In drei Wochen wird Albanien ein neues Parlament gewählt haben. Der Wahlkampf verläuft nicht immer ruhig und der amerikanische Botschafter zeigte sich beunruhigt über den fairen Verlauf.
Das korrekte Erstellen der Wählerregister war seit vielen Jahren ein Problem in Albanien. Erstmals wird bei den Parlamentswahlen vom 28. Juni nur zur Wahl zugelassen, wer über einen Reisepass oder eine Identitätskarte verfügt. Die Opposition beklagt, dass zu viele Wähler noch keine Ausweisdokumente erhalten hätten. Die Regierung erklärt, dass alles nach Plan verlaufe. Der amerikanische Botschafter äusserte Bedenken: Er wisse zwar nicht, wie gravierend das Problem wirklich sei, aber es gäbe noch immer sehr viele Leute ohne Papiere und die Zeit würde allmählich knapp. Gerade in ländlichen Gebieten sei das ein Problem. Viele Albaner würden noch auf ihre Identitätskarten warten oder hätten sie noch gar nicht beantragt. Für Botschafter John Withers ist klar, dass für freie und faire Wahlen unabdingbar ist, dass niemand, der wählen möchte, daran gehindert wird.
Im Dezember letzten Jahres hatte die Ausgabe der Identitätskarten begonnen. Mitte April verfügten gemäss Regierungsangaben noch mehr als 700.000 Wähler über keine Dokumente. Es wurde auch beklagt, dass sich viele die fast 10 € teuren Ausweise nicht leisten könnten. Nach anfänglichen Vorwürfen wurden deswegen vergünstigte Tarife für Arbeitslose, Studenten und Pensionäre eingeführt.
Auf dem Weg in Richtung EU?
Für Albanien und die Regierung von Sali Berisha, die Ende April das Beitrittsgesuch für die EU eingereicht hatten, sind diese Wahlen ein grosser Test. Wenn nicht alles reibungslos verläuft, hat das Neu-NATO-Mitglied Albanien keine Chancen auf eine schnelle Fortsetzung der »euro-atlantischen Integration«, wie die Annäherung an die westlichen Institutionen in Tirana genannt wird. Dies hatte die EU schon letzten Monat deutlich zum Ausdruck gebracht. Neben der rechtzeitigen Verteilung von Identitätskarten forderte Brüssel vor allem auch die bedingungslose Zusammenarbeit mit den Wahlbeobachtern.
Von der Vergangenheit eingeholt
Denn auch mit den eingeladenen Wahlbeobachtern der OSZE bekundete die Regierung ihre Mühen. Berisha missbilligte die Leiterin der OSZE-Beobachter-Mission, Audrey Glover. Die britische Botschafterin Glover war bereits bei den Wahlen von 1996 Leiterin der OSZE-Mission, berichtete von ernstzunehmenden Unrechtmässigkeiten bis hin zu Wahlfälschungen und forderte die Wiederholung der Wahl. Berisha – damals Präsident und mächtigster Mann des Landes – wies die Vorwürfe zurück und erklärte das Endresultat als gültig. Seine Partei verfügte fortan über 122 der 140 Sitze im Parlament, das von der Opposition boykotiert wurde.
Der neue, gewandelte Berisha verstummte aber schnell. Die europäischen Institutionen machten klar, dass sie seinen Vorwurf nicht gelten lassen würde, Glover hätte nicht genügend Realitätssinn. Man erinnerte Berisha an sein Versprechen, freie Wahlen durchzuführen. Dazu gehöre, die Beobachter nicht selber auszuwählen. Die Zentrale Wahlkommission akkreditierte in der Folge die OSZE-Beobachter.
Time for »Change«?
26 Parteien werden am 28 Juni um Wählerstimmen buhlen. Diese haben sich in vier Koalitionen vereint. Die regierende Demokratische Partei führt eine Koalition von zehn Parteien unter dem paradoxen Namen »Allianz für Wandel« an. Auch die grosse oppositionelle Koalition unter Führung der Sozialistischen Partei greift auf Obamas Wahlkampfmotto zurück und bezeichnet sich als »Union für Wandel«.
Zum Wandel erklärt hat sich die Partei Union für Menschenrechte, die sich als Vertretung insbesondere der griechischen Minderheit sieht. Sie wechselte von der Regierungskoalition zur Opposition. Dies hatte auch den Rücktritt des griechischstämmigen Arbeitsministers Anastas Duro zur Folge, der nach dem Austritt seiner Partei aus der Regierungskoalition nicht mehr der Regierung angehören wollte. Er wurde ersetzt durch den stellvertretenden Minister für Recht, Viktor Gumi.
Kopf an Kopf
Der Ausgang der Wahlen bleibt nach wie vor spannend. Die regierende Demokratische Partei hat in Umfragen die Sozialisten überholt. Sali Berisha hat sich in den letzten Wochen auch an unzähligen Einweihungs- und Eröffnungsfeierlichkeiten für seine Partei stark gemacht – damit soll den Wählern gezeigt werden, was die Regierung in der letzten Amtsperiode geleistet hat. Besonders Strassenbauprojekte wurden in den letzten Monaten stark vorangetrieben. Als Wahlkampfrhetorik wurde auch der Zeitpunkt zur Einreichung des EU-Beitrittsgesuchs bezeichnet. Viele Beobachter meinten, es wäre besser gewesen, Tirana hätte damit bis nach der erfolgreichen Durchführung der Wahlen gewartet.
Die neue Protestpartei »G99« wird auf das Endresultat kaum gross Einfluss haben. Die aus der Jugendprotestbewegung »Mjaft!« hervorgegangene Partei, die erstmals an Wahlen teilnimmt, erreichte in den Umfragen trotz vieler politischer Erfolge ihrer Gründer in den letzten Jahren keine nennenswerte Stimmenanteile.
(div)