Guten Abend zusammen..
In der Hoffnung, dass ich mich produktiv und ohne moralische Peitschenhiebe austauschen kann, habe ich mich hier in diesem Forum angemeldet. Vorab erzähle ich meine Geschichte..
Ich arbeite als Sozialarbeiterin in einer Einrichtung, in der ausschliesslich männliche UMF (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) untergebracht werden. Ganz speziell bin ich im Clearing tätig. Dort leben für längstens 3 Monate Jugendliche, um ihren pädagogischen und aufenthaltsrechtlichen Status zu klären. Wir betreuen dort Kriegs- und eben auch Wirtschaftsflüchtlinge. Rechtlich gesehen bin ich abgeklärt, sprich: Ich weiss, dass selbst ein Albaner, der glaubhaft eine Blutsfäde nachweisen kann kaum Chancen hat, über seinen 18. Geburtstag hinweg in Deutschland bleiben zu können, von Asylanträgen wird schon in der Asylverfahrensberatung abgeraten und er bleibt bis zum 18. Geburtstag nur geduldet.
Am 9. April 2015 holte ich einen Jungen aus Tirana von der Erstaufnahmestelle ab und ich merkte direkt bei dem ersten Kontakt zwischen uns, dass wir sehr harmonisierten. Allerdings sah ich das aus pädagogischer Sicht positiv, da der Junge auf dem Papier erst 16 Jahre alt war und es ja zu meinen Richtlinien gehört, dass ich mich niemals emotional oder sexuell auf einen Schutzbefohlenen einlassen darf. Daher stellte sich mir zu keinem Moment die Frage, wie es um meine Gefühle bestellt war, ich funktionierte einfach und erledigte wie immer meine Arbeit. Nun war es so, dass der junge Albaner mich zu seiner Beziehungsbetreuerin ernannte und wir viele Gespräche führten, ich ihn zu sämtlichen Terminen begleitete und wir wirklich immer persönlicheren Kontakt hatten.. Wir wurden sehr vertraut miteinander.
Etwa 2 Monate später musste ich dann erfahren, dass der Junge eigentlich ein Mann ist.. Er ist nicht wie angegeben 16, sondern 25 Jahre alt. Sein Pass ist gefälscht. Mit wachsender Vertrautheit, konnte ich nach dieser Zeit nur schwer verstecken, dass ich mich ganz fürchterlich verknallt habe. Ich versuchte möglichst kühl und dennoch professionell zu wirken, hatte Angst, dass mein Kollegium etwas merken könnte und ich wollte nicht, dass mein Schutzbefohlener etwas spürt. Nun war es aber so, dass er auf mich zukam und mir erklärte, dass er Gefühle für mich hat. Von dem Moment an flogen natürlich mit jedem Blick, in jedem Gespräch die Funken. Die letzten 5 Wochen waren für uns beide sehr hart. Ich erklärte ihm, dass ich auf keinen Fall was mit ihm anfangen könnte, so lange er in unserer Einrichtung wohnt und dass es höchstens eine Chance für uns geben würde, wenn er auszieht. Er versteht die Situation und verhält sich auch dementsprechend fair und umsichtig. Mittlerweile ist es aber auch nur noch ein offenes Geheimnis in unserer Einrichtung, dass mein Schutzbefohlener und ich Gefühle füreinander haben. Meine Kollegen stärken mich und versuchen alles mögliche, um nicht in verzwickte Situationen zu geraten. Dafür bin ich ihnen auch sehr dankbar.
Jetzt hatte mein Schutzbefohlener vergangene Woche sein Abschlussgespräch beim Jugendamt und seit gestern Abend weiss ich, dass er in eine andere Stadt kommt, was aber auch alles kein Problem für uns ist. Die Hauptsache ist, dass der ganze Spuk bald ein Ende hat und wir uns endlich außerhalb der Einrichtung privat treffen können, wir uns endlich umarmen und küssen können.
Natürlich haben wir beide auch schon über das Thema Ausreise gesprochen. Er hat klare Ziele. Muss er Deutschland verlassen und Albanien ist bis dahin nicht in der EU, dann geht er nach Norwegen zu seinem Cousin. ER sieht das ganze sehr realistisch.. er sagte auch, dass er nicht heiraten oder Kinder zeugen will, nur um in Deutschland bleiben zu dürfen. Er sei ein guter Katholik und er würde nur aus Liebe heiraten und Kinder zeugen. Er will die Zeit mit mir einfach nur genießen, wir haben ja nur das Jahr. Das macht mir nun Angst..
Oft lese ich, dass die Einwanderer diejenigen sind, die unbedingt heiraten wollen, damit sie einen Aufenthaltsstatus bekommen.
Gehe ich jetzt mal davon aus, es entsteht eine Beziehung zwischen ihm und mir und wir sind wirklich glücklich und es läuft richtig gut und das Jahr vergeht.. welche Möglichkeiten habe ich dann? Ich habe mich noch nie damit befasst, wenn ich ehrlich sein soll, da so eine Situation für mich nie zur Debatte stand. Vermutlich wird er im Juli/ August 2016 Post bekommen, bis wann er auszureisen hat. Er ist dann auf dem Papier 18, hat in der Zeit mit Sicherheit schon seinen B1 und B2 Test hinter sich gebracht und auch bestanden, da er jetzt schon nach der kurzen Zeit richtig gutes Deutsch spricht. In Albanien hat er die 11. Klasse abgeschlossen. Gibt es denn wirklich keinerlei Möglichkeiten, dass er hier in Deutschland darauf aufbauen kann, ohne heiraten zu müssen? Er ist polizeilich nicht auffällig geworden und hat beim Jugendamt einen sehr sehr guten Eindruck hinterlassen.
Ich Frage deshalb, weil ich dann natürlich auf eine Beziehung mit dem Mann verzichten würde, wenn es eh keine Chancen auf eine gemeinsame Zukunft gäbe. Nach Albanien möchte ich nicht gehen. Ich habe hier eine gut bezahlte Arbeit und einen gewissen Lebensstandard, den ich nicht missen wollen würde.. Ich bin gerade sehr verzweifelt, denn in einer Woche muss ich über unsere Zukunft entscheiden. Lass ich mich darauf ein, was ich ohne Zweifel liebend gerne machen würde oder soll ich das Ganze ad Acta legen, was mir nicht leicht fallen würde, aber wohl am vernünftigsten wäre, wenn man mal in die Zukunft blickt.
Vielleicht gibt es hier jemanden mit ähnlichen Erfahrungen, mit dem ich mich austauschen könnte?
Vielleicht gibt es hier auch juristisch bewanderte User, die Tipps für mich haben?
Ich bin für alles sehr sehr dankbar.
Nach diesem Roman breche ich jetzt mal ab und wünsche Euch eine angenehme Nacht.