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Partner für Gjirokastër
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Fortsetzung der Hilfe Zwei weitere Transporte der »Partner für Gjirokastër« von der Kantonsschule Enge in Zürich Die Organisation »Partner für Gjirokastër« (PfG) an der Kantonsschule Enge in Zürich hat sich von einer Solidaritätsgruppe zu einem Verein weiterentwickelt und bleibt in Albanien aktiv. Für den April 1997 war ein Materialtransport geplant. Dass er nicht stattfinden konnte, war dann aber ebenso klar, wie der Entschluss der Schülerinnen und Schüler, so bald als möglich die Unterstützung fortzusetzen. Als sich die Situation im Oktober einigermassen beruhigt hatte, besuchten zwei Vertreter des Vereins Lezhë und Gjirokastër. Sie hatten gehofft, im Dezember einen Transport durchführen zu können, doch die häufigen nächtlichen Schiessereien in Gjirokastër überzeugten sie davon, bis in den Februar zu warten. Vier Mädchen der Kantonnschule Enge und des Liceo Artistico wagten schliesslich zusammen mit zwei Erwachsenen im Februar die Reise, um etwa 15 Tonnen Material zu verteilen. Da die PfG sich schon seit einiger Zeit von einer einzelnen Schulpartnerschaft getrennt hatte, ging es darum, möglichst viele Schulen und andere Institutionen im ganzen Distrikt Gjirokastër zu versorgen. Dabei galt das Hauptaugenmerk aber weiterhin der Hauptstadt der Region. Die Schulen wurden mit Schreibmaschinen, Papier, Kreide und ähnlichem beliefert. Einzelne Institutionen wie das Altersheim, Kinderhorte oder Internate bekamen auch Nahrungsmittel. Darüber hinaus wurden an das Personal vieler Institutionen Kleider verteilt. Die Woche verlief zwar sehr ruhig, die Verteilung gestaltete sich dennoch äusserst schwierig, da der Süden Albaniens während der ganzen Zeit unter schweren Regenfällen litt. Die steilen Strassen von Gjirokastër verwandelten sich in Bäche, die grosse Geröllbrocken transportierten. Die Ebene des Flusses Drin wurde völlig überschwemmt, und das Wasser drang in die unteren Stadtteile ein. Einzelne Stellen waren unpassierbar; die kleine Elektrizitätsstation gab für mehr als einen Tag ihren Geist auf. Vielleicht auch aufgrund dieser Situation war die Dankbarkeit der Menschen und Behörden in Gjirokastër denjenigen gegenüber, die unter diesen Umständen noch Waren verteilten, besonders gross. Gerade die Leistung der vier Schülerinnen wurde überall besonders honoriert. Kaum waren die PfG-Vertreter weg, begann in Südalbanien eine lange Trockenperiode. Sie endete an dem Tag, als im April der nächste Transport aus Zürich die griechisch-albanische Grenze passierte. Die PfG-Vertreter haben nun endgültig den Ruf von Regenmachern inne. Der zweite Transport in so kurzer Zeit war möglich, weil auf dem ersten nicht alles Material Platz gefunden hatte und weil ein Grossprojekt der PfG in Gjirokastër gestartet werden konnte. Schon seit längerer Zeit wollte man die Idee einer Fremdsprachenbibliothek verwirklichen. Das Material zum Aufbau einer ersten Etappe wurde in Zürich und Umgebung gesammelt. Der Dirketor der Universität von Gjirokastër löste beim PfG-Besuch im Februar spontan das Raumproblem, indem er zwei grosse Zimmer eines Neubaus zur Verfügung stellte. Der Transport vom April 1998 beinhaltete also zur Hauptsache das Material für diese Mediothek, darüber hinaus aber wieder Material für Schulen und andere Institutionen, darunter vor allem sechzig neue Wandtafeln, die die Hunziker AG zur Verfügung gestellt hatte. Da der Regen diesmal am dritten Tag aufhörte, wurde die Materialverteilung etwas einfacher. Für die Mediothek stellt die PfG einen gutausgebildeten Bibliothekar an, der nun Organisation, Aufbau und Einrichtung an die Hand nimmt. Aufgrund der Besuche im Altersheim hatte sich die PfG dazu entschlossen, auch dort bereits ab Februar so weit als irgendwie möglich zu helfen, um den Bewohnerinnen und Bewohnern das Leben etwas zu erleichtern. Ob in diesem Jahr noch ein dritter Materialtransport durchgeführt werden kann, oder ob eher eine Art Kulturwoche organisiert wird, hängt von der finanziellen Lage der PfG ab. Da diese nach zwei Transporten nicht mehr so rosig ist, freuen sich die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Enge über jede Unterstützung. Spenden sind möglich auf das Bankkonto 1117.0007.818 der Zürcher Kantonalbank. Pietro Tomasini Zur Lage in Südalbanien Krieg oder Unruhen? Am Sprachgbrauch lässt sich ein kleiner Teil der Entwicklung in Südalbanien beobachten. Im Oktober waren die Kämpfe abgeflacht, aber noch waren jede Nacht Schüsse zu hören. Nicht immer bedeutete das auch etwas Schlechtes. Es konnte zwar ein †berfall sein, manchmal wurde aber einfach auch eine Hochzeit mit Gewehrsalven begleitet. Wer aber wusste das schon? Im Bett liegend dachten wohl viele zurück an die Monate von Februar bis in den Sommer. 34 Menschen waren allein in Gjirokastër umgekommen, 750 verletzt. Ganze Strassenzüge waren zerstört und abgebrannt worden. Kasernen, Schulen, Tankstellen usw. hatte man angegriffen und bis auf die Grundmauern zusammengeschossen oder einfach gesprengt. Besonders betroffen war die eigentlich so schützenswerte Altstadt um den alten Basar. Die Menschen hatten über Monate in Angst und Schrecken gelebt und sich fast ununterbrochen in den Gängen ihrer Häuser aufgehalten, weil sie nie wussten, durch welches Fenster die nächsten Kugeln hereinkommen könnten. Und dann, im Oktober, redeten sie von Krieg, wenn sie versuchten, das zu beschreiben, was sich der Besucher nur entfernt vorstellen konnte. Ein halbes Jahr später braucht man in Gjirokastër wieder das Wort »Unruhen«. Noch immer sitzt der Schock tief. Man rät davon ab, sich abends draussen aufzuhalten oder gar mit dem Auto unterwegs zu sein und erzählt viel von den Erlebnissen des letzten Jahres. Dennoch ist eine Beruhigung der Situation deutlich spürbar. Seit Monaten hat sich kein †berfall mehr ereignet, und selbst in der Nacht fühlt man sich nicht besonders unsicher. Die Polizei hat die Kontrolle über die Stadt und die Umgebung und auch in der völlig zerstörten Kaserne versucht sich die Armee langsam wieder einzurichten. Etwas schwieriger ist dann aber die Beurteilung der Methoden von Polizei und Justiz. Während die Polizei in den Verhören eine sehr harte Praxis anwendet, erhebt die Justiz manchmal auch in eindeutigen Fällen danach keine Anklage. Während sich die Behörden wieder durchsetzen und alle gefährlichen Banden verhaftet zu sein scheinen, kämpft aber der Südalbaner weiter mit enormen wirtschaftlichen Problemen. Die Preise sind kaum noch zu bezahlen, der Lohn aber macht die Steigerung der Preise nicht mit. Die Arbeitslosigkeit ist durch die Unruhen wieder gestiegen und wird derzeit in dieser Region mit 40% angegeben. Dennoch erstaunt die Mentalität der Südalbaner einmal mehr. Alle versuchen, aus der Situation das Beste zu machen, ohne die neue Regierung bereits wieder zu kritisieren. Schon sind wieder neue Läden eröffnet, Popkonzerte und Lyrikwettbewerbe veranstaltet worden, und man hat nicht den Eindruck, dass nur Frustration und €rger die Gedanken der Menschen bestimmen, auch wenn man diese Gedanken im privaten Gespräch ab und zu hört. Pietro Tomasini, Partner für Gjirokastër - Probeabonnements |
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