Auszüge aus »Prof. Dr. Martin Rikli: Reiseeindrücke aus Albanien«, erschienen 1931 in den »Raschers Monatsheften«, einer Zürcher Zeitschrift.
Raschers Monatshefte war eine »kulturelle Querschnittszeitschrift« aus Zürich (Verlag Rascher), die 1931 im 4. Jahrgang aus wirtschaftlichen Verhältnissen eingestellt wurde. Darin waren Texte und Bilder verschiedenster Autoren zu einer breiten Palette von Themen publiziert – darunter auch ein Vorabdruck von C.G. Jung über »Seelenprobleme«.
Mehr bekannt ist über den Autor dieser Reiseeindrücke aus Albanien: Martin Rikli war ab 1909 Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Der Botaniker hatte einen Schwerpunkt auf dem Mittelmeerraum und bereiste die Länder der Region intensiv. Der in Basel geborene Forscher hatte vor allem in Zürich Spuren hinterlassen als Mitgründer und Leiter der Volkshochschule, Präsident der Naturforschenden Gesellschaft Zürich und in verschiedenen weiteren Funktionen.
Im Herbst 1930 reiste Rikli nach Albanien. Sein Reisebericht, der auf vier Ausgaben der Zeitschrift verteilt war, präsentierte damals den Lesern ein Land, das noch viel unbekannter und fremder war, als es heute ist. Mit den folgenden Auszügen wollen wir ein Bild der damaligen Verhältnisse vermitteln. Sie geben Einblick in das junge Albanien, rund zehn Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und der Wiedererlangung der Eigenständigkeit. Seine Schreibweisen und Formulierungen wurden weitestgehend beibehalten.
»Noch vor kaum einem Menschenalter war Albanien ein nahezu verschlossenes Land, über das nur spärliche Nachrichten weniger Forschungsreisender vorlagen. Die hafenlose, malariaverseuchte Küste, ein unübersichtliches, fast wegloses gebirgiges Hinterland, ein Volk, das in zahlreiche sich immer befehende Stämme zerfiel und in einzelnen, in sich abgeschlossenen Landschaften lebte, die untereinander fast ohne Verkehr blieben, das waren alles Momente, die einen sehr wirksamen Schutz gegen das Eindringen westeuropäischer Kultur bedeuteten.«
Das Land entwickelte sich gerade heraus aus der osmanischen Rückständigkeit:
»Heute befindet sich Albanien mitten in einer Entwicklung, die vielfach ganz amerikanisch anmutet. Auf Schritt und Tritt begegnet man einem gerade grotesken Mischmasch von Okzident und Orient, von Primitivität und Modernismus letzter Observanz, kurz gesagt, von alter und neuer Zeit.«
Noch immer war es abseits der gängigen Reiserouten – erst 100 Jahre später begann sich dies zu ändern:
»Touristenlang ist Albanien noch nicht. Der Fremdenstrom reicht bis an seine Nordgrenze. Vor den Toren Albaniens macht er plötzlich Halt. Was von Norden kam, strömt nun wieder zurück oder geht über Meer nach Ancona oder Bari. Dubrovnis […] ist im Herbst von Fremden, besonders von Deutschen und Österreichern, überfüllt, so daß man Mühe hat, Platz zu finden […]. Ganze Autokolonnen gehen täglich über Kotor nach Cetinje. Hier macht alles kehrt, als ob Albanien ein verwunschenes Land wäre. So sind die Straßen nach Süden verlassen und menschenleer.«
Nicht nur im Tourismus, auch in der Natur sah Rikli viel Potenzial:
»Im Gegensatz zur Steilküste Dalmatiens zeigen die meernahen Gebiete [Albaniens] hauptsächlich Flachland. […] Dahinter erheben sich Berge, die größtenteils sehr gut bewaldet sind. Neben Buschwald trifft man prächtigen Hochwald, in dem verschiedene Arten der Eiche vorherrschen. Die dem Hinterland entströmenden mächtigen Flüsse führen selbst noch am Schluß der Trockenheit ansehnliche Wassermassen. […] Bedenken wir, daß zu diesen reichlichen Niederschlägen vielfach auch noch günstige Bodenverhältnisse kommen: feiner und sehr fruchtbarer Schwemmlandboden, eisenschüssige Terra rossa und auch Löß, so erscheinen die Zukunftsaussichten Albaniens geradezu glänzend. Es gilt nur, die malariaschwangeren Sumpfgebiete zu entwässern; dafür zu sorgen, daß die großen Wassermassen nicht unbenutzt ins Meer abfließen, sondern durch ein Netz sorgfältig ausgebauter Bewässerungskanäle dem Lande zum Segen werden. Dann wird das milde Kli,a und die südliche Sonne das ihre dazu beitragen, um aus dem bisher vernachlässigten und wenig bevölkerten Land einen wahren Fruchtgarten zu schaffen.«
Diese Pläne – die nicht zwingend von Rikli stammen – wurden in den folgenden Jahrzehnten umgesetzt.
In den Schilderungen des Botanikers nehmen natürlich die Vegetation und Landwirtschaft Albaniens viel Platz ein.
»Hauptfrucht ist Mais, der Anfang Oktober eingeerntet wird. Längst eingebracht sind dann Weizen und Gerste, die viel weniger Raum in Anspruch nehmen. Daneben sieht man in kleinen Parzellen oft Tabak angepflanzt. An den Lauben der Häuser werden die Blätter zum Trocknen an langen Schnüren aufgehängt. Mehr versuchsweise wird gelegentlich auch Baumwolle gehalten. Kleine Äckerchen sahen wir in der Umgebung von Tirana und bei Elbasan. Der Ölbaum [= Olivenbaum] spielt lange nicht die Rolle, wie in den übrigen Mittelmeerländern. Ebenso hat die Weinrebe in diesem vorwiegend mohammedanischen Land nur untergeordnete Bedeutung. Man hält sie daher fast ausschließlich der Trauben wegen. So ist sie zur Gartenpflanze geworden, die als Liane den ums Haus angelegten Obsthain ziert und in sehr vielen Rassen gehalten, köstliche Früchte liefert.
Ein ganz ungewohntes Bild für Mittelmeerländer ist der ungewöhnlich reiche Viehstand. Vor allem fällt die Menge an Rindern auf, einer struppig kleinen, fast zwerghaften Rasse. […] Umso fremder mutet die geradezu vorsintflutliche Erscheinung des hauptsächlich als Zugtier verwendeten schwarzen Wasserbüffels an. Es ist ein starkes Tier mit weit ausladendem Gehörn und unglaublich stumpfsinnigem Gesichtsausdruck […]. Ihm ist das Baden in Pfützen oder im Schlamm der Sümpfe Lebensbedürfnis. Wenn er den Fluten entsteigt, den ganzen Körper mit Schmutz bedeckt, kann er geradezu als Sinnbild der Häßlichkeit gelten.«
Der Wasserbüffel scheint nicht die Sympathie des Autoren gewonnen zu haben. Bei der albanischen Bürokratie und Verwaltung war ihm ein Urteil schwieriger. Vergeblich hatte er versucht, in Genf, Mailand oder Dubrovnik ein Visum zu erhalten:
»Die Einreise in Albanien hat ihre Schwierigkeiten. Davon läßt sich einiges erzählen, was ganz orientalisch anmutet. […] So schifften wir uns auf einem italienischen Dampfer nach Durazzo ein in der Erwartung, daß die Bemerkung unseres Reisehandbuches, die Hafenbehörden […] hätten das Recht, Einreisebewilligungen zu erteilen, zutreffe. Völlig ungewiß über unsere nächste Zukunft fuhren wir dem gesetzten Ziel entgegen. […]
In Erwartung der Gesundheits- und Polizeibehörden. Die sich gegen eine Stunde Zeit ließen, genießen wir noch vom Deck des Schiffes aus den ersten Anblick des Landes. Im Osten der Stadt bemerkt man eine große Lagune mit anschließenden, ausgedehnten, im Sommer fieberschwangeren Sümpfen. Nur ein schmaler Dünenstreifen ermöglicht die direkte Verbindung [von Durrës] mit dem Lande. […]
Der Polizeikommissär gestattet uns schließlich an Land zu gehen und bestellt uns auf das Paßbureau. Hier scheint die Bezeichnung ›professore‹ eine für uns günstige Stimmung ausgelöst zu haben. Wir erhalten die Pässe mit der Einreiseerlaubnis zurück, doch als ich ›pagare‹ sage, schüttelt der Beamte den Kopf. Es will mir dies nicht einleuchten. Mitreisende Engländer haben in London für das Visum je ein Pfund bezahlt und hier sollte man leichten Herzens auf 50 frs. verzichten? In Anbetracht unserer unabgeklärten Lage war ich auf Verweigerung der Einreise oder eine Extraschröpfung gefaßt und sah daher in dieser Geste nur eine orientalische List, hinter der neue Schwierigkeiten lauern. […] Da kommt der Offizier auf mich zu, schüttelt mir die Hand, führt mich vor das Bild des Königs und sagt mit sichtlichem Stolz: ›Unser König zahlt.‹ Daß ein König für mich zahlt, ist mir noch nie vorgekommen und wird wohl auch nie mehr vorkommen. Eine bessere Methode, um Interesse und Sympathie für Seine Majestät zu werben, dürfte es kaum geben. […] Damit war die Sache erledigt, Albanien stand uns offen.«
Die Sprache und Sprachkenntnisse der Albaner war damals erst recht herausfordernd – die Problemlösung bleibt die gleiche:
»Einige Sorge bereitete die Verständigungsfrage, doch auch sie verlor in diesem merkwürdigen Lande schon am ersten Tage ihre ernste Seite und bekam gleich einen komischen Akzent, als der Wirt uns mit den Worten zum Abendessen einlud: ›Pranzo fertig, if you please.‹ In größeren Ortschaften verfügt beinahe jeder Albanese über einige Brocken der wichtigsten europäischen Sprachen, und kommt man zu keinem Ergebnis, so gibt es sicher Nachbarn, die sofort hilfsbereit herbeieilen.«
Während wir uns heute beim Geld mit alten und neuen Lek abmühen, gab es vor 100 Jahren noch viel grössere Probleme, die entfern an die 1990er Jahre erinnern:
»Noch einzigartiger sind die Geldverhältnisse. Es zirkulieren so ziemlich alle Münzen Europas und der neuen Welt. […] Auf meinen ersten verausgabten Napoleon erhielt ich als Restgeld mehrere österreichische Silberkronen, zwei Lirestücke, eine Dollarnote und einige albanesische Lecks [sic!] heraus. Solche Verhältnisse scheinen einen günstigen Nährboden für allerlei Übervorteilung zu bieten. Die Bevölkerung ist aber noch nicht verdorben. Wiederholt ist es vorgekommen, daß unsere Rechenkünste nicht ausreichten und wir zu viel zahlten. Jedes Mal wurde das Zuviel zurückerstattet.«
Rikli schildert kaum Sehenswürdigkeiten, sondern vermittelt mehr ein allgemeines Bild des Landes und des Alltags. Ausführlich widmet er sich demTreiben in den Städten wie zum Beispiel am Geburtstag des Königs in Tirana, dessen Hauptplatz er »nach der Art der ›Etoile‹ in Paris« beschreibt, oder der Kleidung.
»Scutari, Elbasan und Tirana liegen in weiten, fruchtbaren Becken, umgeben von einem Kranz von Bergen. Der kleinere Teil der Stadt ist jeweilen eng gebaut. Er umfaßt einige winkelige, enge Bazarstraßen, Moscheen, Amtsgebäude und Herbergen und beansprucht nur wenig Raum. Die kleinen Häuschen, oft nur von Zimmerbreite, bestehen vielfach einzig aus dem Erdgeschoß oder sind einstöckig. Im Geschäftsviertel reiht sich Butik an Butik. […] Wie im ganzen Orient spielt sich auch in Albanien das Leben hauptsächlich auf der Straße ab. Auf dieser sieht man vielfach sogar die Waren ausgebreitet, selbst Tücher, Kleidungsstücke, Gemüse, Obst und Eier. Bei einbrechender Dunkelheit werden die Waren wieder eingeholt und die Butik mit Brettern geschlossen. Nicht selten zieht sich alsdann auch der Handelsmann in diesen wenige Quadratmeter großen Raum zurück und schläft in unmöglicher Stellung, die Beine hochgezogen, auf einem Warenballen. Er spart sich so nicht nur eine Wohnung, sondern auch den Nachtwächter. Diese Budenviertel mit ihrem vielfach feuergefährlichen Inhalt sind eine beständige Gefahr. Ein ausbrechender Brand muß unbedingt zur Katastrophe werden. Es ist ein Wunder, daß dies nicht häufiger der Fall ist, werden doch inmitten dieser engen, aus Holz hergestellten Räume auf glühenden Kohlen täglich unzählige Tassen türkischen schwarzen Kaffee zubereitet und ungezählte Zigaretten angezündet. Doch Allah ist groß, Allah wacht.
Um diese Geschäfts- und Amtsstadt erstreckt sich in weitem Umkreis die Wohnstadt, so daß trotz ihrer bescheidenen Einwohnerzahl diese albanesischen Städte ungewöhnlcih große Gebiete in Anspruch nehmen und ihr Durchwandern viel Zeit erfordert. Dieser Teil der Siedelung hat den ausgesprochenen Charakter einer Gartentsadt. Von einem erhöhten Punkt der Umgebung sieht man beinahe nur die schlanken, weißen Minaretts, eingebettet in eine parkartige, herrlich grüne Landschaft. Man kann schon in der Stadt sein und hat kaum eine Ahnung davon, werden doch die menschenleeren Straßen von 2–3,5 m hohen Mauern aus Stein oder Lehm begleitet. Hinter ihnen erheben sich allerlei Obstbäume […]. Auch stattliche Schattenspender fehlen nicht, die häufigsten sind uralte orientalische Platanen, mächtige Zürgelbäume mit über halb Meter dickem Stamm […].
Durch ein offen gebliebenes Tor erhascht man gelegentlich einen flüchtigen Blick in das Innere der einzelnen Grundstücke, die neben Obstbau auch Gemüse- und Ziergärten aufweisen. Zuweilen bemerkt man auch etwas Getreide. Äckerchen mit Mais und Moorhirse (Sorghum) oder Parzellen mit Tabak.«
Manche Sitten wurden zwischenzeitlich modernisiert, haben aber alte Wurzeln – so der anschliessende Satz zum Aberglauben:
»An den Bäumen werden öfters gebleichte Pferdeschädel befestigt, ein Zeugnis des noch herrschenden Aberglaubens der Bevölkerung; sie bilden einen Talisman, der vor bösem Blick und Verzauberung schützt und zugleich für größere Fruchtbarkeit zu sorgen hat.«
Die Beschreibungen von dem, was sich hinter den Hofmauern verbirgt, setzt er noch um mehrere Seiten fort. Aber auch der Wandel im Land, insbesondere in Tirana, wird dokumentiert:
»Von Durrès kommend, begegnet man schon weit vor der Stadt modernen Gebäulichkeiten, dem Elektrizitätswerk, großen Kasernementen, den hohen Masten einer Station für drahtlose Telegraphie, der jugoslawischen Gesandtschaft und dem Flugplatz mit mächtigem Hangar […]. Dieses mehrere Kilometer lange, schnurgerade letzte Teilstück der Straße führt in das Zentrum der Stadt, auf einen großen Platz, der in vollem Umbau begriffen ist. […] großartige Boulevards, die in gar keinem Verhältnis zur heutigen Kleinstadt von kaum 15 000 Einwohnern stehen. Im ersten Teil fertig ist der mit hohen elektrischen Bogenlampen ausgestattete Boulevard Mussolini. Bei einer Breite von vollen 42 Schritten hat er schon eine Länge von mehr als einem Kilometer. […] Die Häuser sind jedoch noch spärlich. Neben sehr modernen, nüchternen Betonbauten stehen heimelige Türkenhäuser, eine feudale Kaserne, das Cinema populore, ein hocheleganter Tearoom und viele Baracken, denen man ansieht, daß, obwohl erst entstanden, ihre Tage doch schon gezählt sind. […]
Viel bietet Tirana zur Zeit sonst noch nicht. Der bescheidene Königspalast wird von Vorbauten und Mauern so umgeben, daß eine direkte Annäherung schwer fällt. Stolzer als der Bau ist die Königswache.«
Auch der Verkehr, der Strassenbau und das Reisen waren Thema:
»In Tirana war die große Zahl an Mietautos auffallend, Pferdefuhrwerke fehlten fast ganz. Umgekehrt war das Verhältnis in Scutari. Und als wir einige Tage später in Italien, in Bari landeten, erwarteten uns am Hafen nur lange Reihen von Droschken, die wenigen Autos gehörten ausnahmslos Privaten.«
Erstaunlicherweise war das Thema Sicherheit und Blutrache zu der Zeit noch nicht so raumfüllend wie in vielen später verfassten Berichten. Unsicher scheint sich der Reisende Rikli nicht gefühlt zu haben, so dass die Bewaffnung nur beim Thema Trachten Erwähnung findet.
»Früher trug der Mann stets das Gewehr mit sich. Vor einiger Zeit hat im Unterland die Regierung durch Militär die Waffen einziehen lassen, und seither ist das Waffentragen nur mit Erlaubnisschein gestattet. Im Gebirge wurde diese Maßnahme noch nicht gewagt. Auch im Unterland scheinen sie nur zum Teil durchgeführt zu sein; viele Waffen wurden in den Wäldern und Felsklüften versteckt. Es ist vorgekommen, daß, kaum nachdem die Durchsuchugn eines Dorfes abgeschlossen war, Blutrache durch Erschießen des Gegners ausgeübt wurde. Gegen die Vendetta gehen übrigens die Behörden mit aller Strenge vor. Um die Unterstützung des Flüchtlings durch Familienangehörige und Freunde zu verunmöglichen, werden dieselben nach einem Vendettafall in eine entfernte Landesgegend evakuiert.«
Eine knappe Seite widmet der Autor auch der Stellung der Frau:
»Die Frau hat in Albanien ein schweres Leben. Ihre Arbeitskraft wird über alles Maß ausgenützt. Auf schmalem, steilem Bergpfad sieht man sie schwere Lasten tragen, dabei die mitziehenden Kinder betreuen und dazu erst noch spinnen. Hat sie einen Säugling, so wird derselbe samt der Wiege auf dem Rücken mitgeschleppt […]. Neben seiner Familie schreitet stolz der Mann, nur mit einem Stock in der Hand; wir haben uns oft darüber aufgehalten. Die Erklärung soll darin zu suchen sein, daß der Mann bis vor kurzer Zeit die Aufgabe hatte, die Frau zu schützen. Da ihm nun die Waffen genommen worden sind, fällt diese Mission dahin. Mache Arbeiten hält er aber jetzt noch als unter seiner Würde stehend. So verbringt er einen großen Teil seiner Zeit mit Herumlungern, Kaffeetrinen, Zigarettenrauchen. Leichter ist es, die Waffen wegzunehmen, als zur Arbeit zu erziehen.«
Rückblickend scheint Rikli die Zeit in Albanien genossen zu haben. Eine Spur Zweifel zur Zukunft des Landes scheint in den Schlussworten aber doch durchzudringen. Die Verhältnisse und Entwicklung scheint bei ihm zwiespältige Gefühle hinterlassen zu haben. So bezieht er sich da auf die vielen Krähen, die in Massen ängstlich und hilflos durch Tiranas Himmel flogen, als 52 italienische Flugzeuge zu Ehren des Königs an seinem Geburtstag über der Stadt kreisen.
»[…] und wenn ich heute an Albanien zurückdenke, das uns so gastlich aufgenommen hat so will ich gerne hoffen, daß dieser Vogel [die Krähe], von alters her das Symbol der Allwissenheit, aber auch die Personifikation des Todesschattens, am Geburtstag des Königs nicht zum Unglücksboten geworden ist.«
Das Foto mit dem Ochsenkarren stammt vom umstrittenen amerikanischen Anthropologen Carleton S. Coon, der 1929 Nordalbanien bereiste.