanz: 1–0

Albanien hat sich gut präsentiert auf der internationalen Bühne: ein gelungenes Fussballfest in einem wunderschönen Stadion. Hoffen wir, dass auch die albanische Wirtschaft ein wenig vom Anlass profitieren konnte. Für den Tourismus war es aber wohl gute Werbung.

Die Auswirkungen, die ein solcher Anlass mitsichbringt, wurden wohl etwas unterschätzt.
20’000 bis 30’000 Fans innnert ein paar Tagen ein- und ausfliegen: Dafür ist die Infrastruktur rund um den Flughafen und das Stadion nicht gemacht.
20’000 bis 30’000 Fussballfans, die zwei Tage lang die Innenstadt belagern, feiern und viel trinken – sie hätten wohl mehr Platz und WCs gebraucht.
Fussballstadien in der Innenstadt sind sympathisch, aber nicht immer sehr praktisch, wenn es um die zeitgleiche Abreise vieler Fans gleichzeitig geht.

Man muss schon fast froh sein, dass das Air-Albania-Stadion in Tirana – in der Berichterstattung durchwegs als Nationalstadion bezeichnet – nur 22’000 Zuschauer fasst. Mehr wäre nicht machbar gewesen.

74’664

Ein paar Zahlen zum 8. März 2022

74’664 – Vor genau zwei Jahren wurden in Albanien die ersten COVID-19-Fälle verzeichnet. Ein Grund, um etwas auf den Verlauf der Pandemie zurückzuschauen.
In den vergangenen zwei Jahren haben wir auf dieser Website täglich die neuen Fallzahlen, Todesopfer, Genesenen und Tests aktualisiert. Die Basis-Tabelle allein umfasst jetzt 74’664 Felder. Hinzu kamen noch einige weitere Tabellen mit weiteren Berechnungen basierend auf der Basis-Tabelle für tiefergehende Analysen. Die Zahl 74’664 repräsentiert also ein wenig die viele Arbeit, die in den Berichten, Grafiken, Statistiken und weitergehenden Analysen der letzten beiden Jahre steckt.

0 – Die tägliche Aktualisierung der Zahlen auf unserer Corona-Infoseite werden wir ab sofort einstellen. Die Entwicklung der Pandemie in Albanien erlaubt es zu hoffen, dass diese Informationen in Zukunft kaum mehr Newsgehalt haben.
Geplant ist, die Tabelle gelengentlich nachzuführen. Aber wir werden nicht mehr jeden Tag ein Update publizieren. Das hat zwar auch in der Vergangenheit nicht immer geklappt – aber es war schon die Regel. Jetzt ist Schluss mit Zahlen erfassen abends vor dem Fernseher, oder eben auch mal im Auto auf Reisen, im Supermarkt, im Zug, im Hotelzimmer etc.

Zwei Jahre Corona – der Moment erlaubt einen Blick zurück auf ein paar weitere Zahlen:

9990 – Offiziell sind in den Jahren 2020 und 2021 in Albanien 3218 Personen an COVID-19 gestorben. Die Übersterblichkeit in diesen beiden Jahren lag aber deutlich höher. Wie aus Zahlen des statistischen Amts Instat hervorgeht, sind im Vergleich zu den Vorjahren in Albanien im Jahr 2020 5740 Personen mehr als üblich gestorben, 2021 waren es 7473 Personen. Rechnerisch sind in diesen beiden Jahren also neben den 3218 offiziellen Corona-Toten nochmals 9990 Personen mehr gestorben als üblich.
Und dabei wies das erste Quartal 2020 noch eine Untersterblichkeit auf. Grund dafür war wohl die strikte Einschränkung der Bewegungsfreiheit in den ersten Corona-Wochen.
Es ist davon auszugehen, dass auch die 272’210 Fälle, die bisher in Albanien festgestellt wurden, deutlich zu tief ist, dass die Dunkelziffer in Albanien deutlich höher ist als in anderen Ländern.

1 – Die Eins steht für Klodian Rasha, einen 25-Jährigen aus Tirana, der im Dezember 2020 von einem Polizisten erschossen worden ist, weil er die Ausgangssperre verletzt hatte.

1’752’319 – So viele Tests wurden in Albanien mindestens durchgeführt, berichteten die Behörden. Das sind im Schnitt fast 2400 Tests pro Tag. Im März 2020 konnten pro Tag kaum mehr als 100 Tests gemacht werden.

7 – Mindestens 7 Wellen kann man in Albanien verzeichnen. Die erste Welle vom Frühjahr 2020 ist im Rückblick sehr klein – damals hat uns Corona aber alle in Panik versetzt, in Albanien wurden rigorose Ausgangssperren verhängt. Eine zweite Welle folgte im Spätsommer 2020, die dann fast ohne Pause in die dritte Welle vom Spätherbst 2020 überging. Nach einer kurzen Erholung im Dezember nahm Corona dann gegen Ende des Winters nochmals Fahrt auf – die vierte Welle brachte die meisten Todesopfer. Im August 2021 kam die fünfte Welle, die nach einer kurzen Erholung im Oktober in die sechse Welle vom Spätherbst 2021 überschwappte. Im Dezember gingen die Zahlen erneut zurück, bevor im Januar 2022 die siebte Welle mit Omikron kam.

Albanien COVID-19 Neue Fälle
Neue COVID-19-Fälle März 2020 – März 2022

662 – Die Pandemie war für das schwache albanische Gesundheitssystem eine grosse Herausforderung. Am 28. Feburar 2021 waren 662 Corona-Patienten in Spitalpflege, 49 davon in Intensivpflege und 14 intubiert.
Die Patienten wurden lange zentral in Tirana in Spezialkliniken betreut. Gross war auch die Zahl der Personen, die nicht ins Krankenhaus wollten. In Albanien sind Krankenhäuser für viele noch immer Orte zum Sterben, nicht zum Genesen. Ob die Betreuung, die diese Kranken zuhause durch inoffiziell tätige Pfleger und Ärzte erhielten, einer schnellen Genesung dienlich war, ist zu bezweifeln.
Ebenfalls unbekannt ist die Zahl der Krankenschwestern und Pfleger, die Albanien in Richtung Deutschland verlassen haben, um dort eine besser bezahlte Stelle anzunehmen.

Albanien COVID-19 Krankenhauspatienten
COVID-19-Patienten in Spitalpflege März 2020 – März 2022

12’000 – Für rund 12’000 € liessen sich Albaner nach Istanbul ausfliegen, um dort behandelt zu werden. Für die Behandlung dort musste mit mindestens nochmals rund 30’000 € gerechnet werden. Von März bis November 2020 wurden 476 Krankenflüge von Tirana nach Istanbul registriert. Andere Flüge gingen nach Ankara (20), Rom (18), Berlin (10), Genua (9), Wien (8), Ankona und Pisa (je 5), Zürich (4) sowie Genf und Graz (3). Die Patienten waren wohl nicht alle albanische Staatsbürger.

42 – Die Begeisterung für die Impfung ist in Albanien nicht besonders gross. Nur 42 % der Einwohner des Landes (inklusive Kinder und Jugendliche, die zum Teil noch nicht geimpft werden können) sind doppelt geimpft. Insgesamt wurden bis jetzt 2’708’574 Impfdosen gespritzt. Darunter auch viele aus China, mit dem die Einreise in die EU lange schwierig war.

Corona-Schutzmassnahmen in Albanien

30 – In Albanien gelten noch immer diverse Massnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des Virus. Maskenpflicht in Innenräumen, Einreisebestimmungen oder dass Räumlichkeiten bei Veranstaltungen nur mit 30 % der Kapazität genutzt werden dürfen.
Es hält sich aber kaum jemand an die Massnahmen.

2832 – Am 18. Januar 2022 wurden in Albanien 2832 neue Corona-Fälle verzeichnet, ein deutlicher Rekord. Aber so schnell wie die Omikron-Welle Albanien erfasst hatte, so schnell ist sie auch wieder verschwunden. Aktuell verzeichnet Albanien weniger als 100 Fälle pro Tag. Wäre schön, wenn wir sagen könnten: Das war’s!
Und: S’ka Problem!

Albanien COVID-19 7-Tageschnitt
Neue COVID-19-Fälle, 7-Tageschnitt pro 100’000 Personen März 2020 – März 2022
  • Blloku in Tirana: menschenleer wegen Corona-Virus
  • Tirana Skanderbegplatz leer wegen Corona Virus
  • Frau mit Sonnenschirm und Maske
  • Flughafen Tirana während der Corona-Pandemie

Albaniens Regierung will ins All – und keiner fragt weshalb!

Stolz präsentierte Ministerpräsident Edi Rama letzte Woche ein Video, in dem er begeistert Pläne betrachtet, wie Albanien demnächst im Weltall präsent sein wird. Als erstes Land der Region. »Unglaublich«, ist Edi Rama zu hören.

Zwei Satelliten will Albanien im nächsten Jahr ins All schiessen – respektive von SpaceX ins All schiessen lassen. Die Art der Ankündigung war typisch Rama: keine offizielle Kommunikation, kein offizieller Entscheid, sondern einfach ein schlechtes Video auf Social Media mit hübschen Bildchen von Raketen und Satelliten.

Edi Rama schaut ein Video von SpaceX über albanische Satelliten im All: Mit hübschen Bildchen Eindruck schaffen

Medien im In- und Ausland nahmen das Facebook-Video gleich auf und berichteten ebenfalls von der glorreichen Zukunft Albaniens im Weltall. Aber niemand fragte, was hinter den beiden Satelliten »Albania 1« und »Albania 2« steckt.

Albanische Satelliten für …

Andere Länder entwickelten ein eigenes Weltraumprogramm, um ihre wissenschaftliche und politische Grösse darzustellen. In Albanien werden hingegen kleinere Brötchen gebacken – nur neue Flughäfen gebaut, keine Raketenstartgelände. Die Satelliten werden von Elon Musks privater amerikanischer Firma »SpaceX« ins All transportiert.

Andere Länder schicken Satelliten ins All, um wissenschaftliche Daten zu sammeln oder ein Kommunikationsnetzwerk aufzubauen. Anders in Albanien …

Ein paar Tage vor Ramas Facebook-Video wurde das Thema Satelliten im albanischen Parlament am Rande erwähnt. Aber Medienreaktionen löste das kaum aus. Im Parlament wurde auch klar, worum es beim Satellitenprogramm geht.

Big Brother

Die albanische Regierung erklärte, die Überwachung im Land ausbauen zu wollen. Neben Sicherheitskameras und Drohnen gehören auch Satelliten zu dem Programm.

Es ist eindrücklich, wie es Rama gelingt, einen eher fragwürdigen Plan als Erfolg des Landes darzustellen. Und fast niemand stellt Fragen.

Einzig Exit.al widmete dem ein paar Zeilen und hielt fest, dass es unklar ist, wie das Satellitenprogramm finanziert werden soll. Gut möglich, dass Albanien dieses Unternehmen nicht alleine stemmen wird. Albaniens Grenzen werden von der EU-Frontex-Mission bewacht. Und der Luftraum wird vom NATO-Partner Italien gesichert und von der italienischen Guardia di Finanzia kontrolliert, die den Drogenanbau eindämmen möchte.

Wie viel Überwachung in Albanien sinnvoll ist, um die Aktivitäten der Mafia zu bekämpfen, und wo die Grenzen der persönlichen Freiheit der Bürger beschränkt werden, steht hier als unbeantwortete Frage im Raum.

Was können Überwachungssatelliten?

Der Überwachungssatellit ist natürlich keine albanische Erfindung und keine Spitzenleistung der albanischen Industrie. Solche Satelliten mit Synthetic Aperture Radar sind schon weit verbreitet – viele Staaten auch aus Mitteleuropa nutzen die Technologie. Die Satelliten werden ganz unterschiedlich genutzt, um Veränderungen der Erde oder des Klimas besser wissenschaftlich verstehen zu können oder auch für militärische Zwecke.

Der grosse Vorteil dieser Satelliten ist, dass Geschehnisse fast in Echtzeit verfolgt werden können. Künstliche Intelligenz wird für die Auswertung der Datenflut genutzt.

Die Auflösung der Satelliten liegt, je nach Hersteller, bei rund 30 bis 80 Zentimetern. Damit werde die Privatsphäre der Menschen gewahrt, erklärt ein Hersteller.

Für Albanien dürfte der Fokus in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens liegen. Wo wird Marihuana angebaut? Wo fliegen Kleinflugzeuge rum? Welche Schiffe fahren nachts durch die Küstengewässer? Wo entstehen illegale Bauten? Vielleicht ist sogar erkennbar, ob irgendwo Menschengruppen die Grenze passieren.

Die Spionagesatelliten könnten auch bei Naturkatastrophen eingesetzt werden oder für wissenschaftliche Zwecke. Das dürfte aber kaum im Fokus stehen. Auch militärische Aufgaben dürften kaum von Bedeutung sein. Und für die Verfolgung von alltäglichen Vergehen wie Diebstahl oder Fahndung im Strassenverkehr und für Verbrecherjagd stünden dann ja noch die Überwachungskameras und Drohnen zur Verfügung.

Im Detail ist also alles andere als klar, wer da im Detail was beachbsichtigt.

Nachtrag – 3. Januar 2022

Die Satelliten wurden heute ins All geschossen. Edi Rama verfolgte den Raketenstart in Cape Canaveral per Videoübertragung. Und reichte gleich noch ein paar Gründe nach, wofür die Satelliten benötigt werden: Es gehe um »Monitoring« – aus 150 Kilometer Höhe könne man schnell Gesetzesverletzungen erkennen. Als Beispiel nennt er illegale Bautätigkeiten.

Grundsätzlich hört sich das alles ja nicht schlecht – aber etwas mehr Transparenz wäre ja nicht schlecht.

Verteidigungsminister Niko Peleshi erklärte, dass der Vertrag eine exklusive Nutzung der Satelliten während drei Jahren vorsieht, aber die Vertragspartner Albanien unerstützen beim Aufbau des Know-hows zur Produktion und Interpretation des Bildmaterials.

Von Faustschlägen und Masken auf Halbmast: Corona-Alltag in Albanien

Frau auf einer Strasse in Albanien schützt sich mit Maske vor COVID-19 und mit einem Schirm vor der Sonne

Im Juni haben die Corna-Neuinfektionen in Albanien sprunghaft zugenommen und steigen seither laufend. Die Entwicklung war weniger dramatisch als in den Nachbarländern, aber auch nicht erfreulich. Wie in anderen Ländern ist eine Corona-Müdigkeit und eine Zurückhaltung gegenüber den Gesichtsmasken erkennbar. Der Umgang mit der aussergewöhnlichen Situation prägt den albanischen Alltag unterschiedlich.

Trubel am Strand

Weit weg schien das Coronavirus am Strand zu sein. Diesen August nahm das Leben an der Albanischen Riviera beinahe seinen gewohnten Lauf. Zehntausende von sonnenhungrigen Albanern strömten in langen Kolonnen an die Küsten des Landes. Da die Wirtschaft wiederbelebt werden sollte, waren Touristen grundsätzlich willkommen. Sie kamen aber fast ausschliesslich aus den Nachbarländern.

Trubel am Strand von Himara, Albanien, im Sommer 2020
Strand von Himara im August 2020

Am Strand gab es wohl an den meisten Orten genügend Abstand zwischen den Badenden. Nach wie vor eng gestuhlt waren aber die meisten Cafés und Restaurants in den Badeorten. Der abendliche »Xhiro« erfreut sich weiterhin grosser Beliebtheit – hier wurde es mitunter schon recht eng. Nur vereinzelt trug ein älteres Paar Gesichtskmasken beim Spaziergang entlang den Uferpromenaden.

Unbeliebte Masken

Die Albaner sind keine Fans dieser Masken. Bei der sommerlichen Hitze ist das Maskentragen auch wahrlich keine Freude. Die Regierung hat – nebst weitere Massnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus – eine weitgehende Maskenpflicht für sämtliche Verkehrsmittel und gemeinschaftlich genutzten Innenräume wie Läden erlassen. Trotzdem sieht man die Gesichtsmasken ausserhalb von Tirana eher selten.

Masken werden meist getragen, weil man muss – nicht aus Einsicht. Gerade im Süden des Landes habe ich tagelang kaum eine Maske gesehen – und schon gar nicht dort, wo sie Pflicht wäre. Kaum ein Kellner, kaum ein Verkäufer war mit Maske unterwegs. Obwohl die Schilder allgegenwärtig sind. Und wenn Masken getragen werden, dann in der Regel auf »Halbmast«: unter der Nase oder unter dem Kinn. So kann man sich immer noch rausreden, sollte ein Polizist reklamieren. Dabei zeigten sich auch die Gesetzeshüter nicht immer vorbildlich …

Mann mit Schutzmaske in einem Café in Tirana
Maske auf »Halbmast« – dabei wäre sie im Café natürlich nicht nötig

Auch andere Bestimmungen werden gerne ignoriert. Bars an Orten, wo kaum je ein Polizist vorbeikommt, spielen trotz Verbot die ganze Nacht lang Musik. Oder aber man lässt die Gäste aus dem Gebäude nebenan beschallen. Auf Social Media machten auch Videos von wilden Beach Partys die Runde: laute Musik, viele junge Menschen beim Tanzen und hemmungslosen Feiern. Und Abstandregelungen beim Schlangestehen sind den Albanern sowieso fremd.

Begrüssung auf Distanz

Positiv überrascht war ich hingegen von der verbreiteten Disziplin bei Begrüssungen. Das obligate Küssen entfiel meist, und auch Händeschütteln wurde von Vielen vermieden. In Albanien ist jetzt Begrüssung per Faustschlag angesagt!

Eine Gastgeberin hiess mich an der Wohnungstür willkommen mit den Worten: »Willst du dir die Hände waschen?« Eine nette Art, die einfachste Hygienemassnahme durchzusetzen. Händedesinfektionsmittel waren hingen nur selten zu sehen. Dafür galt es am Flughafen ein »Desinfektionstunnel« zu passieren – was wiederum wenig bringen dürfte.

Ansonsten würde man sich aber schon etwas mehr Unterstützung im Kampf gegen die »Zweite Welle« wünschen. Mehr Masken an Orten, wo Abstände nicht immer eingehalten werdene können, und weniger Gedränge in kleinen Geschäften. Vielleicht wird es ja wieder ruhiger, wenn der Sommer vorüber ist und die Menschen wieder mehr Zeit mit alltäglichen Tätigkeiten verbringen. Vielleicht wird es aber gerade dann noch schlimmer, wenn die Menschen wieder mehr Zeit in engen Räumen verbringen.

Flughafen Tirana während Corona-Pandemie: alle tragen Masken
Am Flughafen Tirana: alle Tragen Masken

Hinweis auf Corona-Massnahmen in Tirana, Albanien: Händewaschen, Handschuhe, Masken, Distanz halten
Hinweis auf Corona-Massnahmen in Tirana

Der Alltag hat Albanien zurück: Treffen in den Cafés, Ausflüge ans Meer, Stau in Tirana. Die Veränderungen sind marginal. Der einzige Ort in Albanien, der wegen Corona wirklich vollkommen anders scheint, ist der Flughafen. Der Terminal wurde zur Geisterstadt: Geschäfte und Cafés waren mehrheitlich geschlossen, Zugang hatten nur Passagiere und die Hallen waren zum Teil menschenleer. Auch ein paar Hostels, denen die ausländische Gäste fehlen, scheinen gar nicht erst geöffnet zu haben.

Aber natürlich haben viel mehr Leute Schwierigkeiten, weil sie zum Beispiel wegen der Corona-Pandemie die Arbeit verloren haben. Nur diese sind im Alltag weniger sichtbar.

Umso wichtiger ist es jetzt, sich weiterhin an die Massnahmen gegen die Pandemie zu halten – damit das Leben wieder in die verlassenen Orte einziehen kann, damit die Verlierer der Krise wieder Hoffnung kriegen, damit möglichst wenig weitere Menschen am Virus erkranken.

Flughafen Tirana während der COVID-19-Pandemie
Im Flughafen Tirana

Stillstand in Tirana

Der Coronavirus-bedingte Stillstand erreicht allmählich ganz Europa. Tirana hat schon ein Wochenende Leblosigkeit hinter sich. Ein paar Bilder und Videos aus einer Stadt im Stillstand.

An sehr heissen August-Sonntagen sind die Strassen von Tirana manchmal ähnlich leer – aber jetzt ist März und am Samstag hätte man Dita e verës feiern wollen.

Bilder und Videos: Martin Lerch

Fahrradfahrt durch eine verkehrsfrei Innenstadt
Ein vom Corona-Virus geprägter Sonntagnachmittag im März 2020 auf dem Skanderbegplatz

20 Jahre »albanien.ch«

Logo albanien.ch 20 Jahre Jubiläum

Die Website albanien.ch feiert 2019 ihr 20-jähriges Bestehen. Im Frühjahr 1999, noch in den Anfangszeiten des Webs, haben wir begonnen, kostenlose Informationen, Nachrichten und Hilfe rund um Albanien anzubieten. Damit gehört die Website zu den Oldtimern, gerade wenn man bedenkt, dass sie nicht kommerziell ist und privat von Freiwilligen betrieben wird.

Wie damals ist es noch heute unser Ziel, Ratsuchenden mit Informationen den Zugang zu Albanien zu erleichtern. Wir glauben, dass es Albanien nützt, wenn Interessierte sich nicht ganz so vielen Hürden gegenübersehen. Und wir sind überzeugt, dass mit guten Informationen Unwissen und Vorurteile beseitigt werden können: Die Menschen sollen sich ein positives Bild von Albanien machen können.

1999 war das Jahr des Kosovokriegs. Auch Columbine und Galtür blieben uns in Erinnerung. Ein Handy hatten wohl die wenigsten von uns und auch das Internet gehörte noch nicht für jedermann zu Alltag. Man surfte im Web mit »Netscape« und durchsuchte es mit »Yahoo!« und »AltaVista«. Der heutige Branchenprimus »Google« bezog 1999 sein erstes Büro.

Altes Logo
Altes Logo

albanien.ch ist aus der Zeitschrift »newsletter Albanien« entstanden – ein anfangs von der DEZA unterstütztes Medienprojekt, das versuchte, Informationslücken zu Albanien zu schliessen und Albanien-Projekte zusammenzubringen. Anfangs der 90er Jahre gab es kaum Informationen über Albanien. Gegen Ende des Jahrtausends hatte sich das noch nicht gross geändert: Die Medienberichterstattung über die Pyramidenkrise, politische Krisen, den Kosovokrieg und die Blutrache vermittelten ein einseitiges Bild. Das neue Internet bot sich natürlich an, günstig breit noch andere Informationen zu vermitteln. So haben wir uns schon im Januar 1999 die Domain ergattert.

»Mit den verschiedenen Mitteln, die das neue Medium bietet, versucht die Redaktion des newsletter Albanien jetzt auch online zu koordinieren und zu helfen.«

newsletter Albanien, #21 April 1999

Natürlich sah damals alles noch ganz anders aus – unsere Möglichkeiten waren beschränkt. Wir gehörten nicht zu den Start-ups des Web-Booms, überlebten dafür die Dot-com-Blase unbeschadet. Nur die Zeitschrift gibt es nicht mehr.

Kopie der Website vom Oktober 1999 auf archive.org
Artikel zur Lancierung der Website (in unverändertem Layout)

Newsletter Artikel vom April 1999 zur neuen Website
Artikel im newsletter Albanien vom März 1999 zur Lancierung der neuen Website

Die Angebote auf der Website haben sich nicht grundlegend verändert, wurden aber laufend ausgebaut, verfeinert, modernisiert. Schon damals gab es neben dem Archiv der Zeitschrift einen Bereich mit Nachrichten (damals noch Schwarzes Brett genannt), die Informationsseiten – wie heute unter dem Titel AlbInfo. Damals gab es noch einen »Mitgliederbereich«: eine einfache Möglichkeit für Organisationen und Privatpersonen, ihre eigenen Projekte auf einer Unterseite zu präsentieren.

Das Forum ist eine besondere Erfolgsgeschichte. Hier sind in den letzten 17 Jahren (die ältesten Beiträge wurden nicht auf das neue Sytem transferiert) über 238’000 Beiträge geschrieben worden. Mehr als 8’000 angemeldete Benutzer haben sich in über 15’700 Themen ausgetauscht.

Früher wurde viel diskutiert, manchmal auch gestritten. Heute ist es etwas ruhiger – die politischen Hitzköpfe haben sich in andere Bereiche des Webs verzogen. Aber noch immer kommen täglich neue Beiträge hinzu. Ratsuchende erhalten zu ihren Fragen von einer kleinen Gruppe stark engagierter User meist rasch eine Antwort, vor allem, wenn es um Reiseprobleme geht. Viele Fragen müssen aber gar nicht mehr gestellt werden: Die aktivsten User tragen täglich neue wertvolle Informationen zu den Entwicklungen in Albanien zusammen.

Steigendes Interesse an der Tourismus-Destination Albanien spiegelt sich auch in den Besucherzahle auf der Website wider. Die Statistiken zeigen deutlich nach oben. Dabei ist es nicht immer einfach, die Surfenden auch auf die eigene Website zu bringen. In den Anfangsjahren genügte ein guter Domain und gute Inhalte, um bei Google zuoberstes in den Suchresultaten aufzutauchen. Heute konkurrieren wir mit vielen professionellen Suchmaschinen-Optimierern, Wikipedia und Buchungsportalen um die forderen Ränge, sind aber aufgrund unserer beschränkten Mittel oft abgeschlagen.

Auch sonst hat sich das Internet gewandelt. Social Media ist dazugekommen: Auch wir haben viele Kommunikationen auf Facebook und Instagram verlagert – und freuen uns natürlich über jeden Like dort. Der Blog »S’ka problem« gehört schon wieder zu den eher veralteten Kommunikationsformen, aber bietet noch immer eine gute Möglichkeit, einen anderen Blick auf Albanien zu werfen. Ein Kommen und Gehen gab es in den letzten 20 Jahren natürlich auch bei der Technik. Zu Beginn starteten wir mit HTML, schrieben allen Code von Hand. Heute gibt es zum Glück fast für jedes Bedürfnis eine kostenlose Open-Source-Software, die sich mit wenig Programmier-Kenntnissen anpassen lässt.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Welt verändert. Die Informationstechnologie prägt heute das Leben fast aller Menschen dieser Erde. In Albanien waren die Entwicklungen und Veränderungen noch ein grosses Stück deutlicher als bei uns.

Wir hoffen aber, dass wir auch in 20 Jahren Ihnen – mit unseren bescheidenen Mitteln – noch hilfreiche Informationen rund um Albanien liefern können. Um Ihnen und Menschen in Albanien wie den beiden Jungs unten ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, ein Aha-Erlebnis zu verschaffen oder mit schlechten Nachrichten auch mal ein unzufriedenes Murren zu entlocken.

Gerne können Sie unsere Arbeit via patreon.com unterstützen:

Diskussion zu 20 Jahren albanien.ch in unserem Forum

Albanische Alpen – Jungs auf der Alp
Jungs auf der Alp in den Albanischen Alpen

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