Heute vor 25 Jahren bin ich von meiner ersten Albanienreise heimgekehrt. Damals war ich noch kein grosser Albanien-Fan – das sollte sich aber rasch ändern. Noch im gleichen Jahr bin ich wieder nach Albanien gereist und seither jedes Jahr mindestens ein Mal. Schnell habe ich Albanien und die Albaner schätzen und lieben gelernt und zwischenzeitlich das ganze Land erkundigt.
Die Welt war eine andere damals, auch bei uns. Aber das lange abgeschlossene und verarmte Albanien war wie von einer anderen Welt. Leider habe ich nur wenige Fotos zurückgebracht – man fotografierte noch anders in der Zeit vor der überhandnehmenden Digitalisierung. Dafür habe ich zum Glück – das Gedächtnis lässt ja nach mit dem Alter – einen mehrseitigen Reisebericht verfasst, der auf Papier die Jahre überdauert hat.
»Nach dem Besuch in der Schule fuhren wir ins Kinderkrankenhaus von Tirana. Obwohl die Zustände dort noch immer viel zu wünschen übriglassen – so hatten 90 Prozent der Kinder durchnässte Kleider an, und die alltermeisten lage in nassen Betten, das Dach weist mehrere Löcher auf etc. – , hat sich in den letzten Jahren doch schon vieles zum Besseren gewandelt. Im Eingang stehen jetzt auch Waschmaschinen und Boiler aus der Schweiz, so dass das Spital im nächsten Monat endlich wieder Warmwasser haben sollte.«
Auch sonst war die Infrastruktur damals noch sehr bescheiden, das Land kaum entwickelt. Für ein spätes Frühstück durchquerten wir halb Tirana – das damals aber auch noch nicht allzu gross war – um irendwo am Strassenrand aus einem alten Wohnwagen ein paar Sachen zu kaufen. Und nach einer Woche hatten wir wohl schon fast alle Restaurants, die ordentliche Mahlzeiten auftischen konnten, getestet.
Neubauten gab es noch nicht. Die oben genannten Restaurants, natürlich das »Café Europa«, die ausländischen Vertretungen und ein paar erste Hütten im Vorort Kamza waren praktisch die einzigen Renovationen, Um- und Neubauten. Dafür sah man überall noch die Bunker sehr gut, die zwischenzeitlich überwuchert sind, ausgegraben wurden oder hinter Neubauten verschwinden.
Keiner wusste damals, was der kommende Tag bringen würde. Arbeit gab es kaum, Geld noch viel weniger. Neue Strukturen mussten erst gebildet werden. Aber die Hoffnung auf rasche Besserung war gross. Rohstoffe, Arbeitskräfte, Strände – der Glaube in das Potenzial Albaniens war unendlich. Niemand konnte sich vorstellen, welche Schwierigenkeiten und Herausforderungen in den kommenden Jahren noch auf das Land und die Leute zukommen würden.
Die Menschen waren sehr freundlich und offen. Als Ausländer war man eine Sensation. Auf der Strasse wurde man angesprochen von Personen, die ihre Fremsprachenkenntnisse testen wollten oder neugierig waren, was man denn hier mache. Kinder gab es überall und »verfolgten« einen auf Schritt und Tritt.
Wir waren eine kleine Gruppe von jungen Leuten, die in der Schweiz Material und Geld gesammelt hatten, um den Albanern zu helfen. Ein ganzer Lastwagen voll Waren sollte verteilt werden, was nicht ganz einfach war: Zoll, noch mehr administrativer Aufwand beim Zoll, schlechte Strassen und wegen orthodoxen Ostern tagelang geschlossene Behörden und Institutionen hielten uns auf respektive sorgten dafür, dass wir auch ein paar Tage mit Ausflügen totschlagen durften. Wir erfuhren aber auch viel Dankbarkeit – in Rubik fand abends im Biologiezimmer eine grosse Feier zu unseren Ehren statt.
Seit über 25 Jahren verfolge ich jetzt die Entwicklungen in Albanien. Die ständigen Veränderungen sind aufregend und faszinierend. Und auch nach 25 Jahren gibt es in diesem Land noch immer Neues zu entdecken. Aber: Der Grund, weshalb ich über die ganze Zeit immer wieder nach Albanien fahre, sind vor allem auch die Albaner: jeden Tag viele freundliche, herzliche und bereichernde Begegnungen mit offenen Menschen.
One Response so far.