Um in die USA emigrieren zu können, beginnt sich das Leben der Albanerin Lula in Lügen zu verstricken. Trotz des reisserischen Titels »Lügen auf Albanisch« der deutschen Übersetzung ist das Buch von Francine Post keine schlimme Sammlung von Vorurteilen. Denn im Buch geht es gar nicht wirklich um Albanien – Lula könnte genau so gut aus irgendeinem anderen kleinen osteuropäischen Land stammen. Vielmehr geht es um die Integration von Einwandern in den USA, wie der Originaltitel »My New American Life« verrät. Der Roman ist die Geschichte der Integration einer jungen Frau, die verzweifelt versucht, sich ein Leben fern der Heimat aufzubauen.
Im Buch wird vieles aufs Korn genommen, was in Amerika nicht so toll ist: Familien, wo kaum untereinander geredet wird, und ihre Geschichten; Männer, die zu viel arbeiten, sich für Gefangene des amerikanischen Militärs auf Kuba einsetzen; oder Männer, die Frauen heiraten, aber Männer lieben. Anonyme Vorstädte, wo eine Fussgängerin ungewöhnlich auffällt; ein Präsident, der nur in Albanien verehrt wird; Ausländer, die verzweifelt ums Überleben kämpfen und sich wundern, was die Amerikaner alles als Nahrung zu sich nehmen. Lula lernt, dass der American Way of Life auch seine Schattenseiten hat.
Obwohl Albanien in diesem Buch nur Nebenschauplatz ist, ist das gezeichnete Bild erstaunlich wahrheitsgetreu. Imerhin hat sich die Autorin die Mühe gemacht, für zwei Wochen nach Albanien zu reisen. Und hat Land und Leute lieben gelernt, wie sie in einem Interview erklärte. Natürlich sind nicht alle Fakten zu Albanien korrekt, albanische Wörter wurden oft grauenhaft übersetzt, und einiges ist etwas allzu dramatisch dargestellt – aber um Detailtreue geht es in diesem Roman auch nicht. Albanische Bekannte von Lula sind natürlich in dubiose Tätigkeiten verwickelt. Und Albanien wird als Land dargestellt, aus dem Lula mit gutem Grund versucht, sich abzusetzen. Es ist aber nicht das sehr negative Bild der Albaner, wie wir es in europäischen Medienberichten, Büchern und Filmen oft sehen. Denn Francine Prose versucht ansonsten, ein möglichst vielfältiges Bild der Albaner und ihrer Heimat zu zeichnen. So haben zum Beispiel die im Buch gezeichneten albanischen Ganoven alle auch ihre liebeswürdigen Seiten.
Mit dem Gegenbild Albanien, dessen Menschen in Armut leben und von einem Diktator drangsaliert wurden, wird die amerikanische Gesellschaft hinterfragt. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die zum Nachdenken bewegen. So beobachtete Lula, wie ein paar Amerikaner »Reise nach Jerusalem« spielen. Sie verspürt einerseits Mitleid mit der jungen Frau, die als erste ohne Stuhl dasteht und darüber traurig ist, wunderte sich andererseits aber, dass die Amerikaner an einem solchen Spiel Gefallen finden – in Albanien fände so was niemand lustig, weil es nie genug Stühle gegeben habe.