Erlebnisbericht meiner zweiten Reise nach Kosova, Klinë
Vorwarnung: Es ist doch ein wenig ausführlicher...
Am Freitag, den 10. Februar stieg der Puls bereits ins Unermessliche – Morgen ist es soweit – ich fliege wieder zu Sheremet nach Klina.
Florian war so lieb und übernachtete bei mir, um mich am Samstag, den 11. Februar in aller Herrgottsfrühe zum Flughafen zu bringen.
Aufgestanden um 04:30 – los um 05:10 – alles lief wie am Schnürchen – wir waren planmässig um 06:20 am Flughafen. Schon da kam es mir ein wenig anders vor… denn normalerweise klappt nicht alles so gut. Naja, vielleicht sollte ich dieses Mal ja einfach ohne Komplikationen in Prishtina ankommen. Zu wünschen wäre es ja.

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Wetter in München war in Ordnung, ich musste auch nicht meine Schuhe beim check ausziehen – „super“, dachte ich!
In der Maschine eine nette Crew – fühlte mich wohl – hatte einen Fensterplatz und freute mich schon beinah auf den Flug.
Alles lief gut. Wir flogen über Salzburg Richtung italienische Küste  Rovinj aus „nächster Nähe“ aus 10.000 m gesehen – war glücklich und begeistert und freute mich auf eine baldige Ankunft in Prishtina.
Dann die Durchsage, als wir über Skopje waren: Wegen Nebel in Prishtina fliegen wir ein paar Ehrenrunden und versuchen dann erneut einen Anflug. O.K. die Blase drückte schon ein wenig – aber ich könne mich ja baldigst in Kosova erleichtern. Das war mein vorläufiger Plan.
Nun, aus den Ehrenrunden ging eine neue Durchsage des Captain hervor: FH Prishtina ist nun geschlossen worden. Ha  was nun? Treibstoff reicht auch nicht unbegrenzt…..
Der Captain teilte uns seine Entscheidung mit: Wir fliegen nach Brindisi – Tanken – und fliegen wieder zurück nach Prishtina…
Nun gut. Die Blase wurde ein wenig unruhig – aber die Nervosität hielt sich noch in Grenzen. Den Worten des Captain vertrauend sollten wir ja nur einen klitzekleinen Zwischenstopp in Brindisi einlegen.
Ich sah das Meer und die Industrieanlagen in Italien – auch mal was… ein wenig Ozean, Urlaubsstimmung

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Bevor der Tankwagen anrollte konnte ich meine Blase nun nicht mehr beschwichtigen und drängte mich an quängelnden Kleinkindern auf Mütter`s Armen vorbei zur Toilette, die verstopft, klein und stinkend war…
Egal, ich musste es nun wirklich tun….
Wieder zurück, Tankwagen begann mit dem Auftanken, süditalienische Männer wild gestikulierend vertrieben mir die Zeit ein wenig. Die Luft im Flieger wurde langsam aber sicher muffig – aber bald würden wir ja wieder abheben ;o) dachte ich, dachten wir…..
Eine erneute Durchsage des Captain beunruhigte alle: Der Flughafen sei noch immer geschlossen, keine Wetterveränderung, neblig und unmöglich zu Landen.
Eine neue Option: Rückflug nach München. WAAAAS? Ein lautes Raunen ging durch die Sitzreihen. War fast alleine unter albanischen Landsleuten und konnte mit meiner Telefonie mit Muttern und Sheremet die Gemüter über den neuesten Stand der Dinge informieren – hatte also endlich meine Bestimmung auf diesem Flug gefunden

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Erneutes Highlight – ein paar Raucher benutzten die Toilette wie es Uso war früher in der Schule – die Stewardess Jana – ausser sich und etwas grob untersagte über Funk das Rauchen im WC. Da könne ja sonst was passieren. Nach weiteren 1,5 Stunden dann die Crewdurchsage, wir dürften nun nacheinander und in 5-er Gruppen in einen kleinen Raum im hinteren Teil des Flugzeugs unserem Laster nachgeben.
Die Crew wolle uns nicht länger quälen und es sei o.k. und mit dem Captain abgesprochen… immerhin durfte eine voll besetzte Maschine das Flugzeug die ganze Zeit über nicht verlassen…manches Mal lief es mir kalt den Rücken runter, als ich mir die Situation vergegenwärtigte, aber dann dachte ich schnell an was anderes oder sah aus dem Fenster, denn nach Stunden in dieser Luft und der aufkeimenden Unruhe unter den Passagieren drohte sich eine Panikattacke zu lösen…
2 Stewardessen überwachten die Anzahl derer, die sich in dem Verschlag die Zigarette reinzogen, als ob es ihre letzte sei….
Ich arbeitete mich durch und fand einen kleinen, winzigen Platz im hinteren Teil des Verschlags, aufrecht stehen war nicht, aber ich hatte meine Nikotinzufuhr. Haute mich fast um!

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Hatte noch immer nichts gegessen und sehr wenig getrunken….. erst recht nach der einmaligen Benutzung des stillen, miefigen, verstopften Örtchens

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Aber es tat verdammt gut!
Nach einem etwa 4-stündigen Aufenthalt in Brindisi dann wieder der Captain: wir versuchen nun EINEN einzigen Anflug auf Prishtina. Gelingt dies – gut – gelingt dies nicht – geht es retour nach München.
Eine Gruppe Männer versammelte sich vor dem Cockpit und es wurde telefoniert und diskutiert, warum wir nicht einfach nach Skopje oder Tirana oder sonst wohin fliegen könnten: Der Veranstalter aber hatte mit der DBA die Option: Entweder in München oder in Prishtina die Leute aus dem Flieger zu lassen. Nirgendwo anders. Puh…. Ein Rückflug nach München?
Ich war sauer und ein wenig panisch… war ich Sheremet doch nun schon so nah ….
Abflug von Brindisi – Bye Bye Ozean und Industrie…. Nach etwa 40 min. gelangten wir in die Nähe Prishtinas.
Der Captain bereitete sich auf eine Landung vor, die Passagiere waren alle angespannt und ausgelaugt, jeder starrte vor sich hin. Dann fuhren die Räder heraus, ein gutes Zeichen!! Und wir setzten auf Kosovas Boden auf. Die Stimmung an Bord überschwänglich – ein Geklatsche und Gejohle in jeder Sitzreihe

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Juhuuu, endlich waren wir angekommen!
Aber wir waren nicht die einzigen ;o)
3 Flieger waren vor uns in der Empfangshalle und es war ein Gedränge, Geschubse und Hin und Her vor der Passkontrolle. Nach ner Dreiviertelstunde war ich endlich dran und freute mich, dem Beamten in astreinem Albanisch „Guten Tag“ zu sagen.
Dann zur Gepäckausgabe….es dauerte endlos lange, bis endlich die Koffer und Taschen unseres Fliegers heranrollten. Mir war flau und meine Beine zitterten…. Egal, ich musste meine Tasche herausfischen. Aber da waren so viele blaue große Taschen. Dann zog ich eine heraus, stellte sie auf den Boden und öffnete ein Seitenfach….ja, ich sah die Kerzen, es war meine Tasche

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Grinsend rollte ich an den Zollbeamten vorbei, sollten die mich doch kontrollieren, mir war alles egal. Ein „Guten Tag“ an einen weiteren Beamten gerichtet und dann in Richtung Ausgang. Eine wartende Menschenmasse vor mir. Augen die jeden anglotzten und abcheckten, der die Halle verließ – auch sie haben Stunden gewartet und waren müde. Ich scannte alle Gesichter…nein…nein…nein, der auch nicht… nein, nein…. JAAAAAAAAAAa….. da kam er mir entgegen!!
Ich ließ alles fallen und hüpfte Sheremet entgegen. Wie glücklich war ich in diesem Moment! Nach fast 3 Monaten konnte ich ihn endlich wieder umarmen und drücken!
Dann kam mir auch gleich Xhevdet, sein jüngerer Bruder entgegen, wir freuten uns alle narrisch und ich war erleichtert wie selten!
Schnell ein Taxi organisiert und ab in Richtung nach Hause!
Die Familie erwartete uns ungeduldig und erfreut und ich wurde herzlich gedrückt und willkommen geheißen.
Sheremet führte mich in das eigens für uns beide ausgebaute Zimmer, hübsch und liebevoll eingerichtet, die Wände in einem zarten Rosa gestrichen, alles selbergemacht. Ich war überwältigt und glücklich und wir ließen uns erstmal aufs Bett fallen um alles sacken zu lassen!
Das erste Abendessen, Pide – lecker!
Dann haben wir die nächste Stromphase noch abgewartet und uns geduscht und sind zeitig in die Falle.
Gut geschlafen, der Ofen war gnädig und hielt uns lange warm.
Die nächsten Tage bis zum Valentinstag vergingen wie im Flug. Wir waren am Tag davor in Klina, haben unsere Ringe gesucht, gefunden, gravieren und umarbeiten lassen, Sheremet ließ sich seine Mähne stutzen und ich verliebte mich ein erneutes Mal in meinen zukünftigen Mann.
Wie jeher verbrachten wir jede Minute mit reden und Händchen halten und waren einfach nur glücklich, einander zu haben.
Dann war er da: Valentinstag.
Natürlich lief nicht alles glatt. Wie auch, in Kosova läuft alles ein wenig anders.
Zuerst liefen wir mit Bahria, der kleinen Schwester die 3 km nach Ujmir – in die kleine Meldestelle, die Sonne schaute uns eine Zeit lang zu, verzog sich dann aber wieder hinter Wolken. In Ujmir sagte man uns dann: „Nein, das wurde nun alles nach Klina verlagert, hier würde das nicht mehr gemacht.“ O.k. Marsch zurück Richtung Haus, Bahria abgeladen und mit einem Van-Taxi nach Klina gefahren. Es war bereits gegen 11:00 und für mich stand es außer Frage, die Heirat musste heute sein, denn schließlich waren unsere Ringe graviert und wir wollten unbedingt den Valentinstag als Hochzeitstag. Ich war fest entschlossen, Klina heute als verheiratete Frau zu verlassen

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Im Council sagte man uns, wir müssten mein „internationales“ Ehefähigkeitszeugnis übersetzen lassen und ausserdem bräuchte ich einen Dolmetscher.
Also gingen wir zum Dolmetscher und Übersetzer. Der konnte aber nicht, denn sein Vater war krank. Er telefonierte aber mit Dodai, der schon des öfteren was für uns übersetzt hatte. Fußmarsch – angekommen – dort hingesetzt – gewartet – Dodaj liest sich das Ehefähigkeitszeugnis durch und beginnt mit dem Kopf zu schütteln. Schaut auf seine Uhr und meint, er hätte gleich einen Termin….. das kam mir bekannt vor, der Herr spielt mal wieder mit uns. Sheremet ergriff das Wort und kam nicht weiter, so wie ich das verstand. Dodaj telefonierte mit einem Übersetzer in Peja – der würde das für 50,- machen (nur Übersetzen, da war das Dolmetschen noch gar nicht mitberechnet) Witz komm raus  Er könne um 15:30 da sein  da war er, der Witz. Das Council schließt nämlich bereits um 16:00

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Mir wurde es zu viel, ich setzte mich in Position, dem Herrn Dodaj zugewandt und begann sehr bestimmt aber ruhig mit meiner Forderung.
Ich erzählte ihm, dass wir die Ringe haben und dass ich HEUTE heiraten werde. Dass wir extra zu ihm gelaufen seien, weil der andere Dolmetscher nach einem Telefonat mit ihm sagte, dass Dodaj es machen würde. Ob er sich vorstellen könne, dass wir das heute nicht allzu lustig fänden? Immerhin redeten wir hier von Kilometern, die wir zu Fuß zu ihm zurücklegten.
Dodaj war plötzlich handsam und kooperativ. Ja, er war sogar richtig auf meiner Seite. Anscheinend verschaffte ich mir mit meiner Rede Respekt. Kein Problem, meinte er, wir machen das! Ha, ich war verblüfft aber auch sehr erleichtert!
Also beschlossen wir, zum Council zu fahren und zu fragen, ob er in Englisch dolmetschen könne, immerhin habe ich ja die Sprache studiert.
Wir orderten ein Taxi – der Fahrer ist ein entfernter Verwandter von Sheremet – und anscheinend der persönliche Chauffeur von Dodaj.
Die wahnwitzige Story ging in die zweite Runde. Der dicke, laute Taxifahrer lud uns ein, redete und redete und war euphorisch, schon bevor er wusste, um was es ging

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In Klina wanderten wir im Gänsemarsch in das Council – „ja, natürlich könne Dodaj mir in Englisch dolmetschen“. Juhuuu, unser Ziel rückte näher.
Wieder per Taxi zurück zu Dodajs Haus, allesamt saßen wir dann im Arbeitszimmer, Dodaj übersetzte zusammen mit seinem Sohn mein Ehefähigkeitszeugnis und der andere Sohn brachte Raki, Saft und Bier zu Tisch.
Der Taxifahrer, nahm sich ein Bier, noch immer laut und euphorisch – aber irgendwie sympathisch…..gratulierte uns immer und immer wieder – wir entschieden uns für ein kleines Gläschen Raki – immerhin waren wir etwas gestresst und unter Druck. Es wirkte, wir wurden ruhiger und gelöster.
Die Taxifahrt zurück zum Council bleibt unvergessen, der Fahrer dreht albanische Musik bis zum Anschlag auf – hält seine Dose Bier in die Höhe, freut sich ungemein, bei diesem Ereignis eine tragende Rolle zu spielen und wir sitzen nur hinten auf unseren Sitzen und blicken uns lächelnd an.
Wahnsinn! Genauso habe ich es mir gewünscht, unkonventionell und ausgelassen!
Im Council wurde alles vorbereitet. Ich wurde zum Interview gebeten und konnte alle Fragen zu 150% beantworten. Manche davon sogar auf Albanisch! Und als ich auf die Frage, wo Sheremet wohnte antwortete, da und da und die Postleitzahl sei diese….  lächelnde Gesichter überall, nicht mal die Mitarbeiter dort wüssten die Postleitzahl. Nun, das Eis war gebrochen, nun begann der angenehme Teil der Zeremonie… jedes Mal, wenn die Tür aufging und ein Bürger eintrat, wurde er von einer der beiden Mitarbeiterinnen höflich zurückgebeten – wir hätten hier eine Hochzeitszeremonie – bitte nicht stören.

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Köstlich! Sheremet flachste und meinte, nun bräuchten wir nur noch Musik!
Die Dame, die die Zeremonie durchführte, sehr engagiert, drehte am Computer herum und über Windows Media Player hörten wir albanische Musik zu unserer Hochzeit

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Wir gaben uns unsere Versprechen, ich hörte sehr aufmerksam zu und konnte alle Pflichten und Rechte in einer Ehe unterschreiben.
Nachdem wir uns das Jawort gegeben hatten und die Ringe getauscht hatten, unterschrieben wir beide in einem riesig großen Buch – nun war es besiegelt. Ich unterschrieb mit meinem neuen Namen, als ob ich niemals einen anderen gehabt hätte.
Nun also sind wir verheiratet!  Fortsetzung folgt….
Teil II
Gut, verheiratet waren wir also nun schon einmal!
Vor dem Amt in Klina – aber noch nicht vor Offiziell-Kosova. Dafür mussten wir am Tag darauf nach Prishtina reisen und uns um eine Apostille für unsere Heiratsurkunde bemühen.
Wir trafen einen Verwandten Taxifahrer in der Stadt – der fuhr uns nach Prishtina – für 15 Euro – super – da hatten wir noch Geld für einen Kaffee übrig.
In Prishtina trafen wir dann Sheremets Bruder, der uns zum Amt begleitete. Alles war matschig und schwer passierbar, aber was konnte uns schon aufhalten?
Da standen wir also in dem Amt für Public Services der Übergangsverwaltung UNMIK und waren nicht wirklich orientiert….. wir stellten uns mal in der Schlange ganz links an. Vor Schalter 1 – gaben Kopien unserer Heiratsurkunde ab und bekamen ein kleines gelbes Zettelchen auf dem das Datum von in einer Woche vermerkt war. Das war`s. Wir konnten uns wieder auf den Rückweg machen…. Die Apostille würde in einer Woche ausgestellt werden… hoffentlich

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Wir wateten durch die Innenstadt Prishtinas – in Richtung Busbahnhof, um dort um 15:00 den Autobus Richtung Klina zu nehmen.
Mussten warten, aber wir waren zusammen – und da macht auch das Warten Spaß.
Sheremet wollte sich unbedingt die Aufenthaltshalle des Bahnhofs ansehen, er hatte sich dort seit vor dem Ausbruch des Kriegs nicht mehr aufgehalten. Ich nippte an meiner eiskalten Dose Cola und setzte mich inmitten dieser kommunistisch gestalteten Halle – blaue Hartschalensitze säumten die Buden – die früher wohl Informationsstände waren. Damals, als der Busverkehr noch in staatlicher Obhut war. Heutzutage werden die Linien von Privatunternehmen bedient. Die Buden haben ausgesorgt, in manchen haben sich Internetcafés niedergelassen oder kleine Obsthändler, die ihre dürftige Auswahl feilsch bieten.
Meine Cola war zu kalt – Sheremet erbarmte sich – ich war froh, das Gesöff nicht mehr in meinen Händen halten zu müssen.
Wir fuhren nicht planmäßig los – aber wann tut man das schon in Kosova? Uns war´s egal. Vorbei an zerstörten Dörfern, über hügelige Straßen, nass kaltes Wetter draußen und eine Mutter mit ihrem quängeligen Sohn 2 Reihen vor uns.
Mir fällt ein großer Unterschied zur deutschen Kultur auf…. Das Kind – ein etwa 2-jähriger aufgeweckter Bub flirtet mit unseren Sitznachbarn (2 etwa 30-jährige Männer) schräg vor uns. Er lächelt, sie lächeln zurück und der Junge signalisiert, er möchte gerne zu den Jungs…. Die Mutter übergibt ganz selbstverständlich ihr Kind und er macht es sich auf dem Schoß des Mannes bequem….da wird die Backe gekniffen, ein Kuss auf die Wange gegeben und ein bisschen gespielt… dann will er zurück zu Nena.
Ich staune nicht schlecht und sage Sheremet, bei uns in Deutschland wäre es undenkbar, sein Kind durch die Reihen wandern zu lassen. Jede Mutter würde mit der Polizei drohen und zetern, sobald sich ein Fremder dem Kind nähert. Das verwunderte wiederum Sheremet – es sei doch etwas völlig Normales….
Wir hatten wieder ein interessantes Gesprächsthema gefunden….und es begleitete uns bis fast nach Klina. Kurz vor der Stadt wurde mein MANN ziemlich müde und nickte kurzzeitig ein. Ich genoss die paar Minuten, in denen er, an mich gelehnt, sein Kopf an meinen gesunken, friedlich vor sich hinatmete. Ich sah aus dem Fenster, lauschte der Musik im Bus und folgte der Landschaft – die so verdreckt und alleingelassen – doch so anmutend und mich fesselnd an mir vorüber zog.
In Klina stiegen wir in der Nähe unseres Stammcafés aus und beschlossen, noch auf einen Smirnoff dorthin zu gehen. Wurden freudig empfangen – wir waren wie ein Magnet, denn wir liebten uns in jedem Moment, egal wo und egal, wann….. alle genossen den Anblick und die Atmosphäre wurde entspannt und ein wenig müde und erschöpft von der Fahrt….wir lauschten der Musik, fanden immer wieder neue Themen über die es sich zu reden lohnte und genossen einfach nur die Zeit, unsere Zeit, wie sie an uns vorbei rann…. Doch es war ja unsere Zeit, wir konnten sie kosten und genießen und einfach nur SEIN.
Abends gab es wieder lecker Pide – Ziza hatte sich diesmal selbst übertroffen…oder war es die Fahrt im Bus und der Aufenthalt in Prishtina, der mich hungrig machte und mich dieses Essen so sehr genießen ließ?
Teil III
Ein sonniger Tag – wir beschlossen, mit dem Traktor raus in die Felder zu fahren. Nahmen eine ältere Axt mit, falls es zu matschig und unwegsam würde, damit wir uns freischlagen könnten….
Wow…er fuhr, ich saß in dem Anhänger. Aber meistens richtete ich mich auf und hielt die entgegenkommende Äste davon ab, sich in Sheremets Gesicht zu manifestieren. Er meinte, das sei schon o.k., er sei daran gewöhnt, aber ich ließ mich nicht lumpen.
Wir fuhren einen engen Pfad auf einen Berg….und stoppten…..Sheremet sprang vom Träcker und meinte „So, nun kannst du es mal probieren“… ha! Ja klar, ich hab nicht mal einen Führerschein, da werde ich mich bestimmt nicht hinter das Steuer des einzigen Traktors der Familie klemmen und meine ersten Fahrversuche absolvieren. Aber er sprach in solch einer sanften Art zu mir, erklärte mir alles ganz genau und brachte mir Vertrauen entgegen, ich musste es einfach versuchen. Und es klappte – zwar mit Jubel und Freudeschreien meinerseits begleitet – aber es war einfach ein zu schönes Ereignis, als es lautlos zu erleben

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Und so tuckerte ich jauchzend durch die kosovarische Berglandschaft!
Oben angekommen zeigte er mir die Ländereien der Familie – und ich war ganz versessen darauf, was zu tun.
Immerhin hatten wir die Axt dabei und das Feuerholz ging auch zur Neige. Und wenn wir nun mit neuem Feuerholz zurückkämen, dann hätte ich endlich auch mal was gemacht. Ich durfte ja sonst nichts helfen…..und mir war langweilig geworden. Immerhin habe ich hier eine Wohnung zu versorgen, gehe arbeiten und bin eingespannt und für mich selbst verantwortlich. Sheremet war leicht zu überzeugen und so lernte ich auch noch, wie man einen Baum mit einer Axt fällt.
Habe einen Baum fast ganz allein gefällt. Es ist eigentlich ganz leicht, wenn man den Keilschlag kennt ;o)
Die Baumstämme wurden dann noch transportfähig gemacht und wir tuckerten nach einem langen Weilchen und einer kurzen Pause wieder Richtung Tal.
Schönes Gefühl – abenteuerlich war es auch! Die Familie fands toll, dass wir nützlich waren ;o) und ich hatte nun endlich nicht mehr das Gefühl, nur zu nehmen, sondern auch ein wenig geben zu können.
Der Tag, an dem wir nach Prishtina fuhren, um die Apostille abzuholen…..
In der Nacht zu Donnerstag hatte es wie aus Eimern geschüttet und das Resultat war eine weitgreifende Überschwemmung – die viele Ortschaften sogar komplett von der Außenwelt abschnitt. Wir hörten in der Nacht den Regen und Sheremet hatte schon Bedenken und machte sich Sorgen um die Kühe (Darika und Baluka), die in etwa 2 Monaten ihre Kälbchen zur Welt bringen werden. Ich habe gelernt, dass Kühe nur dann Alarm schlagen, wenn sie von Feuer bedroht werden. Sollten sie einer Überschwemmung zum Opfer fallen, so bleiben sie stoisch im Wasser stehen und warten einfach nur auf bessere Zeiten.
Am Morgen kamen wir das eiskalte Treppenhaus herunter (es werden nur 2 Räume im Haus per Ofen geheizt – der Rest ist gewöhnungsbedürftig kalt und zugig. Aber man gewöhnt sich an fast alles…). Und als ich da ein wenig verschlafen in der Diele des Hauses stehe, aus dem Fenster blicke, da trifft es mich wie ein Blitz… „wo war nur der Hof geblieben?“ Wasser – Wasser – Wasser – überall….. Wahnsinn..
Mein Schwiegervater watete bereits knöchelhoch im Wasser im Garten (oder eher darin, was früher mal ein Garten war) und versuchte, mit einem langen Eisenbrett den über die Ufer getretenen Fluss wieder einzudämmen – er war über die Ufer getreten, riss so ziemlich alles mit sich, was nicht niet und nagelfest war und hatte eine wirklich immense Kraft.
Das Einfahrtstor war unterspült – welch eine Kraft ein so kleiner Bach doch entwickeln kann…
Wir wateten in Gummistiefeln Richtung Tor – zogen diese dann auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus und begutachteten erstmal den Fluss und die Straße und hatten in diesem Moment wenig Hoffnung, dass wir heute jemals nach Prishtina kommen würden.
Die Straße war an manchen Stellen geflutet – kaum vorzustellen, dass sich hier ein Auto durchwagen würde.
Aber so Gott wollte kam nach ein paar Minuten unser Autobus, der uns nach Klina bringen sollte. Es hatte zu dem Regen auch noch eine Mischung aus Schnee und Regen gegeben und an den nicht überfluteten Stellen watschelte man durch Schneematsch….super….ich hatte also schon am Anfang unserer Reise nasse Füße.
Wir kamen bis zum nächsten Dorf….dann konnte der Bus nicht mehr rückwärts rangieren, da sich irgendwo im Motor Schnee festgesetzt hatte. Wow – und wir sollten es heute noch nach Prishtina schaffen.
Aber mit vereinten Kräften und der Hilfe eines Fahrgastes konnten wir nach einer knappen Stunde weiterfahren.
Die Apostille haben wir natürlich nicht gleich bekommen. Angeblich war mein Ehefähigkeitszeugnis abgelaufen

) irgendwas musste ja noch kommen!!!
Der Herr in der Behörde erklärte sich bereit, in Klina anzurufen und die Leute dort das Zeugnis nach Prishtina faxen zu lassen. Wir warteten 3 Stunden in einem Bistro in der Nähe…..aber wir bekamen die Apostille letzten Endes und fuhren per Taxi (es war bereits spät und ich hatte keine Nerven mehr mit nassen Füßen zum Busbahnhof zu laufen) nach Klina zurück.
Dort kaufte ich mir noch eine Kaffeekanne und Kaffee und was Kleines für die Schwestern und Karten (wir spielten ab dem Abend nur noch Joll).
Den Abschied kann sich jeder bildhaft vorstellen und diese Vorstellung wurde von der Realität noch getoppt….ich konnte schon am Vortag nicht mehr an mich halten und fragte mich innerlich, wie ich das nur schaffen sollte.
Ich hatte dieses zurückgelassene, vergessene Land so sehr in mein Herz geschlossen, dass ich mich heimisch fühlte und auf keinen Fall zurück wollte. Aber Gott sei Dank konnte sich mein Verstand durchsetzen und ich konnte wenigstens ein bisschen die Fassung bewahren, als mich die ganze Familie zum Tor begleitete. Alle in Gummistiefeln oder Schluppen…..ich hoffte auf ein Wunder… die Tränen liefen mir innerlich in Strömen über die Wangen, aber ich wollte nicht weinen, ich wollte stark sein.
Bei der Umarmung der Schwestern konnte ich nicht mehr an mich halten und die Mutter scheuchte uns auseinander – Vater würde schon genug leiden und mit sich ringen, wir sollten nun nicht noch ein größeres Drama draus machen…..
Beim Van wartete dann Baba Ali: Der Mann, dem ich soviel Hochachtung und Respekt und Zuneigung entgegenbringe….er reichte mir die Hand, hatte Tränen in den Augen und konnte nicht formulieren, was er mir sagen wollte. Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Ich sah ihn an – strich über seinen Arm und hielt seine Hand ganz fest. Meine Beine konnte ich nicht mehr fühlen, ich hatte mich so sehr verkrampft, „bloß nicht weinen, bloß nicht zusammenbrechen“ – aber danach war mir in dem Moment.
Ich bedankte mich bei Ali für alles und ließ mich in den Van fallen.
Sheremet und ich saßen nun alleine hinten im Van – ein Verwandter fuhr uns nach Prishtina. Vielleicht hat er heute noch Schmerzen in seiner linken Hand, ich glaube ich habe sie so lange so fest gedrückt……
Am Flughafen konnten wir noch einen Kaffee trinken, ansehen konnten wir uns kaum, der Schmerz war zu groß….aber wir fühlten uns einander sehr nah in diesen Momenten..
Dann wurde mein Flug aufgerufen, ich verschwand durch die Passkontrolle und wann immer ich mich umdrehte – da stand er – winkte mir zu – gab mir Luftküsse und das Gefühl „Ich bin bei dir“.
Das war meine 2. Reise nach Kosova….ich bin noch immer nicht in Deutschland angekommen, zu schön und leicht und herzerfrischend war mein Aufenthalt dort, bei meiner neuen, dazugekommenen, mir ans Herz gewachsenen Familie.
Ich bin stolz darauf, seine Frau zu sein und wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen…..jede Minute ist er in meinem Herzen, jeder Atemzug erzählt von meiner Liebe zu ihm…Sheremet, meinem Mann.
Nun werde ich unsere dreiviertel Stunde am Tag nutzen und seine Stimme hören, in mir aufsaugen, stark sein und erfahren, was er und die Familie heute unternommen haben…
Kosova, ich vermisse dich schmerzlich
Lule
01.03.2006