1 Jahr Corona in Albanien – Wahlkampf hat Vorrang

Seit dem 8. März 2020 haben sich in Albanien über 112’000 Personen mit Corona angesteckt und Tausende sind gestorben. In Hinblick auf die Wahlen Ende April hat die Bekämpfung der Pandemie aber nicht höchste Priorität.

Genau vor einem Jahr hatte Corona auch Albanien erreicht. Die ersten Fälle waren aus Italien eingeschleppt worden. Eine Woche später war Albanien schon im Lockdown: Alles zu! Während Wochen durfte ohne dringenden Grund niemand mehr aus dem Haus.

COVID-19 in Albanien: Ausgangssperre
Wie im März 2020 herrscht auch heute nachts wieder eine Ausgangssperre

Die rigorosen Massnahmen haben geholfen, die Zahlen tief zu halten. Das Gesundheitssystem konnte vor einem Kollaps bewahrt werden. Die Regierung hat seither viel in den Ausbau der Spitäler investiert, so dass die vielen Corona-Patienten im Spätherbst und aktuell doch einigermassen ordentlich betreut werden können.

Lockerer Umgang brachte hohe Fallzahlen

Mit dem Ende der ersten Welle kamen schnell auch Lockerungen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern hat Albanien nie Einreisebeschränkungen erlassen. Auch der Umgang der Albaner mit der drohenden Gefahr ist recht locker: Masken werden trotz Pflicht nur wenig getragen, Abstand kaum eingehalten.

Maskenpflicht in Albanien wegen Corona
Frau mit Maske in Vlora im Sommer 2020

Entsprechend schnell sind die Zahlen gestiegen: Im Sommer 2020 gab es immer mehr Fälle, weil auch mehr getestet wurde. Im Herbst kam es aber zu einem starken Anstieg. Nach einer kurzen Erholung um den Jahreswechsel – auch dank verstärkter Massnahmen – schnellten die Fallzahlen in diesem Jahr nochmals stark hoch. Erst in den letzten Tagen gehen die Neuansteckungen langsam wieder zurück.

Eine wirkliche Entspannung, eine nachhaltige Verbesserung gab es aber nie. Die Tendenz ist bei allen Werten langfristig überall negativ. Das Gesundheitswesen gelangte wiederholt an Grenzen. Es wurden zwar Regeln für die Verhinderung der Ausbreitung von Corona erlassen, die aber kaum durchgesetzt werden.

Und aktuell zählt Südalbanien nach Tschechien, Estland, Montenegro und einigen Regionen in Ungarn und Moldawien zu den Corona-Hotspots in Europa.

Viele inoffizielle Corona-Tote

Leider erreichen auch die Todeszahlen in diesem Jahr wieder Maximalwerte. Allein im Februar sind 416 Personen offiziell an COVID-19 gestorben – so viele wie in den ersten sieben Monaten der Pandemie.

Viele Tote werden aber von der Statistik gar nie erfasst. Im Jahr 2020 sind offiziell fast 1200 Personen an COVID-19 gestorben. Die Übebrsterblichkeit lag 2020 aber bei rund 5500 Personen, wie aktuelle Zahlen vom statistischen Amt INSTAT zeigen – das heisst, dass nur einer von fünf Corona-Toten als solcher in die Statistik einging.

Auch sonst versuchten die Albaner oft, die offiziellen Wege zu umgehen. Anstatt die Kranken in die Krankenhäuser zu bringen – für viele noch immer ein Ort zum Sterben –, werden sie zu Hause gepflegt. Dabei werden Krankenpfleger engagiert, die fürs Gelegentliche vorbeischauen Unsummen kassieren – eine ärztliche Behandlung erfolgt in der Regel nicht.

Hoffnung in die Impfung

Ein Ausweg aus der Krise soll natürlich die Impfung bringen. Im Januar begannen erste Impfungen auch in Albanien. Aber nur sehr zögerlich: Noch viel mehr als überall sonst ist Impfstoff auf dem Balkan Mangelware. In einer ersten Phase wurde das Gesundheitspersonal geimpft. Jetzt sind allmählich die Alten dran – vor allem über 80-jährige Heimbewohner.

Bis jetzt wurden aber erst 20’000 Impfdosen verabreicht. Auf 100 Personen sind somit erst 0,7 Impfdosen zum Einsatz gekommen. Im internationalen Vergleich hinkt Albanien weit hinterher.

Trotzdem rühmt sich die Regierung ihrer Erfolge bei der Beschaffung von Impfstoffen. Fast jede einzelne Impfung wird gross gefeiert – so zumindest der Eindruck. Denn es stehen Wahlen an, und die Sozialisten müssen beweisen, welche Erfolge sie dem Land gebracht haben.

Enger Wahlausgang erwartet

Ende April wird in Albanien ein neuses Parlament gewählt. Es ist Wahlkampf, und es könnte knapper werden als erwartet. Die Opposition nimmt nach vier Jahren Boykott wieder am politischen Leben teil und rechnet sich Chance aus, bei den Wahlen gut abzuschneiden. Nach aktuellen Umfragen ist nicht einmal ein Regierungswechsel ausgeschlossen.

Proteste gegen Politik in Albanien
Studentenunruhen vor zwei Jahren haben die Regierung stark unter Druck gesetzt.

Viele Albaner sind resigniert – haben sich mehr Entwicklung und Wohlstand erhofft. Zwar wurde in den letzten Jahren viel ins Land inivestiert, aber vieles braucht Zeit, viele Wahlversprechen wurden nicht gehalten und Korruption ist noch immer ein allgegenwärtiges Thema. Enttäuscht von den Entwicklungen in den vergangenen Jahren haben sie sich viele Albaner von der Politik abgewandt. Bei einer vorausschtlich geringen Wahlbbeteiligung wird entscheidend sein, welcher Partei es gelingen wird, ihre Wählerschaft und auch einige Unentschlossene zur Urne zu bewegen.

Sehr viele kleine Parteien, die LSI und die Demokraten haben sich zu einer Koalition zusammengeschlossen. Es scheint, dass (fast) alle vereint gegen die Sozialisten kämpfen wollen. Die Herabsetzung der Wahlhürde auf 1 % könnte mehrere Kleinstparteien ins Parlament spülen. Die Regierungsbildung könnte dann kniffelig werden. Ein enger Wahlausgang könnte auch das Regieren für den Sieger schwierig machen. Aber zumindest nimmt die politische Blockade wohl endlich ein Ende. Heftige politische Auseinandersetzungen dürften jedoch auch in Zukunft das politische Klima des Landes bestimmen.

Die Sozialisten werden alles daran legen, die Wahlen zu gewinnen. Für die nächsten Wochen ist deshalb noch manche Eröffnung von Krankenhäusern, anderen Infrrastrukturprojekten und Strassen zu erwarten. Edi Rama wird so versuchen, Wählerstimmen zu kriegen. Darunter ist auch die Rruga e Arbërit, die direkte Verbindung von Tirana durch die Berge nach Osten nach Dibra. Zwar ist der Tunnel am Muriza-Pass noch lange nicht vollendet – aber dank Umfahrungsstrasse wird es auch hier was zu feiern geben: Mehrere grosse Brücken und kleinere Tunnels sind fast fertig.

Andererseits wird Edi Rama angesichts der anstehenden Wahlen davon absehen, die Corona-Massnahmen zu verschärfen. Es gilt zu vermeiden, den Unmut der Bevölkerung zu stärken. Dies ist aber ein schmaler Seiltanz, soll ja doch die Ausbreitung der Pandemie und das Auftauchen von Meldungen über überlastete Krankenhäuser vermieden werden.

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