Osteuropa leidet fest unter der Wirtschaftskrise. Nur in Albanien scheint die Krise – bis jetzt – nicht ganz angekommen zu sein.
Während die Deponierung des Beitrittsgesuchs Albaniens für die Europäische Union letzte Woche in Prag viel internationale Medienaufmerksamkeit generierte, wurden die wirklich guten News kaum wahrgenommen: Albanien leidet noch kaum unter der weltweiten Wirtschaftskrise.
Umstrittenes Wirtschaftswachstum
Zwar gingen die Exporte zurück, die Überweisungen von Albanern aus dem Ausland nahmen ab und auch der Lek hat etwas eingebüsst, aber Albanien ist noch weit von einer Rezession entfernt. Wie stark die Wirtschaft zur Zeit noch wachst, ist aber nicht klar. Diesen Sommer sind Parlamentswahlen, und da ist auch der Anstieg des Bruttoinlandprodukts umstritten. Die Regierung spricht von einem Wachstum von 6 % für dieses Jahr. Der Internationale Währungsfonds meint, dass 0-1 % realistischer seien.
Wahlgeschenke
Die internationalen Experten haben der Regierung auch empfohlen, die Ausgaben zu kürzen. Berishas Regierung möchte hingegen die Löhne der Staatsangestellten und die Renten erhöhen – ein bedeutendes Geschenk an die Wählerschaft. So will man den Konsum ankurbeln. Das Budget sei unter Kontrolle und man könne durch die weltweite Wirtschaftskrise entstandene Löcher anderweitig stopfen, erklärte Finanzminister Ridvan Bode.
Als Wahlpropaganda Berishas gilt auch das Beitrittsgesuch bei der EU: Wie die schönen oder geschönten Zahlen aus der Wirtschaft versucht der Ministerpräsident hiermit, die Wähler von den Erfolgen seiner Amtszeit zu überzeugen. Für die europäische Integration wird aber weniger das Hinterlegen des Gesuchs von Bedeutung sein als die problemlose Durchführung der Wahlen nach demokratischen Standards.
Armut geht zurück
Albaniens Bruttoinlandprodukt ist in den letzten elf Jahren im Schnitt um über 7 % gewachsen. Davon profitieren auch die Ärmsten, wie eine soeben erschienene Studie der Weltbank, der UNO und des albanischen Statistik-Amts Instat aufzeigt. Während 2002 noch ein Viertel der Albaner als arm galt, also weniger als 37,5 € pro Monat zur Verfügung hatte, waren es 2008 nur noch 12,4 % – wobei die Armutsgrenze inzwischen auf 44 € (5722 Lek) angehoben wurde.
Wenig Wirtschaft – wenig Krise
Die extreme Armut Albaniens galt lange als Ursache für das hohe Wirtschaftswachstum: Von einem gewissen Punkt an geht es nur noch aufwärts. Strukturdefizite der albanischen Wirtschaft dürften auch ein Grund sein, weshalb das Land die globale Wirtschaftskrise weniger direkt zu spüren kriegt. Die einst isolierte und fast autarke kommunistische Volksrepublik ist noch immer nicht Teil der Weltwirtschaft geworden. Es wird wenig exportiert und ausländische Investoren sind rar. Auch einen richtigen Finanzmarkt, der mit anderen Staaten und der weltweiten Finanzwirtschaft verknüpft wäre, gibt es im Balkanstaat noch nicht.
(Reuters, Balkaninsight)