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Wahlen

Neue »Einparteiendiktatur« oder betrogene Wahlbeobachter - die Parlamentswahlen vom 26. Mai hinterlassen viele Unklarheiten und haben die demokratische Kultur des Landes geschwächt

In Albanien wurden Ende Mai die dritten freien Parlamentswahlen der Nachkriegs-zeit abgehalten. Eigentlich wollte ich dieses Ereignis - insbesondere nachdem die Opposition die regierende Demokratische Partei des Wahlbetrugs beschuldigte - nicht selber kommentieren. Es zeigte sich aber, dass sich kein Bericht von Wahlbeobachtern zur objektiven Dokumentation eignet. Deshalb werde ich hier die Parlamentswahlen kurz kommentieren. Auf der nächsten Doppelseite finden sich Auszüge aus einigen Beobachter-Berichten und auf Seite 29 eine vollständige »Wahl-Chronik«.

Wer lügt?
Noch bevor die Urnen geschlossen wurden, beschuldigten die meisten Parteien der Opposition, allen voran die Sozialistische Partei, die regierende Demokratische Partei des Wahlbetrugs. Sie zogen ihre Kandidaten zurück, verliessen die Wahlkommissionen und boykottierten das Resultat, die folgenden Nachwahlen sowie das neue Parlament. Die Demokraten hingegen feierten ihren triumphalen Sieg bereits am Nachmittag des Wahltages (zwei Wochen später ergab sich eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit). Sie meinten, dass die Sozialisten nur nicht anerkennen wollen, dass sie verloren hätten.

Uneinigkeit herrscht zur Überraschung aller auch unter den mehr als 400 Wahlbeobachtern. Während die Delegation der OSZE-Abteilung »Office for Democratic Institutions and Human Rights« (OSCE/ODIHR), die grösste angereiste Gruppe, an verschiedensten Orten massive Wahlfälschungen feststellten, machten die meisten anderen Gruppen keine solche Beobachtun-gen. Die OSCE/ODIHR und »Helsinki Watch« forderten jedoch die Annulierung der Wahl. Andere Beobachter, darunter auch die Delegation der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) berichteten lediglich von Unregelmässigkeiten und technischen Problemen, die das Ergebnis nicht beeinflussten.

Die Zentrale Wahlkommission und die »British Helsinki Human Rights Group« schrieben, dass die vielen »Linken« in der OSCE/ODIHR-Delegation von ihren albanischen Genossen absichtlich hinters Licht geführt wurden, da die Sozialisten so oder so keine Chancen gehabt hätten und nur so Berisha - zumindest international - eine Niederlage hätten zuführen können.

Berisha wurde wegen des OSCE/ODIHR-Berichts in der internationalen Presse tatsächlich schlecht dargestellt und wurde auf Druck des Europarats und der USA zur Wiederholung der Wahl in 17 Kreisen gezwungen. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen oppositionelle Demonstranten am 28. Mai auf dem Skanderbeg-Platz bestätigte das schlechte Bild von der albanischen Regierung.

Demokratische Partei demokratisch?
Wie weit das Wahlresultat mit den Stimmen übereinstimmt, wird wohl auch in Zukunft ein Rätsel bleiben. Jedenfalls haben die Wahlen dem internationalen Ansehen Albaniens weiter geschadet. Etliche undemokratische Ereignisse im Vorfeld der Wahlen muss sich die Demokratische Partei sicher anrechnen lassen. Während des Wahlkampfes war sie gegenüber der Opposition immer bevorzugt behandelt worden, der viel zu enge Zeitplan sowie das »Anti-Genozid-Gesetz« nutzten wohl nur einer Partei und an öffentlichen Gebäuden hingen Wahlplakate der DP. Die Regierung Berisha hat sich schon immer in die Justiz eingemischt und auch die staatlichen Elektronischen Medien für ihre Zwecke missbraucht.

Viele Kenner des Landes waren mit mir einer Meinung, dass der im Land unbeliebte Berisha nicht als Sieger aus den Wahlen hervorgehen würde. Diesen Frühling fand sich kaum ein Albaner, der dem Präsidenten nicht kritisch gegenüberstand. Umfragen und das Wahlresultat erbrachten ein anderes Ergebnis. Viele Albaner scheinen jedoch die Demokratische Partei gewählt zu haben, weil sich die Sozialisten noch immer nicht von ihrem kommunistischen Erbe lösen konnten und eine wirkliche Alternative unter den 13 kandidierenden Parteien fehlte.

Mit der Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament wird die Demokratische Partei in den kommenden vier Jahren ein leichtes Spiel haben. So wird Albanien wohl endlich auch zu einer Verfassung kommen. Diese dürfte aber kaum besonders demokratisch sein, sondern dem Präsidenten (Berisha) eine zentrale Rolle mit grosser Macht zuteilen. Und falls Berisha die Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten von acht Jahren aufheben sollte, werden sich viele Fragezeichen klären.

Lars Haefner

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