Deutlicher Sieg der Sozialisten bei den Lokalwahlen über heillos zerstrittene Opposition
Die Wahlen am Sonntag verliefen recht ruhig. Das Resultat ist wenig überraschend: Die Sozialisten erzielen einen deutlichen Sieg. Vermutlich werden sie in mehr als 50 der 61 Gemeinden (»bashkie«) Albaniens den Bürgermeister stellen. Die endgültigen Resultate liegen noch nicht vor, mit grossen Überraschungen ist aber nicht mehr zu rechnen.
Nur in ein paar unbedeutenden Gemeinden liegen die Sozialisten zurück: Has, Fushë-Arrëz, Puka und Mirdita im Norden, Himara, Memaliaj und Finiq im Süden [Nachtrag 16. Mai: in Kavaja haben die Sozialisten auch verloren]. Somit werden sämtliche grossen Städte auch in den nächsten vier Jahren von Sozialisten regiert – inklusive die PD-Hochburg Shkodra. Die Hauptstadt Tirana als bedeutendster Schauplatz ist da auch keine Ausnahme: Erion Veliaj hatte leichtes Spiel und bleibt Bürgermeister.
Die OSZE-Beobachter beurteilen die Wahlen als »mehrheitlich gut organisiert«. Auch die üblichen Schuldzuweisungen und Betrugsvorwürfe blieben bisher aus. Zwar gab es im Vorfeld etliche Vorwürfe von Stimmenkauf – diese waren aber kaum ausschlaggebend.
Opposition nimmt sich erneut aus dem Spiel
Vor vier Jahren hatte die Opposition alles auf eine Karte gesetzt und die Wahlen boykottiert. Am Schluss übernahmen die Sozialisten 59 Rathäuser. Der sinnlose Boykott wurde darauf zwar beendet – die Opposition stellt für die Wählerinnen und Wähler aber noch immer keine attraktive Alternative dar. Nachdem die USA Sali Berisha zur persona non grata erklärt hatten, ist ein grosser Machtkampf innerhalb der Demokratischen Partei (PD) ausgebrochen. Ex-Präsident Sali Berisha ist zwar vom Ausland kaltgestellt, aber hat immer noch die Massen der PD-Wähler hinter sich. Der Parteileitung gehören der Parteiname und die Büros, ihr fehlt es aber an Unterstützern.
Und so ist eine stark zerstrittene Opposition zu den diesjährigen Wahlen angetreten. Die offizielle PD konnte in vielen Gemeinden nicht einmal einen Kandidaten aufstellen. Sie war auch fast überall abgeschlagen und chancenlos.
Sali Berisha bildete zusammen mit dem Ex-Präsidenten Ilir Meta – seine Partei LSI heisst jetzt »Partia e Lirisë«: Freiheitspartei –, mit der Partei der griechischen Minderheit und der kleinen christdemokratischen Partei die Koalition »Bashkë Fitojmë«. Aus dem gemeinsamen Sieg wurde aber nichts. In lediglich sechs Gemeinden ist sie in Führung. Eine PD im Machtkampf und ihre meist eher unbekannten Kandidaten waren für die breite Wählerschaft keine Alternative. Die Urgesteine Berisha und Meta konnten höchstens ihre Stammwähler motivieren.
Die meisten Wählerinnen und Wähler blieben so oder so zu Hause. Sie waren der Streitigkeiten der Mächtigen müde. Man wollte die Sozialisten nicht bestätigen, fand aber unter den 39 anderen Parteien auch keine gute Alternative. So war die Stimmbeteiligung mit rund 31 % äusserst gering. Vor allem junge Wähler gingen kaum zur Urne.
Albanien ein Ein-Parteien-Staat?
Angesichts des einseitigen Resultats wird in Sozialen Medien die Frage diskutiert, ob Albanien wieder zum Ein-Parteien-Staat verkommen sei? Die Frage kann einfach mit der Unzufriedenheit der Verlierer abgetan werden. Die demokratischen Prozesse in Albanien laufen wohl besser als je zuvor. Natürlich gibt es Korruption, Machtmissbrauch und einige andere Unschönheiten. Aber in erster Linie müssen sich Wähler und Oppositionsparteien selber an die demokratischen Spielregeln halten.
So haben die PD und die LSI – Entschuldigung: »Freiheitspartei« – in den letzten Jahren vor allem daran gearbeitet, sich unwählbar zu machen. Sie boten keine Lösungen für Probleme an, sondern blockierten mit Maximalforderungen und Aufrufen zum Rücktritt den politischen Dialog. Durch den Boykott haben sie sich zwischendurch komplett aus dem Spiel genommen. Heute fehlt es der Partei an bekannten und vertrauenserweckenden Gesichtern.
Andere Oppositionsparteien haben bis heute keine nationale Basis aufbauen können. Sie sind meist sehr klein, unbedeutend und lokal beschränkt. Für die Wählerschaft stellen sie keine Alternative dar: Die Albaner wählen lieber mächtige Player, von denen sie sich dann auch einen direkten Profit erhoffen.
Generell ist die albanische Politik bisher von Personen geprägt, nicht von Sachthemen. Die Parteien unterscheiden sich in den Programmen nicht wesentlich. Man wählt nicht eine politische Richtung, sondern Einfluss. Und so nähren die Wählerinnen und Wähler das Monster der Korruption, das sie immer verfluchen, aber selber davon profitieren möchten.
Das seit vielen Jahren nur eine Partei das Sagen hat, liegt vor allem am Unvermögen der Demokraten.
Demokratie spielte gegen Demokraten
Um Macht geht es auch innerhalb der PD. Sali Berisha kann mit 78 noch immer nicht die Finger von der Politik lassen. Er hat versagt, eine Nachfolge in der Partei aufzubauen, die eine breite Wählerschaft hätte anziehen können und ein starkes Gegengewicht zu den Sozialisten bilden würde. Ein Rückzug zugunsten der Partei kommt für den sturen Berisha nicht in Frage. Zwar konnte er den internen Kampf gegen seinen Ziehsohn Lulzim Basha für sich entscheiden – die PD steht aber vor einem Scherbenhaufen.
Im Kampf um die Macht hatten beide PD-Fraktionen Mühe mit den demokratischen Institutionen. Die juristischen Mühlen mahlen langsam – das Ausbleiben von Entscheiden erschwerte die politische Arbeit. Und manche Eingabe in der Vorbereitung zu den Wahlen musste mehrfach gemacht werden, weil man sich als Vertreter einer Partei ausgab, die man de jure nicht vertritt. So ging viel zu viel Energie in den internen Kampf und die Administration, während die Wähler viel zu wenig Aufmerksamkeit erhielten.
Vielleicht werden die Demokraten bis zu den Parlamentswahlen im Sommer 2025 geeint auftreten. Viele Wählerinnen und Wähler würden sich freuen, einen Regierungswechsel herbeiführen zu können. Dafür braucht es aber Politiker, die auch die Wechselwähler und Nichtwähler motivieren können, an die Urne zu gehen. Aber weder eine persona non grata wie Sali Berisha, noch ein unbekannter Newcomer werden hierzu in der Lage sein. Und somit ist zu befürchten, dass in Albanien – wegen der Uneinsichtigkeit, der Machtbesessenheit und der Unorganisiertheit von Vertretern der Opposition – noch länger vor allem nur eine Partei im politischen Alltag Einfluss haben wird.
(Lars Haefner)