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Mit dem Geiegenkasten durch Albanien

Sieben Musiker des Akademischen Orchesters der Universität Halle fuhren im April für eine Konzertreise nach Albanien

Halle am Abend des 25. März 1996. Johannes Heretsch von der Arbeitsgruppe Albanien des Eine-Welt-Haus Halle e.V. wendet sich mit einem Problem an Matthias Erben, dem Leiter des Akademischen Orchesters Halle: Ein Berliner Experimentalmusiker hatte ihm kurzfristig einen Auftritt abgesagt. Er sollte anläßlich der Ausstellungseröffnung des Graphikers Michael Dehnel in Tirana ein Konzert geben. Matthias Erben hingegen war seit der Teilnahme an einem Musikerfestival in Südjugoslawien 1995 an albanischen Kontakten interessiert, hatte aber bis dahin keinen konkreten Ansatzpunkt. Nun hatten sich die beiden Richtigen gefunden.

Am besagten Abend nach der Probe des Orchesters stand Herr Heretsch vor der Tür. Er zeigte uns - den in Sachen Albanien bisher Ahnungslosen - ein Video seiner letzten Albanienreise, erzählte uns mit Begeisterung von freundlichen Menschen, bezaubernden Landschaften, Kohletabletten, Taschenlampen und der Überraschung am Ende: Wir würden sehr bald losfahren.

Anderthalb Wochen später, am 5. April morgens um vier Uhr früh, gerüstet mit »Allem für das Ungewisse«, machten wir uns mit unseren Instrumenten auf den Weg. Nach einer Reise mit dem Auto, der Bahn und dem Flugzeug, nach der Fahrt über die holprige Flughafenzubringerstraße kamen wir endlich in der Galerie »Te & Gi« in Tirana an, in der Michael Dehnel ausstellte.

Am nächsten Vormittag trafen wir uns zur Probe in der Galerie. Instrumente auspacken, stimmen und anfangen. Wie es der Zufall wollte, stand plötzlich ein sympathischer, junger Mann vor uns, der uns in fast akzentfreiem Deutsch seinen Dienst als Übersetzter anbot, uns diesen neben seinem organisatorischen Talent auch vortrefflich unter Beweis stellte. Florenc ist sein Name.

Die erst kurz zurückliegende Regenperiode hatte viel Wasser in den Betonwänden des neu erbauten Hauses an der Rruga Durrëzit hinterlassen. Die jetzt warme Sonne ließ es verdunsten. So entstand im Innern der Galerie eine waschküchenähnliche Atmosphäre. Die Instrumente wurden klamm und verstimmten sich alle Minuten lang. Wir kämpften mit der Nässe und spielten am Abend unser erstes Konzert der Tour. Die Galerie war brechend voll mit den verschiedensten Leuten, sogar das albanische Fernsehen schickte einen Kameramann.

Ebenfalls unter den Gästen war der Direktor des Opernhauses von Tirana. Er lud uns für den darauffolgenden Abend ein zur ersten Aufführung von Prokowjews »Romeo und Julia« in der Geschichte der albanischen Oper. Es war ein beeindruckender Abend. Während der zweistündigen Vorstellung herrschte eine marktplatzähnliche Stimmung. Die zumeist jungen Zuschauer bejubelten jeden einzelnen Auftritt ihres Lieblingstänzers, der wie die übrigen Darsteller Student der Ballethochschule Tirana ist. Die Kostüme der Tänzer, alle aus knallgrellen Farben in rot, grün, orange und blau gestaltet, bildeten einen wirkungsvollen Kontrast zum Bühnenbild, einem Excerpt aus der klassischen Moderne zwischen Hofer, Beckmann und Picasso. Im Foyer gab es kein Licht, dies wurde angeblich abgeschaltet, um genügend Strom für die Bühnenbeleuchtung zu haben.

Nach zwei vielbeachteten Konzerten auf der 36 Kilometer nördlich von Tirana gelegenen historischen Festung Kruja vor völlig perplexen Besuchern und im Kulturpalast der Hafenstadt Vlora in Südalbanien lag nun der letzte Tag in Albanien vor uns. Morgens um sechs quälten wir uns in Vlora aus den quietschenden Betten eines ehemaligen Funktionärshotel ohne Portier und Rezeption und starteten mit einem gecharterten Maxi-Taxi in Richtung Tirana. Aufgrund der mit Ochsenkarren, Pferdekutschen, Schrottautos und Schlaglöchern übersähten »National Road« benötigten wir für die 165 Kilometer gute fünf Stunden.

In Tirana angekommen, eilten wir sofort in die Kunstakademie, um mit gemeinsamen Proben das für 1900 Uhr angesagte, gemeinsame Konzert mit Musikstudenten der Akademie vorzubereiten.

Unser Freund Florenc hatte schon seit dem Vorabend an der Organisation- und PR-Front gekämpft. Mit den albanischen Musikern verständigten wir uns auf Englisch, aber das war nicht ausschließlich so. Überall auf der Welt gibt es die gleichen Probleme, Empfindungen und Fehler in der Musik: zu langsames Piano, gehetzte Triolen, ungenaue Punktierungen, abgerissene Längen, aber auch Freude, wenn es dann doch zusammengeht. Wir verstanden uns mit unseren albanischen Kollegen und hatten viel Spaß beim Konzert in der gut gefüllten Aula und auch hinterher bei Raki, Wein und Bier bis zwei Uhr in der Frühe. Wir wären gern noch eine Woche länger dort geblieben. Drei Stunden später machten wir uns aber auf den Weg zum Flughafen in Rinas. Denn am Abend wartete schon der nächste Probetermin in Halle auf uns.

Bernahrd Ullrich spielte in Albanien die Violine

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