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Käpt'n Eddy
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Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Di, 01. Nov 2022, 9:30

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Armutsgefälle

Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt


Was ist Armutsgefälle? - Wenn der Tageslohn meines Gegenüber unter meinem Stundenlohn liegt. Oder auch: Wenn es ihn einen Tageslohn kostet, mich zum Kaffee einzuladen. Wer Albanien kennt weiß: Er macht es trotzdem. Und ich habe eine Weile gebraucht, einen Weg zu finden, damit umzugehen.

Es gibt etwas, was mich in Albanien bei der Begegnung mit Landsleuten (zu denen ich jetzt mal großzügig auch Österreicher und Schweizer zähle) ärgert und beschämt. Touristen wie Expats loben die albanische Gastfreundschaft. Die Großzügigkeit und die Kultur, einzuladen und zu schenken. Wie auch nicht? Selbst Leute, die eigentlich etwas verkaufen sollten, schenken es oft her. Ein Hotelbesitzer, den ich für die Gastkultur lobte, stöhnte mal: "Ja, so sind wir. Am liebsten würden meine Kellner jeden einladen. Nur: Wovon bezahle ich dann ihren Lohn?"

Leider nehmen Gespräche darüber mit Landleuten öfter einen für mich ganz unerfreulichen Verlauf. Da geht es schon mal einen halben Abend lang darum, wo und wieviel man sparen kann, wenn man "es richtig anstellt". Wo man hingeht, um sich einladen zu lassen. Wer etwas billig oder sogar umsonst für einen macht. Wie man den Preis drückt. Und: Wie man vermeidet, dass der Albaner an einem selbst ein gutes Geschäft macht. Ich empfinde das als Schnorren. Und es ekelt mich an.

Wenn ich mit einem Fahrzeug, dass den halben Lebenslohn meines "Gastgebers" kostet, in die Werkstatt komme, lass ich mir nicht mal eben was "für umme" richten. Ich finde einen Weg, dass ökonomisch nicht ich, sondern mein Gegenüber profitiert. Denn ich bin ja schon beschenkt. Mit seiner Zeit. Mit seinen guten Absichten. Und ja, das ist manchmal kompliziert. Wenn der Albaner partout kein Geld annehmen will und ich Zeit brauche, ein ihm nützendes Geschenk zu besorgen.

Aber was macht man im Café? – Ich werde oft angesprochen. Und eingeladen. Und nein, ich bin kein attraktives Mädel. ; - ) Mir war das angesichts des Armutsgefällt lange peinlich. Andererseits ist der Versuch, den Albaner an seinem Heimatort einzuladen, aussichtslos. No chance! Wer Albanien kennt weiß, wovon ich spreche …

Meine Lösung ist der Gang zur Toilette. Jedenfalls der vermeintliche. Und der will gut getimed sein. Nämlich so, dass ich Kellner oder Kellnerin in einem freien Moment und außerhalb des Sichtfeldes meiner mich einladenden Tischgenossen erwische. Dann zahle ich einfach den Tisch. Natürlich verkünde ich es am selbigen nicht. Sondern verabschiede mich irgendwann. Mit klammheimlicher Freude.

Erzähle ich das albanischen Freunden, freuen sie sich. Denn, so sagen sie, ich hätte nicht nur etwas fürs Portemonnaie getan. Sondern vor allem etwas für die Herzen. Wenn ich weg sei, würden Keller und Gäste sicher eine Weile darüber reden und sich freuen, wie nett da jemand sei. Nga zemra (von Herzen). Und ja, ich freue mich auch. Und zwar von Herzen.

Herzlichst,
Käpt'n Eddy

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Lars
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Mo, 05. Dez 2022, 12:35

Habe deinen Beitrag erst jetzt gelesen. Finde ihn aber ganz wichtig!

Albaner können gastfreundlich sein, ohne sich runieren zu müssen (freundlich, helfend, Früchte schenkend).

Wir können in Albanien günstigen Urlaub geniessen. Es auszunutzen ist peinlich.
Schon Sachen wie Autostopp sind da sehr fraglich (Albaner, die bei Fremden mitfahren, bieten in der Regel in paar Lek fürs Benzin an).

Man sollte versuchen, auf der Reise mehr zurückzugeben an Gastfreundschaft, wie man erhält.
- - -

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Käpt'n Eddy
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Wie wahr!

Mo, 05. Dez 2022, 20:19

Lars hat geschrieben:
Mo, 05. Dez 2022, 12:35
Man sollte versuchen, auf der Reise mehr zurückzugeben an Gastfreundschaft, wie man erhält.
.
Wie wahr, lieber Lars!

Gastfreundschaft ist halt nicht nur ein genitivus objectivus, sondern auch ein genitivus subjectivus …

;-)

Herzlichst,
Käpt'n Eddy

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Lars
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Di, 06. Dez 2022, 17:52

In Tirana übernachte ich fast nie im Hotel – meist privat bei Freunden oder so.

Früher waren das meist eher Unbekannte oder kaum bekannte. Trotzdem wollte natürlich nie jemand Geld dafür.
Anfangs liess ich einfach immer etwas Geld im Zimmer zurück, 10-20 US$ oder so pro Nacht, zum Teil fast etwas versteckt – das wird mir zum Teil noch heute vorgeworfen. Aber die Leute schätzten es doch und konnten es brauchen.

Später fragte ich dann jeweils, ob sie denn etwas aus der Schweiz bräuchten. Und auch heute gehört ein kleines Geschenk natürlich dazu.
- - -

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dodl
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

So, 22. Jan 2023, 22:42

Hier geht es um Bekannte im Landesinneren, oder um Touristen im Allgemeinen?
Denn ich fühlte mich letztes Jahr zwischen Saranda und Dhermi eher ein bisschen abgezockt.

cu
martin

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Käpt'n Eddy
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

So, 22. Jan 2023, 23:00

dodl hat geschrieben:
So, 22. Jan 2023, 22:42
Hier geht es um Bekannte im Landesinneren, oder um Touristen im Allgemeinen?
Denn ich fühlte mich letztes Jahr zwischen Saranda und Dhermi eher ein bisschen abgezockt.

cu
martin

Lieber Martin!

Wenn Du sowas so allgemein schreibst, ist es schwer, sich dazu zu äußern.

Und - net bös gemeint - in dem Thread hier geht es nicht um Gastfreundschaft oder Geschäftssinn, sondern darum, wie ich (wir?) damit umgehen, in ein Land zu reisen, in dem der Hotelangestellte weniger als ein Zehntel des eigenen Einkommes hat (und im Supermarkt aber die gleichen Preise aufgerufen werden).

Herzlichst, EDDY

dodl
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Mo, 23. Jan 2023, 6:20

Morgen!

OK, denn im ersten Postings ging es ja in erster Linie um die Gastkultur und dem Umgang damit.
Davon hab ich nicht viel mitbekommen.
Richtig ist, dass das Einkommen niedriger liegt als in Österreich. Wobei es in meinem Fall statistisch etwas mehr als ein Drittel ist.
Bei deutlich niedrigeren Kosten fürs Wohnen zum Beispiel.
Mir wurde weder etwas geschenkt, noch sonderlich billig angeboten. Im Gegenteil versuchte man mir teilweise den 4 fachen Preis zu verrechnen.
Und das wurde auch ganz offen kommuniziert. Zitat "Austria has much money".

Ich sehe das daher etwas lockerer.

cu
martin

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Käpt'n Eddy
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Gastkultur = Kultur des Gastes

Mo, 23. Jan 2023, 15:08

dodl hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 6:20
Morgen!

OK, denn im ersten Postings ging es ja in erster Linie um die Gastkultur und dem Umgang damit.
Davon hab ich nicht viel mitbekommen.
Richtig ist, dass das Einkommen niedriger liegt als in Österreich. Wobei es in meinem Fall statistisch etwas mehr als ein Drittel ist.
Bei deutlich niedrigeren Kosten fürs Wohnen zum Beispiel.
Mir wurde weder etwas geschenkt, noch sonderlich billig angeboten. Im Gegenteil versuchte man mir teilweise den 4 fachen Preis zu verrechnen.
Und das wurde auch ganz offen kommuniziert. Zitat "Austria has much money".

Ich sehe das daher etwas lockerer.

cu
martin

Lieber Martin!

Wie gesagt, nix für ungut. Ich meine das Folgende ganz freundlich. Und zwar von Herzen.

(1)
Ja, es ging im ersten (von mir geschriebenen) Beitrag um Gastkultur. Allerdings verstehe ich darunter schon auch und vielleicht zu erst, wie ich mich als Gast benehme.

(2)
Wenn ein Hotelangestellter 300 Euro im Monat verdient und das ein Drittel Deines Einkommens ist, liegst Du unter 1000 Euro. Das ist nicht viel, und da muss man haushalten. Ich war selbst mal Student. In dem Fall würde ich Dir aber nicht unbedingt die Region um Vlora oder Saranda empfehlen, das ist schon sehr touristisch und kommerziell.

(3)
Etwas "geschenkt oder angeboten" bekommen? - Das ist ein heikles Thema. Ich sag's mal so: Ich find's problematisch, in das ärmste Land Europas zu reisen und zu erwarten, dass ich etwas geschenkt bekomme. Ich erwarte das nicht - und wenn's passiert, beschämt es mich eher. Vielleicht ist das der Grund, dass es dann doch immer wieder passiert: Dass mein Gegenüber merkt, dass ich nicht auf meinen Vorteil aus bin oder ihn gar ausnutzen will. (Wäre es so, könnte ich ihm kaum übel nehmen, wenn er in das Spiel einsteigt und seinerseits seinen Vorteil sucht. Und wenn er dann gewinnt … - naja, hätten wir doch das gleiche Spiel gespielt.) Jedenfalls bin ich nicht nur in den Bergen eingeladen worden, sondern auch am Flughafen, am Strand und sogar im Super-Turi-Café direkt an der Grenze. Oder von einem Parkwächter, der sein Trinkgeld gleich dafür ausgeben wollte, mich auf einen Kaffee einzuladen. Und wohlgemerkt: Das Tolle daran ist nicht, Geld zu sparen, sondern die Herzlichkeit zu erfahren - und zurück zu geben.

(4)
Und ganz grundsätzlich: Ich habe jedes Verständnis dafür, wenn jemand wenig Geld hat. Gerade dann ist Albanien heute das, was in meiner Jugend mal Griechenland oder die Türkei waren. Ein Backpacker-Paradies, in dem man Urlaub machen kann, der unter den heimischen Lebenshaltungskosten liegt. Für manchen ist das womöglich die einzige Möglichkeit, überhaupt Urlaub zu machen. Und es sei jedem gegönnt.

Nur: Selbst wenn ich "nur" das Dreifache meines Gastgebers verdiene (und Kranken-, Renten-, Unfall- und was sonst noch versichert bin), bin ich selbst als Student immer noch unglaublich wohlhabend. Wenn ich arbeite und mehr als das Zehnfache verdiene, um so mehr. Daraus resultiert für mich eine grundsätzliche Großzügigkeit. Vielleicht ist das der Grund, warum meine albanische Freunde meinen, ich sei schon fast ein Albaner. Jedenfalls fühle ich mich auf diese Weise in diesem großartigen Land wohl und heimisch. Und sehr locker.

Herzlichst,

Käpt'n Eddy


PS:
Ups, das ist jetzt doch ein bisschen länger geworden. Aber es lag mir tatsächlich am Herzen.

dodl
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Mo, 23. Jan 2023, 17:49

OK, dann verdient der Hotelangestellte ein Viertel von mir.
Ich ging vom Durchschnittsgehalt (620€) aus.
Ich erwarte auch keine Geschenke oder Sänftenträger.
Aber offensichtlich machen wir da komplett andere Erfahrungen.
Alles gut.

cu
martin

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Käpt'n Eddy
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Mo, 23. Jan 2023, 18:03

dodl hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 17:49
OK, dann verdient der Hotelangestellte ein Viertel von mir.
Ich ging vom Durchschnittsgehalt (620€) aus.
Ich erwarte auch keine Geschenke oder Sänftenträger.
Aber offensichtlich machen wir da komplett andere Erfahrungen.
Alles gut.

cu
martin

Lieber Martin!

Das aktuelle Durchnittsgehalt liegt (laut albanischen Finanzministerium) aktuell bei netto 305 Euro/Monat. Hotelangestellte liegen oft drunter, Ich kenne Leute, die Arbeiten für kaum 200 Euro.

Was ich versuchte – ganz freundlich und liebevoll – zu sagen, war auch, dass die Erfahrungen, die man macht, immer was mit einem selbst zu tun haben. Ich bin sicher phaenotypisch das schiere Gegenteil eines jungen attraktiven Mädels, das man aufgrund der Attraktivität gerne und oft einlädt. Und es passiert trotzdem.

Herzlichst, EDDY

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Lars
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Mi, 25. Jan 2023, 17:38

dodl hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 17:49
Ich erwarte auch keine Geschenke oder Sänftenträger.
Aber offensichtlich machen wir da komplett andere Erfahrungen.
Die Gastfreundschaft in Albanien ist sicherlich nicht mehr ganz das, was sie vor 20 Jahren war, als ich den Strand in Livadh bei Himara noch fast für mich allein hatte.

Wenn man an den touristischen Hotspots unterwegs ist, kann man in Albanien nicht mehr viel Gastfreundschaft erwarten – im Gegenteil. Es wurde auch schon versucht, mir 1000 Lek Rückgeld zu unterschlagen.

Wenn man aber Menschen begegnet, die nicht gerade im Hochsaison-Stress dort arbeiten, wo sich 1000 andere Touristen aufhalten, dann trifft man immer noch sehr oft und häufig auf die herzlichen, gastfreundlichen Albaner. Diesen Sommer wurde ich mehrfach von älteren Damen mit Früchten beschenkt, weil ich mich für ihr Dorf (mit durchaus ernst zu nehmenden Sehenswürdigkeiten, aber ohne Touristen) interessierte. Weil ich ein paar Worte Albanisch mit ihnen sprach. Weil ich Ihnen etwas Geld für die Mosche zusteckte.

Und wer sich eben nicht nur an der Strandpromenade von Himara in die teuren Restaurants setzt (was ich ja übrigens auch gerne mache), sondern eben auch mal in ein sonst nur von Einheimischen frequentiertes Café, der kann schnell mit dem Nachbartisch ins Gespräch kommen.

Mir war Eddys Beitrag wichtig. Denn auch ich bin immer wieder baff, weil Touristen in Albanien trotz günstiger Preise oft noch überlegen, wie sie noch günstiger davonkommen – auf Kosten von albanischer Gastfreundschaft und den nicht wirklich wohlhabenden Menschen. Ich habe kein Problem, mir ein paar Früchte schenken zu lassen, die ja im Sommer sowieso im Überfluss sind. Ich lasse mich auch mal von Albanern einladen, wenn ich weiss, dass sie genug verdienen. Aber ich habe auch kein Problem, einem alten Mann, der drei Granatäpfel in Tirana auf der Strasse verkauft, einen überteuerten Granatapfel abzukaufen – weil ich weiss, dass er es braucht. Und ich überlege nicht, wie ich einen kostenlosen Transport schnorren kann oder irgendwie zu einer kostenlosen Unterkunft bei Unbekannten (für etwas hat man ja Freunde). Und ich empfehle noch heute, dass man Geld zurücklässt, wenn man privat zu Kost und Logis eingeladen wird.

Albanien ist nicht mehr supergünstig und auch manch ein Tourist muss rechnen – das ist vollkommen in Ordnung. Aber wie Eddy schon betonte: Es muss alles in einem Gleichgewicht sein. Es darf nicht sein, dass die eine Seite übermässig belastet wird, weder der Tourist (Abzocke), noch der Albaner (Gastfreundschaft).
- - -

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dodl
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Do, 26. Jan 2023, 8:50

Ja drum hab ich gefragt, ob sich das auf Begegnungen in der "Pampa" bezieht, oder allgemein gemeint ist.
Ich hab am Stadtrand von Saranda fast nur Leute getroffen, die sicher 5 mal soviel verdienen wie ich.
Hinten beim kleinen Hafen neben der Navy.
Unser Vermieter besitzt zum Beispiel 3 schöne Appartements, ein Haus mit inkludiertem Restaurant, eine große Halle, ein großes Fischerboot, 3 Autos und ein doppelmotorisiertes Sportboot.
Wenn mir der nach dem Essen im Restaurant einen 45LEK Raki hinstellt, werde ich ihn nicht ruinieren.
Rundherum fette Autos, neue Häuser, teure Boote.

Tatsächlich wurde ich vom Tankwart auf einen Kaffee eingeladen, hatte aber kein schlechtes Gewissen nachdem er mich 2 Tage zuvor um einen meiner 30€ Spritkanister bat. Hat er auch ohne Hintergedanken bekommen.
Das war eine nette Begegnung und wir haben uns blendend mit der Übersetzungsapp unterhalten.

Aber irgendwas war heuer anders. Es war schön und ich beschwere mich nicht. In mancher Hinsicht war es aber auch stressig und mehr als distanziert. Vor allem Behördenwege waren der Horror.
Stört mich auch nicht. Unterm Strich immer noch alles super.
Aber den Vorwurf, man würde die Armut der Leute ausnutzen, kann ich entlang der Südküste nicht nachvollziehen.

cu
martin

Piti
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Do, 26. Jan 2023, 12:57

Lars hat geschrieben:
Mi, 25. Jan 2023, 17:38
dodl hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 17:49
Ich erwarte auch keine Geschenke oder Sänftenträger.
Aber offensichtlich machen wir da komplett andere Erfahrungen.
Die Gastfreundschaft in Albanien ist sicherlich nicht mehr ganz das, was sie vor 20 Jahren war, als ich den Strand in Livadh bei Himara noch fast für mich allein hatte.

Wenn man an den touristischen Hotspots unterwegs ist, kann man in Albanien nicht mehr viel Gastfreundschaft erwarten – im Gegenteil. Es wurde auch schon versucht, mir 1000 Lek Rückgeld zu unterschlagen.

Wenn man aber Menschen begegnet, die nicht gerade im Hochsaison-Stress dort arbeiten, wo sich 1000 andere Touristen aufhalten, dann trifft man immer noch sehr oft und häufig auf die herzlichen, gastfreundlichen Albaner. Diesen Sommer wurde ich mehrfach von älteren Damen mit Früchten beschenkt, weil ich mich für ihr Dorf (mit durchaus ernst zu nehmenden Sehenswürdigkeiten, aber ohne Touristen) interessierte. Weil ich ein paar Worte Albanisch mit ihnen sprach. Weil ich Ihnen etwas Geld für die Mosche zusteckte.

Und wer sich eben nicht nur an der Strandpromenade von Himara in die teuren Restaurants setzt (was ich ja übrigens auch gerne mache), sondern eben auch mal in ein sonst nur von Einheimischen frequentiertes Café, der kann schnell mit dem Nachbartisch ins Gespräch kommen.

Mir war Eddys Beitrag wichtig. Denn auch ich bin immer wieder baff, weil Touristen in Albanien trotz günstiger Preise oft noch überlegen, wie sie noch günstiger davonkommen – auf Kosten von albanischer Gastfreundschaft und den nicht wirklich wohlhabenden Menschen. Ich habe kein Problem, mir ein paar Früchte schenken zu lassen, die ja im Sommer sowieso im Überfluss sind. Ich lasse mich auch mal von Albanern einladen, wenn ich weiss, dass sie genug verdienen. Aber ich habe auch kein Problem, einem alten Mann, der drei Granatäpfel in Tirana auf der Strasse verkauft, einen überteuerten Granatapfel abzukaufen – weil ich weiss, dass er es braucht. Und ich überlege nicht, wie ich einen kostenlosen Transport schnorren kann oder irgendwie zu einer kostenlosen Unterkunft bei Unbekannten (für etwas hat man ja Freunde). Und ich empfehle noch heute, dass man Geld zurücklässt, wenn man privat zu Kost und Logis eingeladen wird.

Albanien ist nicht mehr supergünstig und auch manch ein Tourist muss rechnen – das ist vollkommen in Ordnung. Aber wie Eddy schon betonte: Es muss alles in einem Gleichgewicht sein. Es darf nicht sein, dass die eine Seite übermässig belastet wird, weder der Tourist (Abzocke), noch der Albaner (Gastfreundschaft).
ich bin seit 2009 fast jedes Jahr ein Monat in Albanien und die letzten drei Jahre sogar 5 Monate. Der Beitrag bringt es auf den Punkt.

Gabrielita
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Fr, 12. Mai 2023, 12:16

Käpt'n Eddy hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 18:03
dodl hat geschrieben:
Mo, 23. Jan 2023, 17:49
OK, dann verdient der Hotelangestellte ein Viertel von mir.
Ich ging vom Durchschnittsgehalt (620€) aus.
Ich erwarte auch keine Geschenke oder Sänftenträger.
Aber offensichtlich machen wir da komplett andere Erfahrungen.
Alles gut.

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martin

Lieber Martin!

Das aktuelle Durchnittsgehalt liegt (laut albanischen Finanzministerium) aktuell bei netto 305 Euro/Monat. Hotelangestellte liegen oft drunter, Ich kenne Leute, die Arbeiten für kaum 200 Euro.

Was ich versuchte – ganz freundlich und liebevoll – zu sagen, war auch, dass die Erfahrungen, die man macht, immer was mit einem selbst zu tun haben. Ich bin sicher phaenotypisch das schiere Gegenteil eines jungen attraktiven Mädels, das man aufgrund der Attraktivität gerne und oft einlädt. Und es passiert trotzdem.

Herzlichst, EDDY


Auf jeden Fall stimmt das Alles, man muss sich sehr oft mit diesen Rappenspalter, Kleinkarrierten, billigen Landsleuten herumschlagen, die selbst noch von den ärmsten profitieren wollen. Charakterlos, ich entfernte mich sofort von solchen Kreaturen…
Aber eine andere Frage Eddy, ich bin Schweizerin d fragte nach, ob ich wirklich nur 3 Monate im Land bleiben darf, die CH Behörde schrieb bei einer Polizeistation vorbei gehen, wiederum sagte man mir, nein…ich bin ratlos, auf mei e Anfrage hat denn auch niemand reagiert. ich bin zum erstenmal in einem Foren, weiss aber nicht, ob das das richtige Ist, las ziemlich viel Dummheit hier, ausser deinem Betrag…Gruss gabrielita

GjergjD
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Re: Armutsgefälle – Oder: Wie man seinen Kaffee gesichtswahrend selber zahlt

Fr, 12. Mai 2023, 17:28

du hast im anderen Thema schon mehrere Antworten erhalten. Bitte hier nicht noch mal thematisieren :penguin:

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