Nicht auf die Liste meiner Buchempfehlungen wird es eine weitere Neuerscheinung schaffen.
Enver und sein Paradies: Illusionen und Propaganda im kommunistischen Albanien: Essays von Arian Leka
Das Buch hat eine längere Geschichte hinter sich. Die Essays wurden bereits 2018 in Tirana auf Deutsch veröffentlicht. In einem albanischen Verlag als Teil der Reihe »Das Beste aus der Albanischen Literatur« (wohl das einzige Buch der Reihe) herausgegeben, schaffte es nicht den Weg in den deutschsprachigen Buchhandel. Dabei hatte
diese erste Ausgabe nicht nur den hübschen Titel »Verbotenes Meer und künstliche Paradiese im kommunistischen Albanien«, sondern war auch schön gestaltet, gebunden, mit Bildern von Michel Setboun angereichert – das Buch kommt insgesamt sehr ordentlich und ansprechend daher.
Ganz anders die Neuauflage im Berliner Anthea-Verlag: Billiger Druck, billig gebunden, billiges Papier, alles andere als hübsch gestaltet, blöder Titel (meine Meinung) und vor allem ein lausiger Satz weit weg von jeglichem Versuch einer Gestaltung. Wo in der ersten Ausgabe ein Punkt und ein Zeilenumbruch zu finden ist, fehlt in der Neuauflage beispielsweise schon auf der ersten Seite ein Punkt am Ende eines Satzes. Hier wurde nicht nur am Korrektorat gespart …
Während die Erstausgabe lediglich darauf hinweist, dass der Text bereits in einer Berliner Literaturzeitschrift publiziert worden ist, erfahren wir in der Zweitausgabe noch viel mehr. Einerseits findet sich hier eine einseitige (!) Vita der Übersetzerin Loreta Schillock, andererseits wird einleitend darauf hingewiesen, dass der »Übersetzungsfond [sic!] des albanischen Kulturministeriums« die Herausgabe unterstützt habe. Anscheinend hat die Übersetzerin für die Übertragung dieses Buches eine Auszeichnung des Kultusministeriums [sic!] Albaniens erhalten als Gewinnerin für literarische Übersetzungen aus dem Albanischen ins Deutsche.
Und hier setzt vor allem meine Kritik an: Das Buch ist kaum lesbar. Die Übersetzung mag korrekt sein, das Ergebnis ist richtiges Deutsch – aber keine Literatur! Sätze wie der Folgende – als Beispiel unter vielen – sprechen für sich: »Doch diese Menschen, in ihrem Ländern unzufrieden von der Ungerechtigkeit des Kapitalismus, der wie eine Manifaktur die "Seide" produzierte, um das Gewissen der "Einsamen" sanft einzuspinnen, schlugen übertriebenen Stolzes den Weg hin zu einer besseren Gesellschaft ohne Klassen ein, in der jeder "entsprechend seinen Fähigkeiten" arbeitete und "entsprechend seinen Bedürfnissen" entlohnt wird.« (S. 21)
Solche unverdaubaren Satzkonstrukte und endlose Nominalkonstruktionen sind keine literarische Übersetzungen. Das lässt sich auch nicht mit dem Avantgarde-Stil des Autoren rechtfertigen. Der Übersetzerin ist es nicht gelungen, den wohl sehr herausfordernden Stil des Autors in deutsche Texte zu übertragen, die man mit Freude liest.
Die albanische Ausgabe machte mir noch Freude mit ihrer aufwändigen Gestaltung, die über manche textlichen Schwächen der Übersetzung hinwegsehen lässt. Die deutsche Ausgabe ist einfach nur ein Trauerspiel, gerade weil hier die Übersetzung über allen Klee zelebriert wird.