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»Lamerica« Seit Ende Januar ist Gianni Amelios Film »Lamerica«, vollständig in Albanien gedreht, in Schweizer Kinos zu sehen. Nachdem Gianni Amelio mit seiner neusten Produktion in Venedig den Preis für die beste Regie und zum dritten Mal den Felix (der »europäische Oscar«) gewonnen hat, lässt sich über die Qualität dieses Filmes nicht mehr gross diskutieren. Wieder einmal ist es ihm gelungen, der Öffentlichkeit mit eindrücklichen Bildern ein politisches Thema näher zu bringen. Was bietet dieser Film aber Leserinnen und Lesern des newsletter, die wieder einmal etwas von Albanien sehen wollen? Der Film spielt eigentlich auf zwei Ebenen: Einerseits im Albanien im Jahre 1991 nach dem Ende der kommunisitischen Diktatur. Dorthin gelangen die zwei Italiener Gino und Fiore (Enrico Lo Verso und Michele Placido), die eine albanische Schuhfabrik übernehmen wollen, um vom italienischen Staat Unterstützungsgelder zu bekommen. In einer gesuchten - aber nicht irrealen - Handlung gelangt der jüngere der beiden Männer in das damals ganz Albanien beherrschende Chaos, während er von seinem nach Italien zurückgekehrten Partner Fiore im Stich gelassen wird. Zuerst werden ihm die Reifen des Autos, sein Gepäck und sein Geld gestohlen, später auch noch die Papiere abgenommen. Zu allem Übel muss er sich noch um einen alten Mann (Spiro, der, da Ausländer keine Firmen kaufen dürfen, zum »Präsidenten« der Fabrik ernannt wurde) kümmern. Zusammen begeben sie sich auf eine Odyssee durch das im Umbruch begriffene Land und geraten in immer grössere Probleme. Gino erfährt, dass die Fabrik geschlossen wurde und landet sogar für eine Nacht in einem albanischen Gefängnis. Jetzt ist er äusserlich nicht mehr von den Albanern zu unterscheiden. Zusammen mit Tausenden anderer Albaner versucht auch er, auf einem der vollbeladenen Schiffe dem Elend nach Italien zu entfliehen. Die andere Ebene hat eine autobiographische Note aus Amelios Leben und spielt sich im Kopf des verwirrten Spiro ab: am Ende des Zweiten Weltkrieges in Italien. Spiro Tozaï ist ein ehemaliger italienischer Soldat, der aber, um sein Leben zu retten, eine albanische Identität annahm. Er lebt in einer Phantasiewelt, in der die letzten 30 in Arbeitslagern verbrachten Jahre fehlen. Er glaubt, im Italien Ende der vierziger Jahre zu sein, auf der Reise nach Sizilien zu seiner Frau und seinem Kind. Dem allgemeinen Menschenstrom folgend, ist auch er am Schluss auf dem gleichen Schrottkahn. Nur, in seiner Welt wird nicht die Adria überquert. Er glaubt, sich auf einer Reise von Italien nach »Lamerica« zu befinden, wie das in den vierziger Jahren üblich war, als auch noch viele Italiener im Elend lebten - wie auch der Vater und der Grossvater des Regisseurs ihr Glück jenseits des Atlantiks suchten. Gianni Amelios Ziel war es unter anderem auch, mit diesem Film die Vergangenheit Italiens aufzuarbeiten. So sind am Anfang Wochenschaubilder über den Einmarsch von Mussolinis Truppen in Albanien zu sehen. Andererseits versuchte er, uns dieses Flüchtlingselend näher zu bringen: Dieser Massenexodus beschäftigt die Italiener natürlich besonders, da sie an der eigenen Küste landeten, andererseits werden wohl auch wir die Bilder dieser vollgestopften Schiffe nicht vergessen. Sehr anschaulich ist die Not der Albaner dargestellt. Im ganzen Film kommt kaum eine Person vor, die nicht auf dem Weg nach Durrës ist, um von dort nach Italien zu kommen. Auf dem Weg ins vermeintliche Paradies - das sie via RAI zu sehen bekommen - nehmen sie grösste Strapazen auf sich, lernen italienische Vokabeln und sterben doch an Hunger. Dagegen versuchen Polizei und Armee, die Menschen am Erreichen ihres Zieles zu hindern. Weiter werden erschütternde Bilder aus Spitälern, Ministerien, Gefängnissen, Arbeitslagern und Fabriken gezeigt. Trotzdem muss ich der Kritik Kadarés recht geben - er meinte, Lamerica verstärke den Rassismus gegen die Albaner -, da in diesem Film eigentlich nur Elend dargestellt wird. In einer einzigen kleinen Szene wird gezeigt, dass Albaner in ihrer Gastfreundschaft auch noch ihr letztes Brot mit »Fremden« teilen. Vor allem vermisse ich ein »normales« Bild einer Strassenszene. Entweder ist es Nacht und der Film spielt in einem Hinterhof oder sie fahren durch ein ausgedörrtes Land, in dem nichts angebaut wird. Es gibt kein Bild, in dem zumindest versucht wird, diesem Land irgendetwas Positives abzuringen, auch wenn dies zu dieser Zeit eigentlich nicht möglich war. Nachdem man überall nur Lobendes von »Lamerica« hört und liest, wird man vom Film vielleicht ein wenig enttäuscht. Den Gang ins Kino wird man aber sicherlich nicht bereuen. Lars Haefner - weitere Kritik zum Film- Probeabonnements |
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