Das Leben im kommunistischen Albanien scheint eine starke Faszination auf alle auszustrahlen, die das nicht erlebt haben. Westeuropäer scheinen laufend Fragen zu dieser Zeit zu stellen, bei der Albanien-Berichterstattung ist diese Epoche immer präsent.
In jedem Artikel zum Reiseland Albanien nehmen die Bunker nach wie vor eine wichtige Rolle ein, obwohl sie in vielen Landesgegenden kaum mehr zu sehen sind. Und wie kein Interview mit Ismail Kadare ohne Fragen zu seiner kommunistischen Vergangenheit auskommt, scheint auch jeder andere Westeuropäer mit Vorliebe Albaner mit Fragen über das Leben im Kommunismus zu löchern – zumindest beim ersten Aufeinandertreffen
War es wirklich so schlimm? Ist die Freiheit jetzt nicht schön? Hasst ihr Enver Hoxha? Solche Fragen tauchen auch im neuen Buch „Unterwegs nach Albanien“ von Arthur Fürnhammer immer wieder auf. Unentwegt taucht dieses Thema durch das ganze Buch immer wieder auf.
Weshalb sind wir Westler von der Kommunismus-Frage dermassen fasziniert? Natürlich: Albanien wurde von einer der härtesten Diktaturen geplagt. Albanien war komplett abgeschottet und Informationen rarer als von mancher Insel im Südpazifik, was mitunter ein Grund sein dürfte, dass kaum ein Westeuropäer die Nachbarländer Albaniens aufzählen kann. Weshalb aber Berichte aus Polen oder Russland problemlos auf Details aus der kommunistischen Zeit verzichten können, dies im Falle Albaniens aber unmöglich ist, lässt sich meines Erachtens aber nicht allein mit dem hier verbreiteten allgemeinen Albanien-Unwissen erklären.
Im grossen Gegensatz zur Neugier der Ausländer sind die Albaner hingegen sehr schweigsam, was diese Zeit anbelangt. Nur wenige erzählen ausführlich und gerne über den Kommunismus. Einzig politische Opfer der Diktatur sind auskunftsfreudiger, neben den Schriftstellern, die ihre Geschichten meistens auch in dieser Zeit ansiedeln. Ansonsten ist die kommunistische Vergangenheit aber weitgehend tabu – vermutlich mitunter, weil fast jeder zwangsläufig zu einem gewissen Grad Teil dieses perfiden Systems war. Die kommunistische Zeit bleibt in der Öffentlichkeit nach wie vor unverarbeitet.
Die Albaner so hat man den Eindruck, leben mehr in der Gegenwart, mit deren Bewältigung die meisten reichlich beschäftigt sind. Für die Zukunft und Vergangenheit lässt der Alltag wenig Zeit.
Fürnhammer kann in seinem Buch denn auch von keinem Albaner berichten, der seinen Wissensdrang befriedigen konnte. Nur einige »frustrierte Alte« schwärmten von der Zeit, als es noch keine Kriminalität gab. Diese ist nach meinen Erfahrungen eine für Albanien untypische Aussage – im Gegensatz zu vielen anderen post-kommunistischen Ländern gilt die Diktatur allgemein als schlecht und kaum jemand trauert dieser Zeit nach, auch wenn das Leben heute auch nicht einfach ist.
Bei denjenigen, die immer wieder Gäste im Land der Shkipetaren sind, tritt die Kommunismus-Thematik auch schnell in den Hintergrund. Wir Albanienliebhaber legen den Fokus wie die Albaner schnell auf die Gegenwart. Natürlich ist die Geschichte für das Verständnis einer Kultur oder Gesellschaft wichtig und sollte bekannt sein. Aber das moderne Albanien bietet genügend Faszinierendes und Unbekanntes, als dass man sich allein auf diese 45 Jahre Vergangenheit konzentrieren müsste.
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