Do, 16. Dez 2010, 23:44
In Sittensen tötete ein Rentner einen Einbrecher. Dessen Komplizen haben sich gestellt
77-jähriger Millionär besaß eine legale Waffe und schoss dem Täter in den Rücken
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Der 16-jährige getötete Deutsch-Albaner war als Intensivtäter bekannt
Totschlag oder Notwehr? Diese Frage steht im Mittelpunkt bei der Aufarbeitung der Geschehnisse einer blutigen Nacht in Sittensen (Niedersachen). Am Montagabend waren hier in einer Villa tödliche Schüsse gefallen, ein erst 16 Jahre alter Räuber erlag später seinen Verletzungen. Der Schütze war der überfallene Hausherr selbst - der 77-Jährige ist passionierter Jäger und griff kurzerhand zu seiner Fangschusswaffe, als die Bande, die den Millionär in seinem Haus überfallen hatte, mit der Beute fliehen wollte. Mehrfach schoss er. Eine Kugel traf den Jugendlichen in den Rücken, durchschlug das Schulterblatt und traf das Herz. Das ergab die Obduktion.
Die Komplizen des Getöteten waren nach dem Überfall zunächst geflohen. Drei von ihnen im Alter von 22 und 23 Jahren stellten sich am Mittwoch gegen Mittag in Neumünster (Schleswig-Holstein), der vierte fehlende Räuber, ein 24-Jähriger, kam kurze Zeit später mit seinem Anwalt zur Polizei. Alle vier Mittäter haben einen Migrationshintergrund und waren bei der Polizei bekannt. Sie wurden festgenommen.
Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Stade haben mittlerweile ein sehr genaues Bild von den Ereignissen. Laut Staatsanwalt Kai-Thomas Breas sprechen die Indizien eine deutliche Sprache - und demnach ist es aufgrund der bisherigen Erkenntnisse kaum vorstellbar, dass gegen den Rentner Anklage erhoben wird.
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Der ehemalige Bestatter war am Montagabend um kurz vor 22 Uhr auf seinem Grundstück auf dem Weg zu einem Hundezwinger von fünf maskierten und bewaffneten Tätern abgefangen worden. Sie hatten den alten Mann, der nach einer schweren Operation an Krücken geht, gewaltsam ins Haus gedrängt. Dort nahmen sie ihm die Geldbörse ab und durchsuchten die Räume. Er sei mit einer Waffe bedroht worden, die ihm von hinten an den Kopf gehalten wurde, sagte der Mann später in seiner Vernehmung.
Im Haus stießen die Täter in der oberen Etage auf einen Tresor. Als sie ihn aufbrechen wollten, löste der Alarm aus. In dieser unübersichtlichen Situation kam er an seine Pistole, aus der er sofort mehrere Schüsse abgab. Der Jugendliche wurde aus einer Entfernung von etwa zehn Metern getroffen.
Es ist nicht nur die Situation direkt bei der Tat in der Fachwerkvilla am Appeler Weg in dem 5500-Einwohner-Ort zwischen Hamburg und Bremen, die zumindest einen zwar rechtswidrigen, aber straflos bleibenden Notwehrexzess begründen könnte, bei dem der Rentner aus Furcht, Angst oder Verwirrung schoss. Auch der gewaltsame Tod eines Unternehmers wenige Tage zuvor in Oldendorf, nur 50 Kilometer von Sittensen entfernt, wird bei der Bewertung der Staatsanwaltschaft eine Rolle spielen. Ernst B. hatte von dem Fall gewusst, bei dem ein Unternehmer bei einem Raubüberfall in seinem Haus zu Tode gekommen war.
"Wir müssen bei Notwehr immer den Einzelfall betrachten. Dabei wird festgestellt, ob sich das Verhalten des Mannes in den Grenzen der Notwehr bewegte", sagt Staatsanwalt Breas. Es gebe auch keine Zweifel, dass der Mann sich "echt bedroht fühlte". An einen Haftbefehl gegen den 77-Jährigen denkt die Staatsanwaltschaft nicht. Ernst B. hat umfassend ausgesagt. Er wurde zunächst psychologisch betreut.
Der Getötete war ein 16 Jahre alter gebürtiger Albaner und galt bereits als sogenannter Intensivtäter. Bei der Polizei in seinem Wohnort Neumünster war er wegen zahlreicher Eigentumsdelikte, gefährlicher Körperverletzung oder Raub bekannt. "Er galt auch als äußerst gewaltbereit und bewaffnet", sagt Breas. Die Tat dürfte gut vorbereitet gewesen sein, das Opfer war wohl nicht zufällig ausgesucht worden, galt es doch als vermögend. Ob die Täter echte Waffen hatte, ist unklar. Die Ermittler fanden auf der Fluchtroute eine Plastiktüte mit einer täuschend echt aussehenden Softair-Pistole und Masken.
Fälle, bei denen die Opfer in Notwehr in ihrem Haus einen Einbrecher oder Räuber erschießen, sind extrem selten in Deutschland. Auch weil nur sehr wenige Privatpersonen, in der Regel Jäger oder Sportschützen, scharfe Schusswaffen besitzen dürfen. 1999 tötete auf dem Nicolai-Friedhof im Stadtteil Prenzlauer Berg in Berlin der Wächter (75) einen Einbrecher (28) mit einem Schuss aus einem Revolver, den er legal besaß. In Bendestorf, das nur knapp 40 Kilometer von Sittensen entfernt liegt, spielte sich 1982 einer der spektakulärsten Fälle von Notwehr ab. Damals erschoss der Unternehmer und Millionär Holger Wieser einen 19 Jahre alten Einbrecher aus dem Bett heraus.
te jetosh do te thote te luftosh