Wie viele Länder auf dem Balkan hat auch Albanien ein schwerwiegendes Energieproblem. Stromausfälle gehören in manchen Jahreszeiten zur Tagesordnung. Die Politik verspricht seit Jahren, Abhilfe zu schaffen. Die Lösung ist aber nicht so einfach. Importe sind teuer und schwierig, die Stauseen der Wasserkraftwerke meist bedenklick leer, neue Kraftwerke brauchen lange Bauzeiten und sind teuer.
Berisha scheint gerade für das Finanzierungsproblem eine besondere Lösung gefunden zu haben. Ausländer sollen in Albanien bauen, was sie zu Hause nicht können: Atomkraftwerke. Albanien ermöglicht den Bau auf eigenem Gebiet und kriegt dafür sein Stromproblem gelöst, die ausländischen Investoren verfügen über eine weiteres lukratives Kraftwerk. Schon im November 2007 präsentierte Berisha einen Plan, bei Durrës mit ausländischer Hilfe ein KKW zu bauen (News vom 12. November 2007).
Berisha berichtete damals von mehreren ausländischen Firmen, die Interesse bekundet hätten, in Albanien Atomstrom zu produzieren und nach Italien zu exportieren, wo neue Atomkraftwerke gesetzlich verboten sind. Schnell wurde es wieder still um das Projekt, und man hätte glauben können, dies sei nur ein PR-Gag der Regierung gewesen, um vom Stromproblem abzulenken.
Jetzt scheint Berisha aber einen interessierten Investor gefunden zu haben. Mit seinem kroatischen Amtskollegen Ivo Sanader hat er das Thema besprochen und eine Expertengruppe eingesetzt. Geplant ist das Atomkraftwerk jetzt in Nordalbanien bei Shkodra am Ufer der Buna. Den KKW-Bau durchführen und das Kraftwerk betreiben wäre Aufgabe des kroatischen Versorgers HEP. Kosten würde der Atommeiler rund 4 Milliarden Euro. Noch diesen Monat möchte man eine Vereinbarung unterzeichnen.
Auf den ersten Blick mag das eine gute Lösung für ein chronisches Problem sein. Ob die nordalbanische Provinz aber wirklich der geeignete Ort für ein Atomkraftwerk ist, bezweifeln nicht nur diejenigen, die grundsätzlich etwas gegen den Bau neuer Anlagen haben, solange wenigstens nicht das Problem der Entsorgung atomaren Abfalls gelöst ist. Probleme mit giftigen industriellen und militärischen Abfällen und Altlasten hat Albanien ja schon genug – und sich oft unfähig gezeigt, diese Probleme alleine in den Griff zu kriegen und die Überreste ohne grosse Explosionen aus der Welt zu schaffen.
Wenig Freude an den albanischen Atomplänen haben auch die Nachbarn. 2007 sprach Griechenland den Albanern die Fähigkeit ab, ein Atomkraftwerk sicher zu betreiben. Schon das einfache bestehende albanische Stromnetz ist mangels Unterhalt verrufen – Fachpersonal für Nuklearenergie fehlt wohl komplett. Jetzt hat vor allem Montenegro Bedenken angemeldet. Das Atomkraftwerk würde in unmittelbarer Nachbarschaft zu Montenegro am Grenzfluss Buna gebaut, wo seit 1995 Atomanlagen gesetzlich verboten sind. In Podgorica sieht man das Tourismuspotenzial des Landes bedroht und hofft, dass Tirana die Pläne nicht ohne bilaterale Einigung umsetzt. Die kaum berührte Buna mit einer reichen Artenvielfalt ist in Albanien seit 2005 Naturschutzgebiet – aber wohl der einzige Fluss im Land, der ganzjährig ausreichend Wasser führt, um den Reaktor zu kühlen.
Bedenken werden auch wegen der drohenden Erdbebengefahr angemeldet. Albanien ist ein Land mit hoher seismischer Aktivität. Interessant ist insofern, dass in unmittelbarer Nähe zum geplanten Bauort 1979 bei einem Erdbeben ein ganzes Dorf zerstört wurde.
Berisha scheint eine Lösung für seine Probleme gefunden zu haben. Dass Albanien in diesem Spiel den Drecks-Job übernimmt und einen Bauplatz für ein Kernkraftwerk zur Verfügung stellt, das niemand im eigenen Land bauen möchte, stimmt wenig zuversichtlich. In Albanien ist noch kein grosser Protest entstanden – die Anti-Atomstrom-Bewegung ist hier leider noch nicht angekommen. Nur auf Facebook formiert sich Widerstand.
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