Mitte Dezember veröffentlichte Dick Marty einen Bericht über den angeblichen Organhandel der UÇK. Albanische Politiker versuchten zuerst, Marty zu drohen und ihn lächerlich zu machen. Allmählich schwenken sie auf eine europatauglichere Linie um.
Im Auftrag des Europarats untersuchte der Tessiner Ständerat Dick Marty die von seiner ehemaligen Kollegin Carla del Ponte geäusserten Vorwürfe, die UÇK habe in Albanien serbischen Gefangenen Organe entnommen und diese auf dem internationalen Schwarzmarkt verkauft. Mitte Dezember veröffentlichte Marty seinen Bericht, in dem er erläutert, über Indizien zu verfügen, die diese Vorwürfe bestätigen und unter anderem auch den kosovarischen Premierminister Hashim Thaçi belasten.
Grosse Empörung
Wie zu erwarten, wiesen Politiker in Albanien und Kosovo alles als unwahr zurück. Der albanische Präsident Bamir Topi sprach von »Tratsch« und »Phantastereien«. Der Bericht bedrohe die gewonnene Stabilität auf dem Balkan. Die Diskussion verlor schnell an Sachlichkeit: Es war zu lesen, dass Thaçi Klage einreichen wollte gegen Dick Marty. Und Jozefina Topalli, Vorsitzende des albanischen Parlaments, stellte Martys Geisteszustand öffentlich in Frage.
Del Pontes Dracula-Märchen
Während Carla del Pontes Vorwürfe für Ortskundige kaum glaubhaft waren, ist Martys Version jedoch schon einiges wahrscheinlicher. Del Ponte nannte als Tatort, wo die Organe entnommen worden sein sollen, das sogenannte »Gelbe Haus« in Rripa. Dass ein einfaches Bauernhaus in einem entlegenen Bergdorf in Mat, wo Strom und vermutlich auch fliessend Wasser eher die Ausnahme sind und wo es keine richtige Strassenanbindung gibt, als Klinik für sensible Operationen gedient haben soll, mag nicht einleuchtenund ist auch durch vermeintliche Blutspritzer, einzelne Spritzen in der Müllhalde und frische Farbe an der Fassade nicht erklärbar – schon gar nicht, wenn man die stundenlange Wegfahrt über holprige Strässchen zum Flughafen Tirana selber erlebt hat. Auch angesichts des Stands der medizinischen Versorgung in Albanien hörte sich dies mehr nach einem balkanesischen Dracula-Märchen an als nach wahren Geschehnissen.
»Gelbes Haus« jetzt in Fushë-Kruja
Marty fügte dieser Geschichte aber das fehlende Puzzlestück hinzu, das diese wieder in den Bereich des Möglichen rückt. Die »Klinik«, in der den Getöteten die Organe entnommen worden seien, habe sich in der Nähe von Fushë-Kruja befunden – und damit in der Nähe des Flughafens. Das »Gelbe Haus« im abgeschiedenen Rripa sei nur eine Zwischenstation gewesen, von wo aus geeignete, möglichst gesunde »Kandidaten« für eine Organentnahme in die Nähe des Operationstisches gebracht wurden.
Auch die anderen gegen die UÇK erhobenen Vorwürfe – teils auf dem Gebiet von Albanien begangene Verbrechen – sind nicht unglaubhaft.
Ausstehende Untersuchung
Ob diese Vorwürfe wirklich wahr sind und die vorhandenen Hinweise für eine Verurteilung ausreichen, mag nicht einmal Dick Marty zu entscheiden. Er fordert aber, dass die zuständigen Behörden diese Vorwürfe endlich untersuchen – was bisher sträflicherweise unterlassen worden sei.
Allmähliche Kooperation
Zwischenzeitlich haben auch Politiker in Tirana und Prishtina begriffen, dass sie sich mit ihrem zähnefletschenden Verhalten im restlichen Europa keine Sympathien holen, dass dort die aus der Heimat gewohnte Taktik der Desavouierung des Feindes nicht funktioniert.
Vor wenigen Tagen hat Tirana nun doch noch erklärt, internationale Ermittler ins Land zu lasen und bei ihren Untersuchungen und Klärungen der Vorwürfe unterstützen zu wollen. Auch Thaçi fordert zwischenzeitlich eine unabhängige Klärung der Vorwürfe.
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