Die letzten Zeitzeugen: Gastfreundschaft im Zweiten Weltkrieg

Ein ganzer Saal hing an den Lippen einer 83-jährigen, etwas gebrechlich wirkenden, sehr kleinen und zierlichen Dame. Die Zuhörer letzten Donnerstag in Basel waren fasziniert von ihrem Bericht: »Es ist jedes Mal eine Freude, wenn ich über Albanien sprechen darf,« erklärte Johanna Neumann in ihrem amerikanisch gefärbten, aber klarem Hamburger Dialekt und übertrug die Freude sogleich auf die vielen Zuhörenden.

Johanna Neumann berichtete aus ihrem Leben, wie sie als kleines Kind in den 30er Jahren aus Nazi-Deutschland flüchten musste und mit ihren Eltern zufällig in Albanien eine vorübergehende Heimat fand. Von 1939 bis 1945 lebte die jüdische Familie in Albanien, geschützt von Albanern und deren Gastfreundschaft. Sie erzählte vom schwierigen Leben, das insbesondere nach dem Einmarsch der Wehrmacht lebensgefährlich wurde. »Es ist unglaublich zu beschreiben, wie aufopfernd die Albaner waren,« berichtete sie von ihren Gastgebern, die ebenso ihr Leben aufs Spiel setzten und die fremden Gäste mit Unterkunft, Kleidern, Essen und Süssigkeiten versorgten.

»Albanien ist das einzige Land in Europa, das nach dem Krieg mehr Juden hatte als vorher,« sagte Johanna Neumann. Diese Botschaft will auch die Ausstellung »Besa« verbreiten, die zur Zeit in Basel zu sehen ist und im Verlaufe der nächsten Monate durch die Schweiz ziehen wird. Im Zentrum der Ausstellung stehen die Fotografien von Norman Gershman: Portraits einzelner Albaner, die Juden beherbergt hatten, sowie kurze Erklärungen von ihnen. Mit einem besonderen Programm für Schulklassen soll besonders auch ein junges Publikum angesprochen werden. Ziel ist aber, allen die kaum bekannte Geschichte der Rettung der Juden in Albanien bekannt zu machen, von der einzigartigen Gastfreundschaft der Albaner zu berichten, die auf dem Ehrenwort der »Besa« beruht. Der Holocaust sei der Ausdruck einer unglaublichen menschlichen Niedertracht gewesen, führte Johanna Neumann aus, aber gleichzeitig seien die Albaner, die albanische Regierung und Menschen im Land moralisch hoch hinaufgestiegen: »Albanien hat die Moral der Welt gerettet.«

Johanna Neumanns Geschichte hatte berührt. Und die Ausstellung hatte erneut Menschen zusammengebracht, die sonst selten zusammenfinden: Juden und andere interessierte Schweizer sowie Albaner aller Religionen. Allen tat es gut, über diese menschliche Grösse zu hören und zu lesen, die für die Albaner so selbstverständlich ist. Einer der in der Ausstellung Portraitierten hatte zu Protokoll gegeben: »Es gibt keine Ausländer in Albanien, es gibt nur Gäste.« Diese ehrenvolle Offenheit rettete nicht nur vielen Juden das Leben, sie ist auch noch heute in Albanien zu erfahren. In vielen Ländern ist dies aber nicht die Norm – gerade den Albanern widerfährt in der Schweiz viel Abneigung, und sie waren umso erfreuter, mal als wahre Helden ohne Vorbehalte anerkannt zu werden. Johanna Neumann schloss ihren Vortrag mit den Worten: »Wir können den Albanern nicht dankbar genug sein.« Fast wie ein Superstar wurde sie daraufhin an diesem Abend vom Basler Publikum gefeiert. Vor allem die Albaner, die sonst oft von negativen Vorurteilen geplagt werden, zollten ihr Anerkennung für dieses Lob, jeder wollte ein Foto von ihr.

3 Responses so far.

  1. Lars sagt:
    – Basel, 8. – 22. Mai 2014, Kultur + Begegnungszentrum UNION
    – Biel, 21. August – 4. September 2014, Aula Bildungszentrum
    – Zürich, 17. November – 5. Dezember 2014, Pädagogische Hochschule
    – Bern, 8. Dezember 2014 – 4. Januar 2015, Kornhausforum
    – Luzern, 5. – 27. Januar 2015, Kornschütte
    – Genf, 26. Januar – 7. Februar 2015, Théâtre Saint-Gervais
    – Lausanne, 9. – 21. Februar 2015, Forum de l’Hôtel de ville
    – St. Gallen, 2. – 13. März 2015, Pädagogische Hochschule
    – Freiburg, 16. März – 3. April 2015, Universität
  2. Jörg sagt:
    Sehr schöner mutmachender Beitrag ! Danke dafür

Powered by WordPress. Theme by Arinio