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Liebe Leserinnen und Leser

Heute werde ich über den 1. Oktober 2000 nachdenken. Heute ist - das ist wichtig - der 26. September 2000. Wenn Sie diese Ausgabe des newsletter Albanien in den Händen halten werden, wird der 1. Oktober 2000 bereits längst Vergangenheit sein, währenddem er jetzt, da ich dieses Editorial schreibe, noch Zukunft ist.

Der 1. Oktober 2000 ist der Tag, an dem in Albanien Lokalwahlen stattfinden werden. Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind wohl bereits über deren Ausgang informiert. Sie wissen, wer gewonnen hat, wer verloren hat. Sie haben davon auf unserer Homepage www.albanien.ch gelesen. Oder Sie haben davon in Ihrer Zeitung erfahren. Oder Sie wissen gar nicht, dass überhaupt Lokalwahlen stattfanden. Dies wäre mir fast am liebsten. Weshalb? Das werde ich später noch erklären.

Ich jedenfalls kann momentan nur spekulieren, was passieren wird. Jedenfalls dürfte der Ausgang dieser Wahlen entscheidend sein für das Land, wie es auch der Ausgang der vergangenen Parlaments- und Lokalwahlen war: 1991 fanden die ersten freien Wahlen statt. 1992 errangen nach vorzeitigen Wiederwahlen die Demokraten mit Sali Berisha an der Spitze die Macht - Demokratie und Marktwirtschaft hielten Einzug. 1996 konnte die Demokratische Partei ihre Macht bei den Parlaments- und Lokalwahlen erhalten - wohl dank Wahlbetrug. Dies dürfte wiederum einer der Gründe für den Volkszorn nach dem Kollaps der Pyramidenfirmen gewesen sein. 1997 musste erneut vorzeitig ein neues Parlament gewählt werden. Nach den Unruhen der vorangegangenen Monate basierte auf dem Sieg der Sozialisten und ihrer Koalitionspartner die Hoffnung auf eine demokratischere, sicherere, bessere Zukunft. Wenn auch hier die Wahlen nicht reibungslos abliefen, dürfte das Ergebnis dem Volkswillen entsprochen haben.

An den Lokalwahlen 2000 wird es liegen, ob Albanien weiterhin dem Weg der Demokratie und Stabilität folgen wird. Es liegt an den Albanern, der Welt zu beweisen, dass sie es verstehen, demokratische Spielregeln zu akzeptieren. Die Regierung ist dafür verantwortlich, dass entsprechende Vorbereitungen eine geregelte Wahl erlauben. Auch müssen die jetzigen Machthaber darauf verzichten, das Reslultat zu beeinflussen. Die Verlierer müssen den Ausgang akzeptieren, ohne im Nachhinein mit Waffengewalt den Sieg erobern zu wollen.

Wenn nicht alle ordentlich mittun, dürfte dies der Entwicklung Albaniens erneut einen herben Rückschlag geben. An die Auswirkungen bewaffneter Unruhen wollen wir gar nicht erst denken. Die Schlagzeilen in der Weltpresse wären unvermeidlich.

Ruhige Wahlen dürften hingegen von den Medien bei uns ignoriert werden, und kaum jemand wüsste von diesem guten Ereignis. Deshalb sagte ich einleitend, dass es mir am liebsten wäre, wenn Sie bis jetzt gar noch nichts von den Wahlen erfahren hätten.

Die Aussichten sind aber nicht gerade positiv. Schon ein halbes Jahr vor den Wahlen wurde hart um die Wahlkommission gestritten. Auch bei der Verteilung der Wählerausweise kam es zu Problemen. Und die Opposition drohte immer wieder mit Boykott.

Bald werde auch ich wissen, was Sie bereits wissen.

Lars Haefner

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