Mi, 27. Mai 2009, 16:03
Neues Wasserkraftwerk
Albanische Beifallsstürme für den Verbund
26. Mai 2009, 18:35
Verbund und EVN arbeiten erstmals gemeinsam außerhalb Österreichs zusammen: beim Bau eines Wasserkraftwerks in Albanien. Statt anderswo üblichen Pfiffen gab es Jubel beim Spatenstich.
Tirana - Das hätte sich Verbund-Auslandschef Christian Kern selbst nie träumen lassen: einmal vor hunderten Menschen zu stehen und beim Spatenstich für ein Wasserkraftwerk statt gellender Pfiffe Zustimmung und heftigen Applaus zu ernten. "Die Regierung in Tirana steht zu 100 Prozent hinter dem Projekt, die lokale Bevölkerung ebenso" , sagte Kern Montagabend am Rande des Spatenstichs für die 160 Mio. Euro teure, im Norden Albaniens gelegene Anlage, die ab 2012 Strom für 100.000 Haushalte liefern soll.
Die Umweltauflagen seien vergleichbar mit jenen in der EU, in die Albanien mit Vehemenz drängt. So sind für alle neuen Kraftwerke, die in dem Balkanstaat errichtet werden, Fischaufstiegshilfen vorgeschrieben. Laut Kern gibt es zumindest zur österreichischen Praxis aber einen bedeutenden Unterschied: "Es wird nichts unnötig in die Länge gezogen." Alle für den Bau des Kraftwerks erforderlichen Genehmigungen habe man binnen sechs Monaten in der Tasche gehabt. In Österreich müsse man im Durchschnitt 3,5 Jahre dafür kalkulieren.
Schon am frühen Nachmittag ist der Bürgermeister von Bushat, einer 26.000-Einwohner-Gemeinde im Nordosten des Landes, gestellt. Zef Hila trägt einen dunklen Anzug, helles Hemd und Krawatte - trotz 30 Grad im Schatten. Die Schuhe sind staubig, die rot-schwarz-rote Schleife, die seine rechte Schulter mit der linken Hüfte verbindet, zeigt auch jenen, die ihn nicht kennen, wer er ist: erster Bürger von Bushat. Allmählich füllt sich der Platz vor der Rednertribüne, der einem breiten, vertrockneten Flussbett gleicht. Hila wartet auf Sali Berisha, den Premierminister.
Berisha, der in einem schwarzen Phaeton vorfährt und von einem Meer fahnenschwingender Menschen umringt wird, befindet sich im Wahlkampf. Am 28. Juni entscheidet sich, ob seine rechtskonservative Regierung im Amt bestätigt oder von den oppositionellen Sozialisten des Edi Rama abgelöst wird, dem derzeitigen Bürgermeister von Tirana. Meinungsumfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für den alten Polithasen Berisha. An der Fortsetzung des Privatisierungskurses würde aber auch ein Machtwechsel im Land nichts ändern, sind sich politische Beobachter sicher.
Der Verbund ist als Bestbieter aus der Ausschreibung um das Kraftwert Ashta auf dem Gemeindegebiet von Bushat hervorgegangen. Im Kraftwerk, das mit 230 Mio. Kilowattstunden rund ein Viertel der Strommenge von Wien-Freudenau erzeugen wird, kommt eine neue Generation von Turbinen zum Einsatz. Andritz Hydro wird in Summe 90 sogenannte Hydromatrix-Turbinen liefern, jede nur so groß wie eine Telefonzelle, was eine deutliche Ersparnis bei den Baukosten bringe. Der Verbund will Ashat gemeinsam mit der EVN realisieren. Das wäre die erste Zusammenarbeit zwischen den ehemals verfeindeten Stromanbietern außerhalb Österreichs. "Die Gespräche sind in einer finalen Phase" , so Kern.
Die EVN, die Jahre vor dem Verbund erste Balkan-Erfahrungen in Bulgarien und Mazedonien gesammelt hat, wird am 8. Juni ihrerseits die Grundsteinlegung für ein noch viel größeres Projekt in Albanien vornehmen: Am Fluss Devoll im Südosten des Landes sollen drei Speicherkraftwerke entstehen. Mit einer installierten Leistung von zusammen 340 Megawatt sollen ab 2015 rund eine Mrd. Kilowattstunden Strom im Jahr produziert werden. Kostenpunkt: knapp eine Mrd. Euro. Partner der EVN beim Projekt am Devoll-Fluss ist die norwegische Statkraft.
Albanien, das heuer voraussichtlich als einziges Land in der Region ein Wirtschaftswachstum ausweisen kann, gilt ausländischen Investoren als Hoffnungsmarkt. "Die Menschen hier sind sehr jung, das Durchschnittsalter beträgt 26 Jahre" , sagt Olsi Karapici. Er hat an der TU Wien studiert, ist nach Albanien zurückgekehrt und hat beim Verbund angeheuert. Karapici ist seit dem Frühjahr Verbund-Repräsentant in Tirana. Karapici verweist auf Schätzungen, die von einem jährlichen Stromverbrauchszuwachs von vier Prozent pro Jahr sprechen. Derzeit würden erst 35 Prozent des Wasserkraftpotenzials genützt. Karapici hat bereits ein weiteres Projekt im Auge: Iskavica im Norden des Landes. (Günther Strobl, Tirana, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.5.2009)
Qeshu rini, qeshu! Bota asht e jote!