Leg dich nicht mit dem Chef an! Oder: Weshalb das Verschwinden eines Hotels nicht ignoriert werden darf.
Es ging ganz schnell dieses Wochenende. Zuerst wurde die Hotelanlage bei Golem von der Polizei abgeriegelt, zwei Tage später lag das »Prestige Resort« in Schutt und Asche. Kaum etwas konnte vor der Sprengung noch aus dem Gebäude gerettet werden.
Für dieses Durchgreifen der Behörden gibt es zwei komplett unterschiedliche Begründungen: diejenige der Regierung und diejenige der Hotelbetreiber.
Durchsetzung von Recht und Ordnung
Die Regierung behauptet, dass beim Bau des Hotels in den Jahren 2016/17 die Bewilligung nicht eingehalten worden sei. Eine andere Version lautet, dass das Hotel nur mit einer Spezialbewilligung habe gebaut werden können, die zusätzliche Steuern mit sich bringe. Und weil diese Zusatzsteuern nicht rechtzeitig bezahlt worden seien, werde das Hotel jetzt abgebrochen. Ministerpräsident Edi Rama erklärte gegenüber den Medien, dass es hier um die Durchsetzung von Gesetzesbestimmungen gehe. In Zukunft werde niemand mehr wagen, sich über das Gesetz zu stellen.
Während Rama von »klaren Gesetzen«, Gewaltentrennung und geregelten Verfahren sprach, lässt die Umsetzung wenig davon erkennen. Die Hotelbesitzer zeigten sich entsetzt über das Vorgehen der Behörden. Es habe kein vorgängiges Verfahren, keinen richterlichen Entscheid, keinerlei Vorwarnung gegeben. Das Hotel sei gemäss der Baubewilligung erstellt worden – und die Pläne tragen die Unterschrift des MInisterpräsidenten Rama.
Bedrohte Medienfreiheit
Seitens Hoteleigentümer beklagt man, Opfer einer Racheaktion von Edi Rama geworden zu sein. Das Hotel ist im Besitz des Geschäftsmanns Irfan Hysenbelliu, der auch Eigentümer einer Mediengruppe ist (TV-Kanal »News 24«, Internetportal »BalkanWeb« und die Tageszeitung »Panorama«). Zwischen Edi Rama und Hysenbelliu hat sich das Verhältnis in letzter Zeit stark abgekühlt. Nachdem die Mediengruppe Kritik an der Regierung formuliert hatten, wurden Hysenbelliu und seine Firmen mit Steuerforderungen eingedeckt. Darauf wurde über Verfehlungen der Steuerbehörden berichtet, worauf die Behörden nochmals die Schrauben anzogen.
Mietverträge für die Unternehmen wurden in Frage gestellt. Und Anfang September wurden von den Behördern Uferanlagen beim »Prestige Resort« abgebrochen. Man führe nur eine während der Touristensaison ausgesetzte Kampagne zur Beseitigung illegaler Bauten entlang der ganzen Küste fort – und begann natürlich bei Hysenbelliu. Die zerstlrte Uferanlage war zwar hässlich und ein Einschnitt in den Sandstrand, aber sie ist klar auf den von Rama bewilligten Plänen ersichtlich.
Mit der Sprengung des Hotelgebäudes dieses Wochenende habe der Rachefeldzug von Rama seinen Höhepunkt erreicht, erklärten Hysenbellius Anwälte.
Explosive Zeiten
Sprengungen und Abrisse von Gebäuden sind kein Novum in der Politik von Edi Rama und seiner Partei. Sie waren jeweils recht einschneidende Ereignisse, nicht nur für die politischen Verhältnisse des Landes, sondern für die ganze Gesellschaft.
- Als Bürgermeister von Tirana machte Rama schon zur Jahrtausendwende mit Abriss auf sich aufmerksam. Damals war dies Durchsetzung von Recht und Ordnung – ein Novum für das post-kommunistische Albanien. Tausende von illegal errichteten Cafés, Bars, Läden und anderen Gebäuden in den Pärken und Grünflächen der Stadt wurden abgerissen. Dies war auch ein mutiger Schritt, da Rama die Interessen des Staats und der Bürger über diejenigen von Geschäftsleuten und Mafia stellte.
- Zehn, zwanig Jahre später war niemand mehr im Land sicher. Besonders an der Küste, aber auch anderswo, wurden immer wieder Gebäude abgerissen, die so nie bewilligt worden waren. Die demollierten Häuser in Ksamil, lange Jahre sichtbare Ruinen, waren ein prominentes Beispiel hierfür. Andernorts entstanden anstelle der illegalen Betriebe Uferpromenaden, wurden Strände wiederhergestellt – die Sphinx in Durrës entstand beispielsweise an einem solchen Ort. Auch mit Sprengstoff wurde geübt: So verschwanden am Ohridsee in Windeseile illegale Hotels. Auch wenn hier in der Regel Anhänger der Opposition betroffen waren, ging es bei diesen Aktionen doch weiterhin um die Durchsetzung von Recht und Ordnung.
- Im April 2020 wurde, Mitten während des Corona-Lockdowns, das Nationaltheater im Stadtzentrum von Tirana abgerissen – klammheimlich in einer Nacht- und Nebelaktion, damit es ja nicht zu Protesten kommt. Dieses Mal war das Zeichen aber anders: Es wurde klar sichtbar, dass öffentliche Interessen (immerhin war das Theater ein Kulturdenkmal) gegen die Interessen reicher Geschäftsleute keine Chance hatten. Diese konnten auf ihre guten Verbindung zu den Entscheidungsträgern bauen.
- Mit der Sprengung des »Prestige Resorts« in Mali Robit erreicht die Abrisswut aber eine neue Dimension. Jetzt scheint sich der Ministerpräsident – da sind sich alle Beobachter einig – unliebsamen Kritiker vorzuknöpfen.
Keine Unschuldsvermutung
Die Rechtsdurchsetzung, auf die sich Rama berief, ist in diesem Fall wenig glaubhaft, nicht wirklich nachvollziehbar. Einerseits gibt es an der Küste an der Bucht von Durrës noch andere, viel schlimmere Bausünden. Andererseits lässt das Verfahren jedem Juristen die Haare hochstehen: keine Anhörung, kein Gerichtsverfahren – Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung funktionieren anders. Zeit wäre sicherlich gewesen: Dringlichkeit lag nicht vor und Sprengungen von siebenstöckigen Gebäuden organisiert man auch nicht von heute auf morgen.
Beobachter sind sich einig: Die Rechtfertigungen von Rama überzeugen niemanden. Und wenn man etwas zurückblick, findet man auch genug Fälle, wo die Zerstörung von Gebäuden als Strafmassnahmen diente. Zum Beispiel vor ein paar Jahren, als ein Restaurantbesitzer an der Riviera wegen einer offenen Rechnung spanische Touristen mit dem Leben bedrohte – er wanderte ins Gefängnis, sein Restaurant wurde, da illegal, abgebrochen. Das Vorgehen ist auch aus vielen autokraten Staaten bekannt: Wer nicht spurt, wird vom Staat mit Klagen eingedeckt.
Vermutlich sind aber auch die Hotelbesitzer keine Unschuldslämmer. Es ist in Albanien schon fast Standard, dass »mehr« gebaut wird, als bewilligt. Ein paar zusätzliche Stockwerke? Ein kleiner Anbau? Wem fällt das schon auf? Ein solches Vorgehen ist in Albanien weit verbreitet. So zeigte auch ein Besuch im »Prestige Resort« in diesem Sommer: Hier wurde fast jeder Meter bestmöglich ausgenutzt. Etwas mehr als erlaubt wäre keine grosse Überraschung.
Weshalb die Aufregung?
Die Hotelanlage war früher bei den Sozialisten sehr beliebt. Im »Mali Robit«, die erste grössere Hotelanlage an der Küste Albaniens, soll ein Ministerpräsident Hochzeit gefeiert haben. Geschäftsmann Hysenbelliu soll früher auch eng mit der Führung der Sozialisten verbunden gewesen sein. Irgendwann kam es wohl zum Streit. Weshalb muss uns dieser Zwist der Eliten kümmern?
Die Politphilosophin Arilda Lleshi erklärte es folgendermassen: »Das ist ein Angriff auf die Medienfreiheit: Der Ministerpräsident zerstört dich, weil ihm nicht gefällt, was du sagst. Wenn du zum Feind des obersten Herrschers wirst, nutzt er die Staatsgewalt gegen dich. Am Schluss wird aber das albanische Volk für das unsinnige Verhalten dieses Mannes zahlen müssen. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Hoteleigentümer vor Gericht Recht erhalten. Der Ministerpräsident wird aber nie für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen werden.«
Ministerpräsident Edi Rama wird schon seit vielen Jahren kritisiert, immer mehr autokratisches Verhalten an den Tag zu legen. Er wird dafür im Land viel kritisiert – aber die Opposition bietet den Wählern nicht wirklich eine plausible Alternative. Ihre Politik der absoluten Konfrontation führte in den letzten Jahren nur zu Wahlboykotts und internen Streitereien. Die Wähler wünschen sich aber keine endlosen Streitereien, sondern Lösungen. So rutschte die Opposition immer mehr in die Bedeutungslosigkeit – und die Sozialisten können schalten und walten, wie sie wollen.
Heute kommen in Tirana die Ministerpräsidenten des Westbalkans mit der EU zusammen. Albanien rückt ins weltweite Rampenlicht – eine Gelegeneheit, sich zu profilieren. Die Opposition sucht aber erneut nicht den Dialog, sondern stellt sich einfach mit Protesten auf der Strasse quer. So bringt sie Albanien nicht weiter.
Sprengung des Hotels
Lars Haefner
Toller Artikel Lars.
Dazu passt auch der Beitrag auf Facebook von Sevim Arbana indem sie den besagten Premierminister bezüglich den Bauten im Zentrum dazu befragt. Leider kann ich ihren Beitrag nicht teilen.