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Editorial
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Liebe Leserinnen und Leser Vor Kurzem trafen sich in Tirana wieder einmal elf Albaner. Elf eher junge, sportliche Männer. Das Spezielle an diesen Männern ist, dass sie alle im Ausland arbeiten. Sie leben den Traum ganz vieler gleichaltriger Albaner: Ohne Probleme in einem westeuropäischen Land eine Arbeitsbewilligung zu erhalten, sich dort mit harter, ehrlicher Arbeit ein anständiges Einkommen zu verdienen und von Zeit zu Zeit zurückzukehren, um der Heimat einen Dienst zu erweisen. Ein solches Leben, mit dem sie sich einen Ausweg aus ihrer Misere erhoffen - einige Jahre Arbeit in der Fremde, die den Aufbau einer Existenz in der Heimat ermöglichen -, bleibt den meisten Albanern verwehrt. Die elf Albaner, die sich da vor Kurzem in Tirana trafen, verdanken die Möglichkeit, im Ausland arbeiten zu können, ihrer besonderen Profession. Wahrscheinlich haben Sie schon längst gemerkt, von wem hier die Rede ist: Von den Stammspielern der albanischen Fussball-Nationalmannschaft ist kein einziger bei einem albanischen Fussballklub engagiert. Dies ist ein Spiegelbild des Landes. Erfolg hat in Albanien vor allem, wer der Armut, den beschränkten Möglichkeiten, der wirtschaftlichen Rückständigkeit und der Arbeitslosigkeit entfliehen kann. Da erstaunt es nicht, dass auch gegenüber dem Nationaltrainer Korruptionsvorwürfe erhoben wurden. Die Fussballer spielen in griechischen, türkischen, italienschen, belgischen, französischen und vor allem in deutschen Klubs verschiedener Ligen. Rudi Vata von Energie Cottbus oder Altin Rraklli von der Spielvereinigung Unterhaching dürften den Fans des deutschen Fussballs bekannt sein. Zwei weitere Albaner spielen für den SV Waldhof Mannheim und Hannover 96. Als Albanien noch eine sozialistische Volksrepublik war, als das Land für die meisten Menschen noch viel mysteriöser war als heute, als Fremde nur äussert restriktiv ins Land gelassen wurden, als sich das Land wie ein Igel von der Aussenwelt verschloss, damals waren die Fussballspiele fast der einzige Kontakt nach Aussen, stellten diese sportlichen Begegnungen den einzigen Grund dar, dass sich die Weltöffentlichkeit dieses Landes bewusst wurde, dass Journalisten nach Albanien reisen durften. Auch heute noch sind Länderspiele wie Deutschland gegen Albanien oder Albanien gegen England Anlass zu Reportagen in den nationalen Medien über eine fremde Fussballnation und ein fremdes Land. Die Zeiten haben sich aber doch geändert: So reisten im März nicht nur die elf Spieler, die bei ausländischen Clubs engagiert sind, für das Weltmeisterschaftsendrundenqualifikationsspiel gegen die englische Auswahl nach Tirana, sondern auch mehr als tausend englische Fans. Die albanischen Behörden fragten sich, wie der kleine Flughafen und der Zoll mit seinen langwierigen Formalitäten diesen Ansturm bewältigen könnten. Die Sorgen der britischen Botschaft galten dem Benehmen der Fans, die schon des öfteren negativ aufgefallen sind. Es wurde befürchtet, dass betrunkene Anhänger Albaner beleidigen oder verletzen könnten und dann Opfer der Blutrache werden würden. Solche Vorfälle waren zum Glück nicht zu verzeichnen (hingegen wurde ein englischer Spieler von einem Feuerwerkskörper getroffen). Trotzdem bietet der offizielle Partner des Deutschen Fussballbundes DFB keine Reisen an das Länderspiel vom 6. Juni in Tirana an. Hier scheint die Skepsis vor dem unbekannten Land doch noch grösser zu sein als der Wille, die eigene Nationalmannschaft zu unterstützen. Vielleicht werden die elf Albaner diese Umstände nutzen und endlich einmal einen verdienten Sieg erringen. Lars Haefner
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