Für einmal keine negativen Schlagzeilen aus Albanien: Letzten Samstag berichtete die »Neue Zürcher Zeitung« über die »Guten Chaoten vom Balkan«. Thema des Artikels waren Umweltaktivisten in Albanien, Rumänien und Bulgarien, die sich gegen die Zerstörung der Natur, gegen Korruption und gegen den Schlendrian in Staat und Politik stark machen.
Das Phänomen des Bürgerprotests ist aber nicht wirklich neu. Und es beschränkt sich nicht nur auf das Umweltthema. Schon im Sommer 2003 wurde die Organisaiton »MJAFT!« gegründet, eine Gruppe von Aktivisten, die mit dem Slogan »genug!« gegen alles protestierte, was schief lief im Balkanstaat.
Seither haben die Aktivisten deutlich an Fahrt zugenommen. Eine recht grosse und vielseitige Schar von »Protestlern« macht sich für die verschiedensten Interessen stark. Fest geholfen hat dabei das Internet, insbesondere Facebook (bei den Albanern sehr beliebt). Dort wird reklamiert, wenn eine Strasse mal wieder unpassierbar ist, es in der Vorweihnachtszeit in Vlora dunkel bleibt – im Gegensatz zu vielen anderen Städten mit reicher Weihnachtsdekoration – oder Beamte sich mal wieder allzu offensichtlich dem Schlendrian hingeben. Allgegenwärtig sind aktuell Fotos von Holztransportern, die noch immer aus den Bergwäldern rausholen, was sie können. Gepostet werden auch Filme von agressiven Polizisten, Fotos von Hunden, die im Flur eines Krankenhauses ein warmes Plätzchen gefunden haben, oder Aufrufe, sich an einer Reinigungsaktion in der Natur zu beteiligen.
Diese Form von Bürgeraktivismus ist ein erfreuliches Zeichen für eine erstarkende Zivilgesellschaft, die die Verantwortung in die eigenen Hände nimmt. Immer wieder haben die Aktivisten mit ihren Aktionen auch Erfolg. So urteilt auch die NZZ, dass sie eine Bedeutung erlangt hätten, »die nicht länger als vorübergehende Erscheinung abgetan werden kann«.
Und seit der ehemalige »MJAFT!«-Mitgründer Erion Veliaj im Rathaus von Tirana auf dem Chefsessel sitzt, hat so mancher Anlass in Tirana einen aktivistischen Charakter: Da werden immer wieder Strassen für Fussgänger sowie autofreie Tage gesperrt und auch der Schaffung von Grünraum wird viel Platz eingeräumt.
Die grosse Zahl der Unmutsäusserungen zeigt, dass es noch vieles zu verbessern gibt. Doch die Tatsache, dass nicht mehr alles kommentarlos von den Albanern hingenommen wird, dass nicht mehr alles egal ist, dass man nicht mehr immer den Staat für alles verantwortlich macht und dass man sich engagiert, ist eine positive Veränderung der letzten Jahre.