Dies könnte auch der Titel eines Romans von Ismail Kadare sein, der heute in Tirana verstorben ist. Hier geht es aber nicht um Literatur oder ein Einzelschicksal, sondern um die albanische Gesellschaft als Ganzes. Die Zahlen der Volkszählung vom letzten Jahr zeigen: Albanien verliert mehr Einwohner denn je.
Das Statistische Institut Albaniens (INSTAT) hat soeben die ersten Ergebnisse der Volkszählung vom letzten Jahr veröffentlicht. Erfasst wurden 2,4 Millionen Einwohner. Damit ist die Bevölkerung Albaniens wieder unter den Wert von 1979 geschrumpft.
Alle wollen weg
Seit der letzten Volkszählung hat Albanien 420’000 Einwohner verloren, etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Die rund 15’000 Corona-Toten haben da keinen grossen Einfluss. In erster Linie geht es immer noch um den tiefen Wunsch ganz vieler – insbesondere junger – Albaner, ihr Land zu verlassen. Und heutzutage scheint das auch einfacher zu sein als früher: Der Bevölkerungsrückgang hat sich etwas verdoppelt im Vergleich zur Zeit zwischen den beiden vorangehenden Volkszählungen (2001 und 2011).
Obwohl es auch Rückkehrer und ausländische Einwanderer gibt, ist der grosse Drang zum Auswandern ein klares Zeichen, dass viele Albaner mit den Verhältnissen im Land nicht zu frieden sind. Zwar fehlt Vielen ein klares Bild über die Verhältnisse im Ausland, Viele haben unrealistische Vorstellungen, dass andernorts das Leben deutlich einfacher und bequemer sei. Für Albanien ist die Abwanderung all dieser Menschen aber ein grosses Problem.
Heute werden überall in Albanien Arbeits- und vor allem ausgebildete Fachkräfte gesucht. Das Land bildet Menschen aus, die dann in Westeuropa Lücken im Arbeitsmarkt füllen. Zurück bleiben vielerorts nur alte Menschen, ganze Regionen entvölkern mehr und mehr. Dieser Brain-drain ist nicht auf Albanien beschränkt, sondern zeigt sich auch in allen anderen Balkan-Ländern und sogar in vielen strukturschwachen Regionen Westeuropas.
Landflucht
Nur wenige Gemeinden (»Bashkie«) im Land konnte noch ein Bevölkerungswachstum verzeichnen. Auch die meisten grossen Städte verzeichneten einen Rückgang. Von diesen sind nur Berat und Tirana noch gewachsen: Alles drängt in die Hauptstadt, deren Infrastruktur immer mehr überlastet ist. Dass auch Tirana (jetzt offiziell 600’000 Einwohner, mit Kamza und anderen Vororten 700’000) nur noch ein geringes Wachstum hatte, weist auf die weit verbreitete Migration ins Ausland hin.
Die Küstengebiete im Süden (Himara, Saranda) verzeichnen ebenfalls ein kleines Wachstum, wobei dies zumindest an einzelnen Orten (Himara, Finiq, Dropull) auch damit zusammenhängen könnte, dass die griechische Minderheit dieses Mal die Volkszählung nicht boykottierte.
An vielen anderen Orten sind in den letzten 20 Jahren ein Drittel der Einwohner abgewandert, seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes oft die Hälfte oder mehr. Das stellt viele Gemeinschaften vor grosse Herausforderungen. Detailliertere Zahlen zu den einzelnen Gemeinden, die hoffentlich bald veröffentlicht werden, werden noch mehr Informationen bieten zur Überalterung, der Geburtenrate und hoffentlich auch zur Einwanderung.
Kleine Minderheiten
Der neuste Zensus bietet auch mehr Zahlen zu Minderheiten, als wir das aus der Vergangenheit kannten. Da 2011 die Griechen die Volksbefragung boykottiert hatten, waren die Angaben früher in diesem Punkt auch stark verfälscht. Denn die Griechen sind mit 23’000 Personen die grösste Minderheit. Roma und Ägypter zusammen kommen auch auf 22’000 Angehörige. Von den Aromunen (jetzt 2500) sind mindestens 70 % in den letzten zwölf Jahren abgewandert. Mazedonier und Bulgaren kommen auf rund 9000 Personen (umfasst eventuell auch Goranen). Unter den 4000 weiteren Slawen stellen Bosnier fast drei Viertel. Noch immer liegen aber für 150’000 Einwohner keine Angaben vor. Nicht ganz 4000 Personen gaben andere ethnische Herkünfte an.
Rund 15’000 Ausländer leben aktuell in Albanien – darunter könnten aber auch viele Albaner sein, die eine ausländische Staatsbürgerschaft erhalten haben, oder Minderheiten. 50’000 Personen sprechen nicht oder nicht nur Albanisch zu Hause, für 160’000 liegen bezüglich Sprache aber keine Daten vor.
Bei den Religionen hat sich das Bild nicht gross verändert seit 2011: Die Hälfte der Albaner bekennen sich zum Islam (fünf Prozent sind Bektashi). Der Anteil der Katholiken ist mit acht Prozent leicht grösser als derjenige der Orthodoxen (sieben Prozent). 14 Prozent bezeichnen sich als gläubig ohne Religionsangehörigkeit. Neben den vier Prozent bekennenden Atheisten liegen für 16 Prozent keine Antwort oder keine Angaben vor – ein Drittel der Albaner bekennen sich also zu keiner Religion.
(Lars Haefner)
Hallo!
ist es hiernach nicht ein drittel, welches sich zu keiner Religion bekennt und 2/3 sind entweder Anhänger des Islam oder Christen?
mfg
mc
Danke für den Hinweis. Korrigiert