Das Dilemma der politischen Stabilität und der politischen Blockade in Albanien aus der Sicht eines Politologen.
Zu den Elementen der Demokratie gehören unter anderem der politische Pluralismus, die Meinungsfreiheit, die politische Opposition und freie demokratische Wahlen. Durch diese Wahlen soll unter anderem die Opposition die Möglichkeit erhalten, Regierungspartei zu werden. Auf die andere Seite besteht die gute Arbeit einer Opposition nicht darin, Regierungsreformen zu verhindern und politische Blockade zu schaffen. Auch die Desinformation der Bevölkerung, die Polarisierung durch populistische Stellungnahmen und die Boykottpolitik gehören nicht zu den Eigenschaften einer guten oppositionellen Arbeit. Eine ernstzunehmende konstruktive Opposition soll vor allem eine politische Alternative darstellen und sich an die Regeln der Demokratie halten. Sie soll wachsam bleiben was den Verfassungsschutz betrifft und die Gesellschaft über Fehlentscheidungen, Verfassungsverstösse, Menschenrechtsverletzungen und Verschwendung der Steuergelder und ähnliche Inhalte informieren und mobilisieren. Sie soll sich fern von revolutionäre Parolen und destabilisierende Volksverhetzungskampagnen halten. Der Massstab des politischen Handelns sowohl der Regierung als auch der Opposition soll die Verfassung und das Gemeinwohl sein und nicht die eigene politische Machtbesessenheiten.
Dieses bündige Demokratieverständnis ist die beste Botschaft für die politische Führung Albaniens heute über fünfzehn Jahren nach dem Beginn des Transformationsprozesses. Die zwei grössten Parteien Albaniens, die rechte Demokratische Partei (PD) und die linke Sozialistische Partei (PS) polarisieren die albanische Gesellschaft dermassen, dass bei den Parlamentswahlen allein auf diese zwei politische Parteien über 70% der Stimmen fallen.
Man könnte fast meinen, dass dies gar nicht so schlecht ist, weil man daran die Tendenz der Entwicklung zum Zweiparteiensystem erkennen könnte. Das ist aber nicht der Fall: In Realität orientieren sich diese Parteien allein auf die Machtergreifung und tun sich sehr schwer, eine Wahlniederlage zu akzeptieren.
Während die PS von Jahr 1997 bis Jahr 2005 die Regierung bildete, ergriff die PD jedes politisches und nicht politisches Mittel um das Land zur frühzeitige Neuwahlen zu führen, allerdings ohne Erfolg. In dieser Periode aber machte diese Partei einen Wandel sowohl programmatisch als auch strukturell durch. Sie wurde bürgernah und orientierte sich zur Öffnung und Liberalisierung der Partei und ihrer Struktur. Die PS dagegen verpasste während der Regierungszeit die Chance, leicht zu feiernde Erfolge in Albanien für sich zu buchen. Ganz im Gegenteil: die acht Jahre der linken Regierung waren durch Aufbau eines korrupten Netzwerkes gezeichnet, dass als ein Parallelstaat fungierte. Ausserdem führten die Informalität und die Demontierung der Autorität der staatlichen Institutionen zum Schwinden der Bedeutung Albaniens in der Region. Die Zulassung und Unterstützung der nepotistischen Besetzung der Ämter führte zur Implikation von hohen Politikern in Finanzskandalen und zu einem unkontrollierbaren Verwaltungsapparat.
Mit dem Wahlsieg der PD im Jahr 2005 wurde das Ende dieser negativen Entwicklungen signalisiert, wobei die neuen Reformen nicht von allen Bevölkerungskreisen glücklich erwartet wurden. Seit dem Jahr 2005, als die PD zusammen mit einer breiten Koalition die Regierung bildete, strebt die PS nur danach, die Regierungszeit zu verkürzen. Sie versucht die Regierungsarbeit durch nichtdemokratische Mitteln zu verhindern und die Reformen, welche durch die EU im Rahmen der ASP (MSA) formuliert wurden, als schlecht und gesellschaftsfeindlich darzustellen. Die oberste PS-Führung dürfte Angst haben, dass die Regierung der PD grosse wirtschaftliche und politische Erfolge erzielen könnte und dadurch ein zweites Regierungsmandat gewinnen würde. Ein anderer Grund ist der Kampf der aktuellen Regierung gegen die Korruption und Informalität, welche zur Gefährdung der Finanzquellen von bestimmten Politikern der PS führen könnte.
In einer parlamentarischen Demokratie kommt es zu frühzeitigen Neuwahlen, wenn der Regierung die Legitimität fehlt. Für diesen Fall ist in der Verfassung die Möglichkeit des Misstrauensvotums vorgesehen. Es ist äusserst wichtig, dass der politische Wille der Bevölkerung die Chance bekommt, verwirklicht zu werden. Ausserdem kann die hohe Unzufriedenheit der Bevölkerung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten, zum Regierungswechsel oder zu Neuwahlen führen.
Die aktuelle Lage in Albanien sieht so aus, dass die Regierung in ihrer Arbeit durch die parlamentarische Mehrheit legitimiert wird. Auch die politische Stimmung in der Bevölkerung ist stabil und reformfreundlich. Solange der Wunsch des Volkes in Einklang mit der Regierungsarbeit steht, ist der Ruf nach frühzeitigen Neuwahlen nur ein destabilisierender Automatismus. Er ist unbegründet und würde die ohnehin fragile wirtschaftliche und politische Entwicklung Albaniens stark beschädigen.
Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der politischen Klasse Albaniens sollten zur Demokratisierung des Landes führen und nicht zur Bildung von verfeindeten politischen Fronten. Die Regierungspartei hat dafür zu sorgen, dass die gegebenen Wahlversprechungen gehalten, die Opposition wachsam bleibt, dass die Verfassung der Massstab des politischen Handels aller Kräfte ist. Ausserdem soll die Opposition die Gesellschaft über die Brisanz und die Entwicklung der akuten Probleme des Landes aufklären.
Solange diese zwei Parteien ihre politischen Interessen über die Regeln der Demokratie und über die Verfassung setzen und sich nicht bereit erklären diese Interessen den Interessen des Landes unterzuordnen, wird es in Albanien keine Aussicht von Stabilität und Konsolidierung geben.
Ergys Metalija,
Student der Politikwissenschaft an der Uni Regensburg