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Bektaschi Der moslemische Bektaschi-Orden war in Albanien von grossem Einfluss Während der Zwischenkriegszeit waren rund 70 Prozent der Albaner mohammedanisch. Viele konvertierten während der osmanischen Besatzung, da sie als Christen insbesondere steuerlichen Nachteilen ausgesetzt waren. Das friedliche Nebeneinander verschiedener Religionen und die grosse Zahl Konvertierter war wohl mitunter ein Grund, dass sich in Albanien viele dem toleranten Derwisch-Orden des Hadschi Bektasch Veli anschlossen. Die Anhänger der Bektaschi sollen bis 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht haben und im Süden des Landes sogar bis 90 Prozent aller Muslime. Das Bektaschitum, in dem sich Ähnlichkeiten zum Buddhismus und zu vor-islamischen Heiligenkulten findet, lehrt in vielen Punkten genau das Gegenteil von dem, was wir gemeinhin mit dem Islam verbinden: Die Bektaschi sind nicht fanatisch, sondern tolerant auch gegenüber anderen Religionen, Alkohol ist erlaubt, Frauen müssen sich nicht verhüllen, und beim Gebet muss sich der Gläubige nicht in Richtung Mekka wenden. Daneben sind Bescheidenheit, Brüderlichkeit, Einfachkeit und praktische Wohltat zentrale Prinzipien des Bektaschitums. Als Bektaschi konnten die konvertierten Albaner also die Vorteile der Religionszugehörigkeit zum Islam geniessen, ohne nach den strengen Regeln der Moslems leben zu müssen. Vor der Erklärung zum atheistischen Staat gab es in Albanien rund 300 Klöster und Tekken (Religionshäuser der Bektaschi). Die Tekken sind äusserlich meist schlicht, im Inneren aber oft üppig ausgestattet. Die bekanntesten Tekken, die das Religionsverbot überlebten, sind die Mohammed-Tekke (der Helveti) im Zentrum Berats und die Teqeja e Dollmes in der Burg von Kruja. Die Geistlichen des Bektaschitums nennen sich »Baba«. Vom Gründer des Ordens, Haddschi Bektasch Veli, ist nicht viel bekannt. Er wurde im 13. Jahrhundert in Persien geboren, soll dann als einer der Anführer die Türken nach Kleinasien geleitet haben. Seine Spuren hat er aber insbesondere als religiöser Anführer, eine Art Heiliger, hinterlassen. In dieser Zeit der türkischen Neuordnung in Kleinasien versuchte er, die noch verbliebenen heidnischen Türken und Einheimischen zu besseren Muslimen zu machen. Schon im 13. Jahrhundert soll der Derwisch Sari Sallteku, der bei Kruja einen Drachen tötete, die sieben ersten Tekken Albaniens gegründet haben. Die »Lehre Bektaschis« hingegen wurde erst im 16. Jahrhundert vollendet. Einige Bektaschi, die sogenannten Derwische, lebten in Klöstern, die über fast ganz Albanien verteilt waren. Das Mutterkloster des Ordens war in Anatolien. In der osmanischen Gesellschaft waren die Bektaschi schon früh einflussreich. Vor allem im militärischen Bereich übernahmen die den Bektaschi zugeordneten Truppen der Janitscharen eine zentrale Rolle. Mit der Gründung der Türkischen Republik 1925 wurden sämtliche Derwisch-Orden verboten. Die Bektaschi konnten seither nur noch im Untergrund tätig sein. Das Zentrum der Bektaschi war fortan in Tirana, was dem Orden in Albanien weitere Bedeutung gab. Auch heute hat sich das Welt-Zentrum des Bektaschitums wieder in Tirana niedergelassen. In Albanien übernahmen die Bektaschi oft führende Rollen, wie auch albanische Bektaschi im Rest des osmanischen Reiches bedeutende Posten einnahmen. Ali Pascha von Tepelena bekannte sich beispielsweise zum Orden. Insbesondere während der Rilindja, der nationalen Wiedergeburt, waren die Derwisch-Klöster Treffpunkte der Nationalisten. Die Frashëri-Brüder, literarische und politische Propagandisten der Unabhängigkeit, waren ebenfalls Bektaschi. Naim Frashëri setzte sich unter anderem auch für eine Trennung vom anatolischen Mutterkloster und für das Albanische als Kultsprache ein. Die Trennung erfolgte 1922. Sieben Jahre später wurde das Bektaschitum vom Staat als autonom innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anerkannt. Die kommunistische Periode hat kaum ein bekennender Baba oder Derwisch überlebt. Auch von den Tekkes und Klöstern in Albanien blieb nicht viel übrig. In neuster Zeit ist das Bektaschitum nicht wieder gross aufgelebt, obwohl das Zentrum der Weltgemeinde wieder in Tirana lokalisiert ist. Die meisten Moslems bekennen sich nicht mehr zum Bektaschi-Orden, weil die Re-Islamisierung hauptsächlich durch die Türkei, Saudi-Arabien und Kuwait finanziert wird und nicht durch die weltweit zerstreute Bektaschi-Bewegung. Die jungen moslemischen Albaner haben kaum Zugang zum Bektaschitum, und der Orden wird kaum mehr seine grosse Bedeutung erlangen. Lars Haefner - Probeabonnements |
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