Mi, 17. Feb 2010, 0:49
Was „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ auf Albanisch bedeutet
Eine Nacht, die ihre Landschaft fest im Griff hat,
Eine Stille, die schweigsam meine Aufmerksamkeit einzingelt,
Ein paar fallende Schneeflocken, die sich leichtfüssig ihren Weg durch die Luft bahnen, fühlen sich auf den grauen Teerstrassen wie weisse Federn an.
Und mittendrin in diesem Zirkel der sanften Gewalten sitze ich, ein Junge, der gegen den Schlaf streikt, der gedankenausschweifend auf die Sinneswahrnehmungen eingeht, der die ermüdenden Augen nochmals aufreisst um das Naturspektakel einzufangen.
Wer kann es mir schon in diesen Momenten verübeln, dass ich nicht angreifbar werde, dass meine schwere Alltagsrüstung nicht offene Schwachstellen davon trägt, worin Melancholie und Trübsinn gebührend ihren Weg finden.
Ich gehe raus in die Terrasse, gehe raus um die Reibung der aufeinanderprallenden Gedanken abzukühlen, gehe raus um die Schönheit des Winters zu verewigen, gehe raus um die Eiskristalle auf meinen redseligen Augen schmelzen zu lassen, so kriegen meine Augen wenigstens eine Stimme, die sie sonst nicht haben.
Ein junger Körper mit der schutzlosen fragilen Seele eines alten Greises, tritt den Rückzug an, doch Rückzug gegen die winterliche Kälte draussen, bedeutet gleichzeitig, dass ich mich drinnen in der Wärme den rasenden Gedanken stellen muss.
Und so beginnen Gedanken Kontur anzunehmen, Gedanken, die sich den anatomischen Grenzen des Hirnes entziehen um auf Blatt Papier als Tinte zu enden:
Ich sichte viel, doch letzten Endes senke ich die Augenlider
Ich höre viel, doch letzten Endes stelle ich meine Ohrmuscheln auf taub
Ich schweige viel, weil das Schweigegelübde an mir, die Rauschsucht nach aufrichtiger Heimatliebe und Gerechtigkeit bezähmt. Und für einmal breche ich das Schweigen.
Mein Volk besteht aus lauter kleinen traurigen Gesichtern, aus lauter harten Schicksalsschlägen, die die Seele abhärten und traurigerweise das albanische Feingefühl beeinträchtigen.
Mein Volk musste viel Leid, Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit in der Vergangenheit abtasten, und heute spriesst aus diesen Setzlingen Unkraut heraus, das nur schwer wieder einzudämmen ist.
Und heute sticht dieses Unkraut mehr denn je hervor.
Ein freiheitsliebender Drang, der uns schon seit eh und je wie ein Laufschatten verfolgt hat, ist heute im lärmenden Hall von Personenkult und Einmannarmeen untergegangen. Wir sind zu einer Schafherde verkommen, welches die Fussstapfen seines Schafhirten ausnahmslos folgt.
Unsere Lieder handeln von einer unaufhaltsamen Macht, von Liebe, Sehnsucht und Zuneigung, und heute beschallen diese Lieder nur Räume und Veranstaltungen, das Gewissen lässt sich schon lange nicht mehr mit diesen Dingen recht leiten, wir irren interessenträchtig und anspruchsvoll auf der Suche nach Ersatz umher, dabei verstehen wir noch nicht mal, dass Liebe anspruchs- und ersatzlos ist.
Unsere Folklore findet sich in einem Schmelztiegel voller Bescheidenheit, Gutmütigkeit, Nächstenliebe wieder, und heute muss ich mich mit Egoismus, Überheblichkeit, Rachsucht und Missgunst rumschlagen. Ein Jeder will den Anderen um Ecken schlagen, Hilfe wird erst mit Gegenleistung ausgehändigt und heute wird das Zusammensein mit Blutsverwandten als Zumutung angesehen.
Ein Volk berühmter Dichter und Poeten, wird heute mit Gefährlichkeit und unverhältnismässiger Gewaltanwendung in der Welt verknüpft. Wir sind heute keine wohl überlegten und friedliebenden Menschen mehr, wir bestehen aus Muskelmasse und sind bis an die Zähne bewaffnet.
Mein Volk ist dafür bekannt, dass Gleichheit und Zusammenhalt zu den Grundprinzipien gehören, doch heute ist man albanischer als der andere Albaner, ist man wohlhabender als der andere Albaner, ist man intelligenter als der andere Albaner, ist man religiöser als der andere Albaner, was somit die Gleichheit von vorn herein ausschliesst. Unser Volk braucht keine Peiniger und keine Grenzen mehr, es grenzt sich schon selbst ein und richtet den Lauf gegen sich selbst.
In Angesicht dieser und vielen anderen Gedanken wird mir eines bewusst: Ein Albaner wird ein Leben lang mit den Worten „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ zu kämpfen haben. Ein Schutz besteht nur, wenn Naivität und Einfalt das Leben bestimmen, alles Andere ist anfällig. Erst jetzt verstehe ich was ein Gjergj Fishta mit seinem Satz gemeint hat „Dhe ta dijë bota mbar, se un mbas sodit s’jam me shqiptar“.
Ka dy lloje njerëz: Këta që kur hynë në dhomë thonë: “Ja ku jam!”, dhe ata që kur hynë në dhomë thonë: “Ah, këtu qenke!”
lamtumirë sa t'jetë jeta