Ein Reiz Albaniens waren immer die Freiheiten gewesen, die man hier im Gegensatz zu anderen Länden hat. Hier ist nicht alles reglementiert, die Regeln werden etwas laxer ausgelegt, der Alltag ist nicht bis ins kleinste Detail vorbestimmt und geregelt.
Diese Freiheiten gaben etwas Luft zum Atmen, forderten aber auch die Spontanität in einem. Insofern war Albanien immer eine bereichernde Abwechslung, um aus dem Alltagstrott herauszukommen und um Überraschungen zu erleben. Oft musste man aus neuen Situation das Beste machen, erlebte aber auch Positives.
Etwas enttäuscht war ich deshalb, als ich vor Kurzem in Tirana über ein Schild gestolpert – nicht wortwörtlich – bin, das mir verbieten wollte, einen Rasen zu betreten.
Ich fragte mich, was denn aus meinem Albanien geworden ist? Darf man sich in dem Land jetzt auch nicht mehr frei bewegen? Nicht mehr am Polizisten vorbei mit dem Fahrrad in die Einbahnstrasse? Nicht mehr bei den antiken Sehenswürdigkeiten alles erleben anstatt nur von weitem über Abschrankungen hinweg betrachten? Nicht mehr ins Meer springen, wo es einem gefällt?
Keine kleinen Freiheiten mehr im Alltag? Keine grosszügige Auslegung von Verboten, die keinen Sinn machen?
Umso erlöster war ich, als ich dann am nächsten Tag sah, dass die Schilder zwar auch anderswo stehen, aber von den Albanern komplett ignoriert werden. Das Betreten-Verboten-Schild am Skanderbegplatz konnte niemanden davon abhalten, es sich auf dem Grün bequem zu machen.
Also alles noch beim Alten: Es gibt zwar Regeln, und ab und zu erhält ein Schildermaler einen lukrativen Auftrag von der Bashkia. Aber die Albaner legen die Regeln zum Glück immer noch weit aus. Sie lassen sich von sinnlosen Verboten nichts vorschreiben: Man geniesst die Wiese, die zum Geniessen ausgesät wurde. Das Verbot wird eher auf einzelne Grashalme bezogen als auf den ganzen Rasen.
Und nein: Ich bin nicht für Anarchie und hirnlose Raserei oder sonstigem »Wildwest« auf Strassen oder Hinterhöfen. Ich bin für die Einhaltung von Recht und Ordnung, gegen Gewalt in der Familie und gegen Korruption. Natürlich bin ich für Respekt gegenüber der Natur und den Mitmenschen. Aber die – mitunter kreative – Dehnung von Regeln, wo sie niemandem schadet, sondern eher ein Schmunzeln hervorruft, hat schon immer zum guten Lebensgefühl in Albanien beigetragen.
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