Im Juni haben die Corna-Neuinfektionen in Albanien sprunghaft zugenommen und steigen seither laufend. Die Entwicklung war weniger dramatisch als in den Nachbarländern, aber auch nicht erfreulich. Wie in anderen Ländern ist eine Corona-Müdigkeit und eine Zurückhaltung gegenüber den Gesichtsmasken erkennbar. Der Umgang mit der aussergewöhnlichen Situation prägt den albanischen Alltag unterschiedlich.
Weit weg schien das Coronavirus am Strand zu sein. Diesen August nahm das Leben an der Albanischen Riviera beinahe seinen gewohnten Lauf. Zehntausende von sonnenhungrigen Albanern strömten in langen Kolonnen an die Küsten des Landes. Da die Wirtschaft wiederbelebt werden sollte, waren Touristen grundsätzlich willkommen. Sie kamen aber fast ausschliesslich aus den Nachbarländern.
Am Strand gab es wohl an den meisten Orten genügend Abstand zwischen den Badenden. Nach wie vor eng gestuhlt waren aber die meisten Cafés und Restaurants in den Badeorten. Der abendliche »Xhiro« erfreut sich weiterhin grosser Beliebtheit – hier wurde es mitunter schon recht eng. Nur vereinzelt trug ein älteres Paar Gesichtskmasken beim Spaziergang entlang den Uferpromenaden.
Die Albaner sind keine Fans dieser Masken. Bei der sommerlichen Hitze ist das Maskentragen auch wahrlich keine Freude. Die Regierung hat – nebst weitere Massnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus – eine weitgehende Maskenpflicht für sämtliche Verkehrsmittel und gemeinschaftlich genutzten Innenräume wie Läden erlassen. Trotzdem sieht man die Gesichtsmasken ausserhalb von Tirana eher selten.
Masken werden meist getragen, weil man muss – nicht aus Einsicht. Gerade im Süden des Landes habe ich tagelang kaum eine Maske gesehen – und schon gar nicht dort, wo sie Pflicht wäre. Kaum ein Kellner, kaum ein Verkäufer war mit Maske unterwegs. Obwohl die Schilder allgegenwärtig sind. Und wenn Masken getragen werden, dann in der Regel auf »Halbmast«: unter der Nase oder unter dem Kinn. So kann man sich immer noch rausreden, sollte ein Polizist reklamieren. Dabei zeigten sich auch die Gesetzeshüter nicht immer vorbildlich …
Auch andere Bestimmungen werden gerne ignoriert. Bars an Orten, wo kaum je ein Polizist vorbeikommt, spielen trotz Verbot die ganze Nacht lang Musik. Oder aber man lässt die Gäste aus dem Gebäude nebenan beschallen. Auf Social Media machten auch Videos von wilden Beach Partys die Runde: laute Musik, viele junge Menschen beim Tanzen und hemmungslosen Feiern. Und Abstandregelungen beim Schlangestehen sind den Albanern sowieso fremd.
Positiv überrascht war ich hingegen von der verbreiteten Disziplin bei Begrüssungen. Das obligate Küssen entfiel meist, und auch Händeschütteln wurde von Vielen vermieden. In Albanien ist jetzt Begrüssung per Faustschlag angesagt!
Eine Gastgeberin hiess mich an der Wohnungstür willkommen mit den Worten: »Willst du dir die Hände waschen?« Eine nette Art, die einfachste Hygienemassnahme durchzusetzen. Händedesinfektionsmittel waren hingen nur selten zu sehen. Dafür galt es am Flughafen ein »Desinfektionstunnel« zu passieren – was wiederum wenig bringen dürfte.
Ansonsten würde man sich aber schon etwas mehr Unterstützung im Kampf gegen die »Zweite Welle« wünschen. Mehr Masken an Orten, wo Abstände nicht immer eingehalten werdene können, und weniger Gedränge in kleinen Geschäften. Vielleicht wird es ja wieder ruhiger, wenn der Sommer vorüber ist und die Menschen wieder mehr Zeit mit alltäglichen Tätigkeiten verbringen. Vielleicht wird es aber gerade dann noch schlimmer, wenn die Menschen wieder mehr Zeit in engen Räumen verbringen.
Der Alltag hat Albanien zurück: Treffen in den Cafés, Ausflüge ans Meer, Stau in Tirana. Die Veränderungen sind marginal. Der einzige Ort in Albanien, der wegen Corona wirklich vollkommen anders scheint, ist der Flughafen. Der Terminal wurde zur Geisterstadt: Geschäfte und Cafés waren mehrheitlich geschlossen, Zugang hatten nur Passagiere und die Hallen waren zum Teil menschenleer. Auch ein paar Hostels, denen die ausländische Gäste fehlen, scheinen gar nicht erst geöffnet zu haben.
Aber natürlich haben viel mehr Leute Schwierigkeiten, weil sie zum Beispiel wegen der Corona-Pandemie die Arbeit verloren haben. Nur diese sind im Alltag weniger sichtbar.
Umso wichtiger ist es jetzt, sich weiterhin an die Massnahmen gegen die Pandemie zu halten – damit das Leben wieder in die verlassenen Orte einziehen kann, damit die Verlierer der Krise wieder Hoffnung kriegen, damit möglichst wenig weitere Menschen am Virus erkranken.
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