Die EU ist bereit für Beitrittsverhandlungen mit Albanien. In Tirana müssen aber zuerst noch ein paar Reformen umgesetzt werden.
Eher überraschend kam diese Woche – mitten in der Corona-Krise – das Signal aus Brüssel, man wolle die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufnehmen. Bislang hatte vor allem Frankreich aus innenpolitischen Gründen, aber auch ein paar andere Länder grosse Vorbehalte gehabt und ihr Veto eingelegt gegen den Beginn der Verhandlungen.
Politische Krise in Albanien
Dieser Stillstand war nicht gut für Albanien – es fehlte an Perspektiven, worauf die albanische Politik ins absolute Chaos stürzte. Die Demokraten boykottieren alles, was sich boykottieren lässt, wodurch den regierenden Sozialisten viel zu viel Freiheiten entstanden. Ministerpräsident Rama hat in den letzten Jahren viel Goodwill verloren. Die Demokraten zeigten sich aber unfähig, davon zu profitieren.
Die Europäische Union hatte im Sommer 2018 schon mal grünes Licht gegeben für den Beginn der Verhandlungen. Bald kam aber aus den Niederlanden, Frankreich und Dänemark Widerstand. Nach der Flüchtlingskrise war die Union vor allem mit sich selber beschäftigt. Eine Erweiterung war den Wählern nur schwer zuverkaufen – vor allem auch, weil sich viel zu viele Albaner dem Flüchtlingstross aus dem Nahen Osten angeschlossen haben und als Asylbewerber oder Illegale manchen westeuropäischen Staat überschwemmten. Die EU war vielmehr beschäftigt, die eigenen Mitglieder zu bändigen und den Brexit zu regeln.
Mit dem EU-Beitritt in weite Ferne gerückt, waren den Mächtigen in Tirana demokratischen Spielregeln immer unwichtiger. Jeder machte was er wollte, weil den zügelnden Ermahnungen der nötige Druck fehlte. Und zudem kamen auch aus Budapest, Sofia, Bukarest und Warschau Signale, dass man es mit rechtstaatlichen Grundprinzipien nicht immer so genau nehmen müsse.
Viele Bedingungen
Während Nordmazedonien – nach der Namensänderung – bereit ist, um sofort mit den Beitrittsverhandlungen zu beginnen, sehen sich die Albanern noch zahlreichen Vorbedingungen gegegenübergestellt.
Primär muss Albanien Wahlreformen umsetzen wie von der OSZE empfohlen: Mehr Transparenz insbesondere bei der Parteifinanzierung ist gefordert. Auch die Justizreform muss endlich abgeschlossen werden. Die höchsten Gerichte des Landes sind schon länger nicht mehr entscheidungsfähig.
Weiter werden aktive Massnahmen gegen Korruption und Asylgesuchen von Albanern in Westeuropa sowie mehr Zusammenarbeit bei der Rückführung von Albanern gefordert.
Zudem fordert die EU Anpassungen bei Gesetzen, die in letzter Zeit verabschiedet worden sind. Beim stark kritisierten Mediengesetz und beim Gesetz über die Volkszählung sollen Empfehlungen von internationalen Gremien umgesetzt werden.
Schluss mit Politzirkus
Der Entscheid der EU-Staaten kann nicht als Würdigung der albanischen Politik gewertet werden – im Gegenteil. Es wird ein klares Signal nach Tirana gesendet, dass die vom Volk erwünschte Europapolitik nur umgesetzt werden kann, wenn die Politiker ihre Eigeninteressen hinter politische Lösungen zurückstellen.
Es ist ein Signal an die Demokraten, dass ihre Boykotte im Ausland nicht goutiert werden. Von der Opposition wird erwartet, dass sie an konstruktiven Lösungen mitarbeitet und demokratisch gefällte Entscheide mittrrägt.
Und es ist ein Signal an Rama und die Sozialisten, dass keine halbfertigen Lösungen akzeptiert werden. Brüssel, Berlin und Paris zeigen sich wieder auf dem Westbalkan und nehmen wieder Einfluss auf die Entwicklung – man hat sie schmerzlich vermisst.
(Lars Haefner)