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In eine neue Zukunft

Nach den vorgezogenen Neuwahlen zogen die Sozialisten als Gewinner ins Parlament ein. Bis normale Zustände erreicht sein werden, ist aber noch sehr viel zu tun

»Die Lage verbessert sich, aber die Waffen sind noch immer in der Hand der Bevölkerung« beurteilte der luxemburgische Aussen-minister im Namen der EU anfangs Oktober die Situation in Albanien. Ähnliche Statements kriegt man auch von Albanern zu hören - erstaunlich, wenn man bedenkt, dass diese sonst immer auf Optimismus machen: Die Nachrichten von eingesammelten Waffen (Tausende von Gewehren, Handgranaten und anderen Granaten, Minen und sogar einige Panzer wurden zurückgegeben) treffen täglich ein, die Polizei und das Innenministerium rühmen sich jedes Stadtteiles, jedes Dorfes, jeder Strasse, über die sie wieder die Kontrolle erlangen. Es ist aber davon auszugehen, dass noch immer mehr als drei Viertel der gestohlenen Waffen aus Beständen der Armee und der Polizei im Besitz von Zivilisten sind. Kein Wunder, dass die Meldungen von Verletzten und Toten noch häufiger sind als die Erfolgsmeldungen des Staates.

Die neue Regierung steht fast unlösbaren Problemen gegenüber. Es gilt, die Kontrolle über die Anarchie wiederzugewinnen, was nicht einfach ist angesichts der (erneut) zerstörten Infrastruktur und den bescheidenen Mitteln, über die der Staat verfügt. Man kann schon fast von einem Wunder sprechen, dass nicht alles viel schlimmer gekommen ist.

Ein Wendepunkt war sicherlich das Einschreiten der ausländischen Truppen: Obwohl die OSZE-Truppen kaum Kompetenzen hatten, war allein ihre Anwesenheit Symbol genug für eine Abkehr von den chaotischen Zuständen der ersten Monate des Jahres. Auch an der Tatsache, dass die meisten Nationen, die »militärische Hilfe« auf den Balkan sandten, in der Vergangenheit schon Besatzer in Albanien waren, störte sich kaum ein Albaner: Die meisten Ausländer wollten Albanien nach den Wahlen so schnell wie möglich wieder verlassen. Dass der militärische Einsatz der OSZE so erfolgreich ausging, kann aufgrund des sehr eingeschränkten Auftrages der Truppen schon als Glück beurteilt werden. Immerhin hat Europa ohne die Hilfe der amerikanischen Militärs eines seiner Probleme in den Griff bekommen. Daneben ist die Vermittlungsarbeit des OSZE-Beauftragten und ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers Franz Vranitzky nicht zu unterschätzen. Sein unermüdlicher Einsatz verhinderte noch Schlimmeres. Albanische Politiker verlangten deshalb bereits, dass ihm der Friedensnobelpreis verliehen wird.

Unter der Anwesenheit der ausländischen Truppen und ausländischen Beobachter wählte Albanien am 29. Juni ein neues Parlament, das das Land aus der Anarchie führen sollte. Sicherlich ist es während der Wahlen zu Betrügereien gekommen. In anbetracht der chaotischen Umstände waren diese aber nicht zu vermeiden und am Wahlresultat haben sie kaum etwas verändert: Die seit 1992 regierende Demokratische Partei musste eine erhebliche Niederlage hinnehmen, Sali Berisha blieb nichts anderes übrig, als die Konsequenzen aus den Ereignissen dieses Jahres zu ziehen und zurückzutreten. Das Parlament wird jetzt neu dominiert von der Sozialistischen Partei, den ehemaligen Kommunisten, die sich erst Ende letzten Jahres von der Lehre von Marx abwandte und jetzt 100 der 155 Sitze einnimmt. Zusammen mit den Sozialdemokraten (8 Sitze) und der Demokratischen Allianz (2) sind die Sozialisten eine Allianz eingegangen, die über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt. Damit konnten sie den neuen Präsidenten Rexhap Meidani wählen und verfügen über die Möglichkeit, auch ohne die Opposition Verfassungsänderungen zu verabschieden. Der PD verbleibt die neue Rolle als Opposition (zusammen mit einigen Abgeordneten der Rechten), der sie lange Zeit im Boykott des Parlaments gerecht zu werden glaubte. Jetzt spielt sich ein auf Distanz undurchschaubares Spiel von Vorwürfen und Gegenvorwürfen ab, wobei jede Partei versucht, der anderen Vorzuwerfen, für die Zustände und die Verzögerung von Verbesserungen verantwortlich zu sein.

Die neue Regierung unter Fatos Nano agierte bis jetzt erstaunlich vernünftig. Die Sozialisten machen nicht den Eindruck, als versuchten sie, die ganze Macht an sich zu binden: Wichtige Ministerien wie das Innenministerium überliessen sie den Koalitionspartnern. Auch von der Macht-Fokusierung beim Präsidenten wird abgelassen: Der neue mächtige Mann ist der Ministerpräsident Fatos Nano, der schon der 1991 gewählten Regierung vorsass. Fatos Nano, ein zuvor Unbekannter, übernahm 1991 von Ramiz Alia die Führung über die Partei der Arbeit und wurde nach seiner Absetzung in einem politischen Prozess wegen Veruntreuung von Hilfsgeldern ungerechtfertigt verurteilt.

Die neue Regierung versucht ihr möglichstes, das Land wieder in geordnete Bahnen zu bringen. Vom Ausland wurde ihr nahegelgt, möglichst bald eine neue Verfassung zu verabschieden. Anfangs September wurden erste Gespräche am von der PD boykottierten Runden Tisch aufgenommen. Wie dargelegt, bleibt aber noch viel zu tun, bis die ehemaligen Kommunisten - wohl ohne Mithilfe der Demokraten Ð Albanien in eine Demokratie nach unserem Verständnis geführt haben werden. Dieser Weg wurde bereits durch diverse Gesetzesrevisionen eingeschlagen: Rechtstaatlichkeit soll durch unabhängige(re) elektronische Medien und Gerichte angestrebt werden. Die unternommenen Schritte lassen hoffen, dass sich in Albanien langsam eine neue Kultur des Politisierens entwickelt: Von der Auffassung eines Einparteienstaates zur Politik des Konsenses.

Nicht einfacher wird es sein, wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Erst Mitte Oktober liess die albanische Regierung die Konten der Holdinggesellschaft VEFA sperren. Auch die grösste Firma des Landes entpuppte sich als teilweise Pyramidenfirma und steht jetzt vor dem aus.

Am 17. Oktober suchten Vertreter von 26 europäischen Staaten bei einer Konferenz in Rom nach Möglichkeiten, wie Albanien geholfen werden kann. Dem Balkanland wurden Kredite versprochen, um mindestens die dringensten Probleme lösen zu können.

Lars Haefner


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Die Schweizerische Botschaft in Tirana kann keine generelle Schilderung der Situation in Albanien und deshalb keine allgemeinen Reise-Empfehlungen abgeben. Sie empfiehlt Albanienreisenden hingegen, vor oder während einer Reise mit ihr in Kontakt zu treten.

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