Drei Monate nach dem Erdbeben: die Situation in Albanien

Eine Übersicht von Exit News zu den bedeutendsten Entwicklungen seit dem Erdbeben vom 26. November 2019.

Übersetzung eines auf exit.al publizierten Artikels – mit freundlicher Genehmigung

Vor drei Monaten, am 26. November 2019, wurde Albanien von einem Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richterskala erschüttert. Das Epizentrum lag 30 Kilometer westlich von Tirana. Durch die Erschütterungen wurden 51 Personen getötet und Tausende Gebäude beschädigt.

Ungelöste Wohnungsnot

Erdbeben in Albanien: Edi Rama besucht Zeltlager
Edi Rama besucht ein Zeltlager in Vora anfangs Dezember

In den letzten drei Monaten wurden von Bauexperten rund 8000 Wohnungen als unbewohnbar deklariert, weshalb mehr als 10’000 Personen in Zelten Unterkunft fanden.

Ungelöst ist die Situation für viele Dorfbewohner, die nicht wissen, wo sie ihr Vieh unterbringen sollen, und ihr Zuhause nicht verlassen konnten, weil sie Plünderungen befürchten mussten. Sie erhielten – von Hilfsorganisationen oder der Zivilgesellschaft – Zelte und provisorische Unterkünfte.

Ab dem 1. Dezember hat die Regierung mit 18 Hotels – 14 in Durrës und weitere in Shëngjin – Verträge geschlossen, um dort rund 3000 Personen unterzubringen.

In der Zwischenzeit haben die Gemeinden Mietzuschüsse für rund 12’000 Familien gewährt, so dass viele die Hotels verlassen konnten. Aber oft ist es nicht einfach, bezahlbare Unterkünfte in den betroffenen Gebieten zu finden. So stiegen in Durrës die Mieten um bis zu 30 Prozent, weil Hausbesitzer von der erhöhten Nachfrage profitieren möchten.

Zehn Hotel in Durrës konnten bis Ende Januar geräumt werden , in Shëngjin wurden die Hotels anfangs Februar verlassen .

Zahlen zum Wiederaufbau

In Zusammenarbeit mit der EU, der UNO und der Weltbank hat die albanische Regierung einen Bericht über die Folgen des Erdbebens publiziert. In elf Gemeinden wurden Schäden verzeichnet – am meisten betroffen waren Durrës, Tirana, Kruja, Kavaja, Shijak und Vora.

Die Schadensumme wird auf € 985 Millionen geschätzt, davon € 310 Millionen in Durrës und € 303 Millionen in Tirana. Rund 86 Prozent der Schäden gingen zu Lasten von Privaten.

Im Bericht ist zu lesen, dass der Wiederaufbau über eine Milliarde Euro kosten dürfte. Auch eine Wirtschaftsabschwächung wird befürchtet. So hat die Regierung die Prognose für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 von 3,5 auf 3,2 Prozent heruntergeschraubt.

Bei der Geberkonferenz »Together for Albania« haben EU-Staaten und Partner [Anmerkung der Redaktion: auch die Schweiz] über € 1,15 Milliarden für den Wiederauf in Albanien gesprochen. Rund 70 Prozent davon sind Kredite, fast die Hälfte des Geldes kommt aus islamischen Ländern. Italien und die Türkei haben am meisten Hilfe versprochen.

Unklarheiten beim Wiederaufbauprogramm

Ende Januar hat die Regierung eine Wiederaufbau-Plattform lanciert. Über diesen Online-Dienst mussten Betroffene bis Ende Februar Anträge stellen für Wiederaufbauhilfe für Wohnraum .

Faktoje.al stellte fest , dass die Online-Plattform zumindest in der letzten Februarwoche nur über Regierungsaktivitäten informierte, aber keine Hinweise zu Verfahren oder Prozessen bot. Die Regierung behauptete, dass sich mehr als 21’800 Personen bis zum 26. Februar für das Unterstützungsprogramm angemeldet hätten.

Recherchen von Exit News ergaben, dass das Wiederaufbauprogramm mit der Absicht verknüpft ist, neue Baustellen zu eröffnen. Dies wird aber dadurch verschleiert, dass die Regierung das Programm auf »obligatorische Entwicklungsvorgaben« mit Plänen und »obligatorische Gliederungen« abstützt.

Nachdem das Gesetz über die Baukontrolle angepasst sowie Regulierungsvorschriften und ein Erlass veröffentlich worden waren, hat die Regierung 25 Zonen in Tirana, Vora, Shijak, Durrës, Kavaja, Kruja, Kurbin und Lezha bestimmt, die für den Aufbau genutzt werden müssen. Die Entwicklungspläne sollen bis Mitte März bewilligt sein.

Zusätzlich zum Wohnbauprogramm werden auch neue öffentliche Gebäude geplant. Die Bashkia Tirana hat € 415’000 gesprochen, um 22 Schulgebäude, Sozialzentren und Wohnheime zu überprüfen .

In der Folge wurde entschieden, dass 13 Schulen neu gebaut werden müssen. Einige Studentenwohnheime und das Landwirtschaftsinstitut waren eingestürzt. Die Bashkia vermischte das Wiederaufbauprojekt für die Studentenwohnheime mit den Plänen für einen neuen Campus. Dass dafür neue Konzessionen vergeben wurden, löste Kritik aus.

Keine einzige Verurteilung wegen Baumängel

Am 14. Dezember hat die Staatsanwaltschaft von Durrës 18 Haftbefehle erlassen, worauf neun Personen verhaftet wurden. Auch der ehemalige Bürgermeister von Rrashbull, Hysen Gashi, gehörte dazu. Der Staatsanwalt erklärte, dass wegen Verletzungen von Baubestimmungen beim Erdbeben mehrere Gebäude eingestürzt und dadurch mehrere Personen ums Leben gekommen seien.

Zwei Monate später hat das Gericht von Durrës acht dieser Verfahren eingestellt .

Am 15. Januar hat die Staatsanwaltschaft von Tirana 40 Haftbefehle erlassen , worauf 31 Personen festgenommen wurden. Unter den Verhafteten sind die Bürgermeister der beiden ehemaligen Gemeinden Kashar und Farka. Der Staatsanwalt erklärte , dass diese Personen verantwortlich seien für Schäden bei 25 Behörden, 134 Wohnblöcken und über 100 Privathäusern.

Einige Wochen später sprach das Gericht von Tirana 24 der Angeklagten frei.

Am 30. Januar wurden der Bürgermeister von Tirana Erion Veliaj, der Bürgermeister von Kruja Artur Bush, Bildungsminister Besa Shahinim, die ehemaligen Bürgermeister von Durrës Vangjush Dako und Valbona Sako von der Opposition angeklagt . Ihnen wird fahrlässige Tötung, Amtsmissbrauch, Ungleichbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen und Korruption vorgeworfen.

Bezüglich der erhobenen Vorwürfe wurden seither aber keine Abklärungen getroffen.