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Berichte
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Nicht akzeptierte Hilfe Wie ein lang geplantes Projekt auf überraschende Probleme gestossen und beinahe gescheitert ist Sechs Wochen vor der Abreise schrieben wir verschiedene Firmen in Luzern an, unter andrem Migros, Coop, Jelmoli. Unterstützt wurden wir durch Schoppenflaschen, Nuggi und Kinderzahnbürsteli von Coop. Von Trisa in Triengen erhielten wir tausende von Zahnbürsten. Von Gaba in Therwil Zahnpasta. Auffallend erschien uns, dass wir Schweizer sehr viele Reinigungssachen nach Albanien bringen würden. Von Patienten erhielten wir aufgrund eines Anschlages in der Praxis für Homöopathie von Patricia Rüesch hunderte Kilo von Kinderkleidern und Spielsachen. Von Cosano erhielten wir medizinische Güter und kauften ergänzungsweise einige tausend Nadeln zu den gratis erhaltenen Blutuntersuchungsröhrchen. Der Kellerraum in unserem Mietshaus wurde immer voller und wir zweifelten daran, ob wir alles in die zwei Autos (Renault Master und ein Mercedes Camper) laden können. Wir hatten aber Glück und konnten die riesen Berge an Material verstauen. Auf der Waage der Landwirtschaftlichen Genossenschaft in Horw kontrollierten wir, ob wir das erlaubte Gewicht nicht überschritten hatten. Den Renault Master liessen wir am Tag der Abfahrt von einer Speditionsfirma plombieren, um am Zoll in Italien keine Zeit zu verlieren. Wir hatten uns für die Route Luzern-Otranto-Vlora-Tirana entschieden, weil der Fährweg von Otranto aus der kürzeste und billigste ist. Auf keinen Fall wollten wir - wie letztes Jahr - die Adriatica von Bari nach Durrës nehmen. Es handelt sich bei diesem Fährunternehmen um eine totale Abrissfirma mit sehr schlechtem Service (missachtet den Fahrplan um mehrere Stunden, für hunderte von Passagieren, die keine Kabine mieten sind nur zwei Toiletten vorhanden etc.) Von der albanischen Botschaft in Bern liessen wir uns ein Schreiben mitgeben, das bestätigte, dass wir Hilfsgüter nach Albanien bringen und somit von der Visazahlung von 25 $ befreit wurden. Die Gemeinde Horw, die den ganzen Transport, verbunden mit der Suche einer Partnergemeinde in Albanien, finanziert, gab uns einen offiziellen Brief mit (italienisch geschrieben), um die Autobahnzahlposten gratis passieren zu können. Die Reises von Luzern nach Otranto dauerte mit kaum einer Pause 20 Stunden. Von Lecce an hat es keine Autobahn mehr und wir brauchten für diese Strecke sehr viel Zeit wegen den schlechten Strassen. Die Zollformalitäten im Hafen waren etwas mühsam. Es schien mir, dass keiner der Beamten sich mit unsern Formalitäten beschäftigen wollte, und so einer dem andern die Arbeit zuschob. Die Überfahrt dauerte vier Stunden, die wir zum Nachschlafen benützten. Die Visagebühr wurde uns aufgrund des Briefes der Botschaft erlassen. In Vlora erwarteten uns albanische Freunde, die einen höherrangigen Uniformierten mitbrachten, um uns schnell durch den Zoll schleusen zu können. Wir hätten dort sonst sicher Stunden verbracht. Von Vlora fuhren wir gegen Abend nach Tirana. Nach dem Einnachten war die Fahrt sehr gefährlich, weil kein Fuhrwerk, Fussgänger oder Fahrrad ein Licht hat. Strassenbeleuchtung hatte es selbst in den Dörfern nicht. Zum Glück hatten wir Freunde in Tirana, die uns auch nach Mitternacht noch ihre Gastfreundschaft anboten. Die nächsten drei Tage verbrachten wir vor dem Zollbüro am Stadtrand von Tirana, an der prallen Sonne. Der Renault war immer noch plombiert und wir benötigten vom Zoll einen Stempel, um den Wagen zu öffnen. Also fuhren wir zurück zum Spital, wo uns zwei Ärzte das nötige Schreiben machten. Da es jedoch nur einen Stempel des Spitalzentrums, nicht aber der Kinderabteilung gibt, erhielten wir die Erlaubnis nicht, den Wagen zu öffnen und abzuladen. Hin und her von Zollamt zu Spital, alle Bemühungen umsonst. Am dritten Tag gingen wir mit den zwei Ärzten zum Spital, wo der Wagen erst gar nicht eingelassen wurde. Als wir dann dennoch eintreten durften, meinte der Direktor des Spitals, dass wir mit dem ganzen »Mist« verschwinden sollen, er wolle davon nichts wissen (Wert etwa 10'000 Franken). Selbst als der eine Arzt sagte, er selbst übernehme die Verantwortung für die ganze Ware, wollte der Direktor nicht darauf eingehen. Die Ärzte und wir waren so entäuscht, dass unsere Bemühungen (Sammeln in der Schweiz, Tage- und Nächtelange Fahrt nach Albanien, 3 Tage am Zoll) zurückgewiesen wurden, dass wir alle weinten. Am Abend hatte einer der Ärzte die Idee, morgen die Güter der beiden Autos ohne Stempel des Zolls im Spital für unterernährte Kinder abzuladen. Wir waren froh, eine Lösung gefunden zu haben, denn wir fürchteten darum, dass die medizinischen Güter an der prallen Sonne ev. bereits schon Schaden genommen hatten. Am anderen morgen luden wir nach Absprache mit der Direktorin die beiden Wagen im Spital ab. Nach fünf Minuten waren die Autos von Menschen des Quartiers umringt, die alle auch etwas nötig hatten. Wir waren in einem grossen Stress, weil wir fürchteten, die Leute würden die Autos stürmen. Etwas später besuchten wir das Spital und machten Fotos. Wir waren sehr erschüttert, all die abgemagerten, stumm in ihren rostigen Bettchen liegenden Säuglinge und bis drei Jahre alten Kinder sehen zu müssen. Bei einigen hatten wir den Eindruck, dass sie im Sterben lagen. Patricia arbeitete die Woche darauf in diesem Spital. Sie war sehr erstaunt, dass die Kinder auch nach Tagen noch keine von unseren Kleidern trugen. Nach mehrmaligem Anfragen musste die Direktorin zugeben, dass sie unfähig war, zu verhindern, dass die meisten Hilfsgüter von den Mitarbeiterinnen gestohlen wurden. Wir hoffen nun, dass die Diebe auch zu den Bedürftigen gehören und die Sachen nicht auf dem Schwarzmarkt teuer verkauft wurden. Auf Grund unserer Erfahrungen werden wir eine eventuell nächste privat organisierte Hilfssendung nicht mehr beim Zoll zeigen. Wir werden auch nicht mehr in grossen Mengen Ware an einem Ort abladen, sondern Listen der bedürftigsten Familien machen (mit Hilfe albanischer Freunde) und direkt passende Kleidungsstücke an diese Familien abgeben. Hilfssendungen für Institutionen machen den Verantwortlichen nicht nur Freude, sondern sie belasten sie sehr, weil die Verteilung und Überwachung der Güter fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dazu kommt wahrscheinlich auch eine gewisse Skepsis den Hilfsgütern gegenüber, denn Europa benutzte Osteuropa als Giftmülldeponie oder ganz allgemein als Entsorgungsort. Was wir nicht mehr so recht brauchen können, kommt nach Osteuropa. Urs Ulrich, Gemeinde Horw - Probeabonnements |
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