Berge in Albaniens hohem Norden
Kelmend ist der Name des nördlichsten Teils der Albanischen Alpen. Die Region wird durch zwei Täler gebildet: Das tief eingeschnittene Tal des Cem und das Tal von Vermosh im nördlichsten Zipfel von Albanien. Im Südosten liegt das Massiv »Bjeshkët e Namuna«, ein besonders grosser karstiger, wasser- und vegetationsloser Gebirgsblock.
Die Täler des Kelmend sind etwas belebter als andere des Gebirges. Obwol lange Zeit sehr abgeschieden, ist es langsam vorbei mit der Ruhe: Seit der Asphaltierung der Strasse kommen mehr Touristen. Ein neuer Grenzübergang verbindet Tamara mit Podgorica direkt. Seither führt der kürzeste Weg zwischen dem montenegrinischen Städtchen Plav und der Hauptstadt Podgorica durch das albanische Kelmend.
Die Region bietet für Touristen vorzügliche Wandermöglichkeiten, eindrückliche Landschaften und gute Küche. Lepusha am Pass zwischen Vermosh und Tamara ist ein beliebter Ausgangspunkt für Touren. Lepusha und Vermosh gehören auch zum »Nationalpark ALpen Albaniens«.
Tour durch Kelmend
Cem-Schlucht
Die Strasse ins Kelmend – jetzt bis Vermosh asphaltiert und ausgebaut – zweigt bei »Han i Hotit« am Nordostende des Shkodrasees kurz vor dem Grenzübergang zu Montengero ab. Es geht unter der Eisenbahn durch und an den Häusern sowie der Kirche von »Han i Hotit« vorbei. Schnell steigt die Strasse auf fast 800 Meter an – unterwegs hat man einen schönen Blick zurück zum Shkodrasee.
Beim Dorf Rrapsh eröffnet sich ein breites Hochtal. Am nördlichen Ende fällt dieses Tal abrupft 600 Meter tief zum Fluss Cem hinunter ab. Der Ausblick, der sich hier eröffnet, ist eine der grössten Attraktionen der Region. Weit unten die Cem-Schlucht mit steilen Felswänden, rundherum die eindrückliche Bergwelt des Kelmend und dahinter noch ein paar Gipfel des nördlich angrenzenden Montenegro. Von einem Balkon aus hat man den schönsten Blick in die tiefe Schlucht – ein obligater Fotostopp. Die Ende der 60er Jahre erbaute und um das Jahr 2010 asphaltierte Strasse windet sich in vielen Serpentinen den Abhang hinunter.
Unten im Tal schlängelt sich die Strasse weiter nach Nordosten ins Zentrum des Kelmend hinein. Dem Cem-Tal flussabwärts folgend gelangt man zum neuen Grenzübergang in Richtung Podgorica.
Tamara
Die Strasse führt als nächstes nach Tamara, dem Hauptort der Region. Das Dorf ist von mächtigen Felswänden umgeben, Wasser von Fluss und mächtigen Quellen sprudelt, in den Höhen verstecken sich noch ein paar Höfe und abgelegene Weiler.
Die kleine Siedlung bietet nicht viel Sehenswertes, ist aber durchaus einen Stopp wert. Der Dorfplatz wurde hübsch aufgefrischt. Ein Denkmal erinnert an die Opfer des Kommunismus. Weiter gibt es am Platz neben Cafés und Restaurants, die mit etwas Glück auch das lokale Bier verkaufen, einen kleinen Laden, der regionale Produkte anbietet, und eine Touristeninformation für Kelmend. Diese ist ein guter Anlaufpunkt, wenn man Informationen für Wanderungen oder Führer sucht. Tamara ist auch die letzte Möglichkeit, sich mit Vorräten einzudecken..
Im Dorf gibt es auch Unterkunftsmöglichkeiten, meist eher einfache Gästezimmer in Privathäusern.
Nikç & Vukël
Kurz vor Tamara geht eine Strasse in ein Seitental ab. Der schlechte und enge, etwa 15 km lange Weg führt zu den beiden abgelegenen Bergdörfern Nikç und Vukël. Im ersten Teil wird ein enges Tal passiert, wo oft kaum Platz für das Strässchen bleibt. Dann weiten sich die Berge zu einem breiten Talkessel mit eindrücklichen Felswänden. Vukël liegt auf einer Geländeterrasse am Nordhang des Tals und ist nur per Umweg über Nikç zu erreichen, das zuhinterst im Tal liegt. Unterhalb von Vukël entspringt der Fluss in einer mächtigen Quelle. In Nikç gibt es eine Kirche. Ein paar Familien bieten Gästezimmer an.
Nikç wird meist von durchziehenden Wanderern besucht. Nach Süden und Südosten gibt es lange und schwierige Pfade nach Boga respektive Theth durch die wasserarmen Karstgebiete der »Bjeshkët e Namuna«. Im Norden geht es auf verschiedenen Routen nach Lepusha über Alpweiden und Höhenzüge, die mehrheitlich grün und weniger rauh sind. In den nur zu Fuss zugänglichen Gebieten oberhalb von Nikç gibt es noch ausgedehnte Wälder.
Selca
Folgt man der Strasse von Tamara weiter das Tal hoch, erreicht man nach einer Fahrt durch sehr karges Gebiet als nächstes das kleine Dorf Selca. Hier wird das Tal wieder grüner. Selca ist das alte Zentrum von Kelmend und Kirchort. Viele Höfe liegen hoch über dem Talboden an den Hängen, viele sind aber auch verlassen und verfallen.
Die Strasse steigt nach dem Dorf von rund 400 Meter Höhe steil an, um die Schlucht von Selca zu umgehen, ein äusserst schmaler Einschnitt am oberen Dorfende.
Ab Selca starten mehrere Wanderrouten. Ein steiler Pfad führt von der Kirche nach Norden durch schluchtartige Einschnitte bis kurz vor der Grenze zum »Sllapi-Wasserfall«, der grössten Kaskade des Kelmend. Weitere, lange Wanderrouten führen durch die Berge nach Vermosh.
Lepusha
Nächster Etappenpunkt ist der »Bordolec-Pass« (1355 m) beim Dorf Lepusha. Auf dem Weg dorthin passiert man noch am Anfang des Nationalparks die Quelle des Cem. Lepusha ist erst seit rund 100 Jahre bewohnt – das Leben in den Bergen ist hart: Im Winter liegt meterhoch Schnee. Für Touristen ist es ein schönes Plätzchen: ein ruhiges Bergdorf vor eindrücklicher Kulisse, sanfte Wiesen und die hohen Gipfel der »Bjeshkët e Namuna« darüber.
Auf der Passhöhe gibt es Cafés, die Schule und eine neu errichtete Kirche. Diverse Häuser im Dorf bieten Gästezimmer in verschiedenem Ausbauzustand und Campingmöglichkeiten an. Kleine Gästehäuser wie das Hotel Alpini und das sehr einfache Hotel Kelmendi sind zu Fuss rund zehn Minuten von der Passhöhe entfernt. Vom Pass führt ein einfacher Weg nach Südosten ins Dorf hinunter, wo weitere Gästehäuser liegen.
Am zweiten Samstag im August – das Datum ist aber nicht in Stein gemeisselt – findet auf dem »Bordolec-Pass« das grösste Volksfest von Kelmend statt, der »Logu i Bjeshkëve«. Es reisen Menschenmassen an, viele Unterkünfte sind dann ausgebucht. Bei diesem Fest stehen traditionelle Musik und Tänze im Mittelpunkt, vor allem aber wird die »Miss Bjeshkëve« gewählt: die hübscheste junge Frau der Berge. Die Kandidatinnen müssen nicht nur durch Schönheit überzeugen. Auch ihre traditionell Tracht und ihr Können beim Volkstanz werden bewertet. Begleitet wird die Miss-Wahl von Auftritten zahlreicher Musiker und Tanzgruppen.
Bericht vom »Logu i Bjeshkëve«
Lepusha ist Ausgangspunkt vieler Wanderungen. Man kann einfachere Touren rund ums Dorf machen oder zu den Alpen (Almen) und Gipfeln in der Nähe aufsteigen, zum Beispiel zum Trojan (2149 m) im Osten auf der Grenze zu Montenegro. Nach Vermosh im Norden gibt es verschiedene Routen unterschiedlicher Schwierigkeit und Länge. Wanderungen nach Süden sind anstrengender: Bis Nikç geht es noch gut, aber weiter durch die »Bjeshkët e Namuna« wird es schwierig und lang. Bis Theth braucht man zwei Tage, Wasser gibt es unterwegs kaum.
Vermosh
Vom »Bordolec-Pass« geht es hinunter nach Vermosh, dem nördlichsten Dorf Albaniens, nochmals ein enges Tal passierend. Die abgeschiedene Region ist das einzige Tal Albaniens, das zum Schwarzen Meer entwässert wird. Vermosh ist eine grosse Streusiedlung in einem langen, breiten Tal. Noch vieles ist sehr ursprünglich und einfach, die Bergwelt rundherum kaum berührt. Es gibt diverse Privatunterkünfte.
Ab Vermosh gibt es zahlreiche Wanderrouten in die Bergwelt nördlich und südlich des Tals, meist zu Bergspitzen, die einen weiten Rundblick bieten. Gerade die Region nördlich vom Dorf, die »Spitze« Albaniens, ist sehr abgeschieden. Man kann auch nach Lepusha und nach Selca (lange und anstrengend) wandern.
Am Talausgang schneidet sich der Vermosh-Bach tief ins Gestein ein und bildet eine kurze Schlucht (»Kanjoni«). Bis zum kleinen Grenzübergang nach Montenegro ist es nicht mehr weit.
Weiter nach Montenegro: Plav und Gusinje
Der montenegrinische Teil des Prokletije-Gebirges bietet ebenfalls zahlreiche Wandermöglichkeiten. Es gibt auch Bike-Routen. Das kleine Städtchen Plav liegt an einem schönen See, umgeben von hohen Bergen.
Den Nationalpark und die Bergwelt der Albanischen Alpen südlich von Plav sind am einfachsten von Gusinje und dem kleinen Dorf Vusanje weiter westlich zugänglich. Längere Touren führen auf Gipfel an der Grenze zu Albanien, die Blicke ins Tal von Valbona erlauben. Eine lange Tour ist der Weg über die Grenze nach Theth, eine Route, der auch der Fernwanderweg »Peaks of the Balkans« folgt. Informationen zum Grenzübertritt gibt es auf der Website des Fernwanderwegs (siehe unten).
Das Grebaje-Tal südwestlich von Gusinje ist wohl der eindrücklichste Ort im montenegrinischen Teil des Gebirges. Zwischen den steilen Felswänden gibt es mehrere Unterkünfte. Gut machbare Bergtouren führen zur Volušnica und der Maja e Vajushës. Letzterer Gipfel liegt auf der Grenze zu Albanien und ist auch von Lepusha aus erreichbar. Von hier im Südwesten des Tals bietet sich ein sensationeller Ausblick zu den imposanten, sehr steilen Wänden und GIpfeln des Karanfil – einem der eindrücklichsten Gipfel des Gebirges.
Wandern in Kelmend und Vermosh
Die Bergwelt des Kelmend bietet hervorragende Wandermöglichkeiten – vgl. Texte oben. Viele Touren sind aber meist anspruchsvoll, da die Hänge oft sehr steil sind.
Rund um Vermosh und Lepusha gibt es aber auch Touren, die weniger steil sind. Hier gibt es auch gute Möglichkeiten für Rundtouren, die nach einem halben oder ganzen Tag wieder ans Ziel zurück führen. Man kann aber auch von Selca nach Vermosh wandern (lange), von Vermosh nach Lepusha, von Lepusha nach Nikç oder Vukël sowie von Vermosh nach Montenegro.
Mit deutscher Finanzierung und Schweizer Know-how wurden zahlreiche Wanderwege in Kelmend markiert. Auch Italiener haben Wege markiert. Somit fällt die Orientierung bei gutem Wetter auf den häufig begangenen Routen nicht mehr schwer. Viele Touren führen in die – meist stark – abgeschiedene Bergwelt. Sie setzen entsprechende Ausrüstung und Vorbereitung voraus. Siehe Hinweise zum Wandern auf der Seite Albanischen Alpen!
Eindrücklich, aber herausfordernd sind Wanderungen in den »Bjeshkët e Namuna«, den »verwunschenen Bergen«. Die Touren nach Theth und Boga sind extrem lange (eher zwei als einen Tag), nicht alle markiert, und führen durch karstiges Hochgebirge. Wasserquellen sind unterwegs kaum vorhanden, gewisse Passagen sind stark ausgesetzt. Diese Routen sollten nur von sehr erfahrenen Berggängern in Angriff genommen werden.
Allgemeine Hinweise Albanische Alpen
Diverse nützliche Reiseinformationen zur Region finden sich auch auf der Seite
Albanischen Alpen.
Nützlich
Touristeninformation Kelmend-Shkrel
Kelmend.info
Buchtipps: Reiseliteratur
Auch der Rother-Wanderführer Albanien bietet neben Wanderungen im ganzen Land auch ein halbes Dutzend Touren für die Region Kelmend. Das 2019 erschienene Buch enthält auch einige aktuelle Informationen zu Unterkünften und generelle Angaben zum Wandern in Albanien. Zu jeder Wanderung gibt es eine Karte und ein Höhenprofil.
Etwas vertiefte Einblicke gibt noch der Wanderführer Nordalbanien (Thethi und Kelmend). Er war das erste Buch seiner Art für Nordalbanien. Der Wanderführer beschreibt nebst Hochgebirgstouren auch Spaziergänge im Tal sowie die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und das Leben der nordalbanischen Gesellschaft. Leider ist der 2008 herausgegebene Wanderführer vergriffen, aber doch noch über diverse Händler erhältlich. Zusammen mit dem Buch wurde eine Wanderkarte im Massstab 1:50000 für die Abanischen Alpen produziert, sicherlich die beste für die Region.
Unterwegs in Kelmend
In Kelmend gibt es viele Häuser, die Kilometer von der nächsten Strasse entfernt sind. Und diese Strassen sind kaum ohne 4×4-Fahrzeugen passierbar, schon gar nicht bei Regen – abgesehen von der ausgebauten Strecke »Han i Hotit«–Tamara–Vermosh–Plav, die erst vor zehn Jahren asphaltiert wurde und die abgeschiedene Region jetzt deutlich besser erschliesst. Die Strasse nach Tamara und weiter bis Vermosh ist schmal und kurvenreich, so dass auch hier reichlich Zeit benötigt wird.
Im Winter, wenn zahlreiche Dörfer über Monate von der Umwelt oder dem Rest Albaniens abgeschnitten sind, ist der Pass bei Lepusha manchmal wegen meterhohem Schnee gesperrt. Nach Unwettern ist mit Schutt, Felsbrocken und kleinen Erdrutschen auf der Strasse zu rechnen!
Anreise nach Vermosh und Kelmend
Auto – Kelmend ist gut von Shkodra und dem Grenzübergang »Han i Hotit« von Montenegro aus zu erreichen. Die Route zweigt gleich beim Grenzübergang nach Norden ab. Vermosh ganz im Norden kann auch von Plav in Montenegro angefahren werden. 2021 wurde der neue Grenzübergang »Grabom« im Tal des Cem eröffnet. Die Strecke von Podgorica nach Tamara verkürzt sich so auf 36 Kilometer.
Busse – Ab Shkodra fahren Minibusse (Furgon) nach Kelmend (meist sehr früh am Morgen talwärts und am frühen Nachmittag zurück). Hinter Tamara bis Vermosh verkehrt nur noch ein Bus – und auch der nicht jeden Tag. Auch von Gucia oder Plav sollte es Busse oder Mitfahrgelegenheiten nach Vermosh geben.
Flugzeug – Neben dem Flughafen in Tirana bietet sich auch der Flughafen in Podgorica (Montenegro) für die Anreise an.
Eisenbahn – Podgorica ist per Eisenbahn zu erreichen. Nach Shkodra fahren aktuell keine Züge mehr.
Essen & Schlafen in Vermosh und Kelmend
In Vermosh und Lepusha gibt es seit ein paar Jahren einfache Guesthouses. Auch in Tamara gibt es schon einige Unkterkünfte. Etwas oberhalb vom »Bordolec-Pass« liegt ein kleines, sehr einfaches Hotel (Etagen-WC). Die meisten Gästehäuser im Dorf sind besser. Das »Hotel Alpini« etwas unterhalb des Passes ist komfortabler, aber bietet teilweise auch nur Etagen-WC. Direkt an der Passhöhe wird eine Wiese als Camping-Platz vermarktet, aber auch einige der Gästehäuser bieten Stellplätze.
Die Gästehäuser in den Alpen verfügen meist über Mehrbettzimmer und einem zu teilenden Badezimmer. Das Abendessen wird oft in der Stube des Hauses eingenommen. Für Wanderungen werden gerne auch Essenspakete bereitgemacht. Die Unterkünfte sind einfach und die Privatssphäre beschränkt. Zumindest hat man die Möglichkeit, etwas Einblick in den Alltag der Menschen zu erlangen.
In Dörfern ohne Gästehäuser findet sich meist problemlos auch jemand, der bereit ist, Gäste aufzunehmen. Man muss aber damit rechnen, dass kein modernes Badezimmer vorhanden ist und man allenfalls im Wohnzimmer schlafen muss. Camping ist gegen kleines Entgelt bei fast allen Guesthouses möglich.
Bis jetzt gab es kaum Restaurants, abgesehen von Vermosh und Tamara. Cafés gibt es in fast allen Dörfern, und zum Teil werden auch Kleinigkeiten zu essen angeboten. Die Speisen in den Gästehäusern sind stark vom lokalen Angebot geprägt: Lammfleisch, frisches Gemüse, Kartoffeln, Käse und Brot.
Einkaufen
In Tamara gibt es kleine Läden, die zum Teil auch lokale Produkte anbieten. In den Dörfern im Gebirge gibt es keine Läden. Die Cafés bieten zum Teil ein paar Dinge des alltäglichen Bedarfs an, aber nur sehr wenig Lebensmittel. Vorräte sollten in Shkodra oder Plav eingekauft werden. Bei Bauern in den Dörfern und den Vermietern von Unterkünften sollte man frisches Gemüse, Brot und Käse kaufen können.