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Menschenrechte in Albanien Seit Frühling 93 verfügt Albanien über ein modernes Gesetz über Grundfreiheiten und Menschenrechte, welches gemäss Expertenurteil den Vergleich mit internationalen Standards nicht zu scheuen braucht. Wie sieht nun aber die konkrete Menschenrechtssituation aus?
Stand der Gesetzgebung Das Fehlen einer formellen Verfassung ist für Albanien auch im Zusammenhang mit der erstrebten Vollmitgliedschaft im Europarat von Bedeutung. Während westliche Regierungen dazu neigen, die Annahme des Antrages an den Erlass einer formellen Verfassung zu knüpfen, um dadurch mehr Druck auf die albanische Regierung ausüben zu können, neigen die Oppositionskräfte zum Argument, erst durch die Vollmitgliedschaft Albaniens hätte der Europarat auch tatsächlich das Recht und die Kraft, Bedingungen zu stellen und auch durchzusetzen. Ein anderes Grundproblem ist die fehlende Kodifikation des geltenden Straf- und Strafprozessrechts. Wohl wurde das aus der kommunistischen Zeit stammende Strafrecht verschiedentlich revidiert, doch führt dies eher zu einer mehr und mehr um sich greifenden Rechtsunsicherheit. Auch sind aus Mangel an ausgebildeten jungen Juristen noch immer die alten Polizeikräfte, Richter und Staatsanwälte im Amt, oder es wurden Studenten einer Kurzausbildung von sechs Monaten unterzogen - mit wenig überzeugendem Resultat, wie es aus Kreisen des Kassationsgerichtshofes heisst. An der Universität werden zudem noch heute die kommunistischen Lehrinhalte vermittelt, ebenfalls in Ermangelung neuer Lehrkräfte und zum Teil auch guter Lehrbücher.
Die Rolle der Gerichte So wurde der ehemalige Generalstaatsanwalt Maksim Haxhia zu einer Befragung durch das Parlament beordert, nachdem er sich öffentlich für die Unabhängigkeit der Gerichte ausgesprochen hatte - mit dem Ergebnis, dass er allein durch die Stimmengewalt der Demokraten, welche im Parlament über die erforderliche Stimmenanzahl verfügen, seines Postens enthoben werden konnte. Als der auf ihn folgende Generalstaatsanwalt durch die sozialistischen Parlamentarier zu einer Befragung durch das Parlament bezüglich des äusserst umstrittenen »Falles Nano« aufgerufen wurde, hielt er das Parlament während fünf Monaten hin mit der Begründung, dieses sei nicht berechtigt, seine richterliche Tätigkeit zu beurteilen! Er erschien erst, vor dem Parlament als
In verschiedenen Fällen wurde bekannt, dass den Angeklagten ihr Recht zur Akteneinsicht verwehrt wurde, womit sich eine erfolgversprechende Verteidigung sehr erschwert. Richter wurden mit ihrer Entlassung bedroht, wenn sie in bestimmten Fällen nicht in der erwarteten Weise entscheiden würden. Im September 1993 wurden vierzehn Staatsanwälte entlassen, einige davon aus politischen Gründen, wie es heisst. Als das Parlament ein Gesetz verabschiedete, welches 92 aus kommunistischen Zeiten bekannten Anwälten das Recht zur Ausübung ihres Berufes entzogen hätte, erklärte der Verfassungsgerichtshof den Erlass als verfassungswidrig und damit als ungültig. Alle diese Beispiele, sowie die Tatsache, dass die Löhne der Justizbeamten sehr niedrig sind, wirken auf deren Korrumpierungsbereitschaft anregend...
Menschenrechtssituation konkret Auch Albanien hat sich durch sein Menschenrechtsgesetz diesen Werten grundsätzlich verpflichtet. Trotzdem tauchen vermehrt Klagen über dessen Verletzungen auf.
Persönliche Freiheit und Versammlungsfreiheit Immer wieder beklagen sich Mitglieder der Sozialistischen Partei - der grössten Oppositionspartei Albaniens - über Behinderungen durch die Polizei, bei Wahlveranstaltungen oder Versammlungen. Sei es, dass den Interessierten der Zutritt zu den Vereinslokalen verwehrt wird, sei es, dass Demonstrationen, für welche Bewilligungen vorliegen, im letzten Moment doch noch von der Polizei verhindert werden, oder, dass auf vielfach wiederholte Bewilligungsansuchen erst gar keine Antwort erfolgt. Ebenso ist es vorgekommen, dass Mitglieder der Opposition auf Reisen, die sie in die verschiedenen Distrikte des Landes vornehmen wollten, durch die Polizei festgehalten wurden. Im Parlament wurde die Diskussion um die Neuverteilung von offenen Mandaten unter den Oppositionsbewegungen kurzerhand von Sitzung zu Sitzung vertagt - womit den Oppositionskräften die Stimmgewalt genommen wurde. Auch willkürliche Verhaftungen von Oppositionsmitgliedern und deren Familienangehörigen sind keine Seltenheit. Abhören oder Unterbrechen von Telefonlinien durch den Secret Service, Absetzen von Regierungsmitgliedern, die sich öffentlich gegen das Vorgehen der Polizei aussprachen, sowie ohne richterliche Verfügung vorgenommene Hausdurchsuchungen - unter dem Vorwand, man suche nach illegalen Waffenbesitzern - erweitern die Liste der Verletzungen von Freiheitsrechten.
Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit
Ebenso mussten auch der Chefredakteur des Parteiorgans der Sozialisten »Zeri i Popullit« (Stimme des Volkes) und dessen Familienangehörige (!) sowie selbst ausländische Journalisten behördliche Einschüchterungsversuche erdulden, unter anderem den Verlust des Arbeitsplatzes, wiederholte Inhaftierungen, und im Falle eines Journalisten des »Corriere della Sera« auch Misshandlungen durch die Polizei. Zu diesen Angaben ist es unerlässlich, einige Hintergründe zur albanischen Presselandschaft zu kennen. So hat sich das öffentliche Leben Albaniens einer starken Politisierung verschrieben. Die Presse bietet dabei den Rahmen, innerhalb welchem die Machtkämpfe der verschiedenen Gruppierungen ausgetragen werden. In den Zeitungen werden daher nicht in erster Linie Sachfragen erörtert, wie etwa, welche Reformen für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft gewinnbringend wären, sondern vor allem Polemiken gegen Regierungsvertreter und ihre gesellschaftlichen Stützen geführt. Andererseits ist zu beachten, dass nach wie vor die Informationspolitik der Regierung mangelhaft ist, womit ein idealer Nährboden für Verdächtigungen und Polemiken geschaffen wird. Auf diesem Hintergrund ist das am 11. Oktober 1993 verabschiedete Pressegesetz zu beurteilen. Darin werden den Strafverfolgungsbehörden äusserst weit gefasste Bestimmungen bezüglich der Konfiskation von Druckerzeugnissen zugestanden. Die darin vorgesehenen Bussen von umgerechnet zwischen 1000-8000 US$ können für ein albanischen Unternehmen ohne weiteres den Ruin bedeuten.
Abschliessende Beurteilung Allerdings bleibt auch weiterhin viel zu tun, und die Frage, ob der begonnene Weg beibehalten wird, beschäftigt viele europäische Regierungen vor allem im Zusammenhang mit der Beantwortung des albanischen Gesuches um eine Vollmitgliedschaft im Europarat. Zudem muss bei einer Beurteilung Albaniens nicht nur dessen Ausgangslage berücksichtigt werden, sondern es darf die Tatsache nicht vergessen werden, dass auch in vielen westlichen Ländern immer wieder einzelne ungeahndete Übergriffe auf Menschenrechte vorkommen... Christiane Tureczek, Verein Jusstudentinnen und -studenten für Albanien - Probeabonnements |
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