Da diese Kirchenruine öfters unter Wasser steht, ist es nicht erstaunlich, dass sie hier unter den »Ungesehenen Sehenswürdigkeiten« erscheint – ein vor wenigen Jahren entdeckter mittelalterlicher Bau, nur wenige 100 Meter von einer der wichtigsten und meistbefahrenen Verkehrsachsen des Landes entfernt gelegen, der meist links liegengelassen wird.
Gewisse Quellen datieren die kleine »Johannes-der-Täufer-Kirche« in Derven, Gemeinde Kruja, ins 9. Jahrhundert. Die Denkmalschutzbehörde gibt als Entstehungszeit das 14. oder 15. Jahrhundert an. So oder so ist das Kirchlein eine historische Sensation. Von den Wandmalerein aus zwei Epochen ist jedoch kaum mehr was zu sehen, stehen die Ruinen doch regelmässig unter Wasser, und auch das Schutzdach ist verschwunden. Nur ein paar Mauernreste tauchen aus dem trüben, dunklen Nass auf, so dass man nur grob abschätzen kann, wie klein der Kirchbau gewesen sein muss.
Hier hätte eine kleine touristische Sehenswürdigkeit kreiert werden können. Es bräuchte vorerst nur eine Pumpe und ein Schutzdach und ein, zwei Wegweiser. Entdeckt wurden die Mauernreste erst 2006 bei Grabungen. Und so werden sie in keinem Reiseführer und auch in keinem Fachbuch über historisch bedeutsame Bauten oder Wandmalereien erwähnt. 2008 wurde die Ruine zum Kulturdenkmal erklärt – aber vermutlich ist es schon zu spät. Zu lange war sie Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt. Unter der Erde war sie besser aufgehoben …
Die Kirche steht mitten in der Ebene – ein paar Häuser sind in der Umgebung verstreut. Der Ishëm schlängelt sich unweit in Richtung Meer. Früher war dies eine sehr ungesunde, Malaria-verseuchte Gegend. Man kann sich nicht vorstellen, weshalb gerade hier eine Kirche erbaut worden ist. Auch heute ist es nicht gerade eine liebliche Region: topfflach, heiss im Sommer, feucht und frisch im Winterhalbjahr.
Die Kirche kann problemlos besucht werden – und mit etwas Glück ist auch ein Grossteil des Wassers versickert oder verdunstet, so dass von den Ruinen auch was zu sehen ist. Wer heute von Tirana nach Norden fährt, kommt ganz nah am Gebäude vorbei: In Fushë-Kruja beginnt die schnurgerade Neubaustrecke in Richtung Lezha. Nach fast fünf Kilometern geht vor dem Gelände einer der vielen Tankstellen links eine Schotterstrasse ab. Das kleine, handgeschriebene Schild »Kisha« entdeckt auch der Aufmerksamste wohl erst nach dem Abbiegen. Man kann hier das Auto auch stehen lassen und den Rest zu Fuss gehen, sollte man seinem Wagen die Schlaglöcher nicht zumuten wollen. Nach 500 Meter geht es rechts in ein noch schmäleres Weglein ab, und kurz darauf ist die Kirche erreicht. Von den alten Ruinen sieht man zuerst jedoch nichts – die verstecken sich hinter einer neu erbauten Kirche. Hierfür hat sich in Italien genug Geld gefunden, für den Erhalt der alten Mauern leider bis heute nicht.
Dabei wäre es ein Kulturdenkmal höchster Kategorie. Aber eben auch nur eines von vielen Beispielen, was in diesem Land noch an unentdeckten Schätzen verborgen ist.