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Hilfe für Ausgewiesene

»Kape te ardhmen« heisst auf Albanisch »Pack die Zukunft« und ist der Name eines Projektes für aus der Schweiz ausgeschaffte Albaner

In Tirana kreuzten sich die Wege von Pascal de Mestral, frisch-pensionierter Theologe, der lange als Gefängnisseelsorger tätig gewesen war, und Franziska Camenzind, Sozialarbeiterin im Bildungsurlaub. De Mestral war nach Albanien gereist, weil er plante, im Land ein Projekt für aus der Schweiz zurückgeschaffte Albanerinnen und Albaner zu realisieren. Im Gespräch entwickelte sich die Idee, eine Befragung von Repatriierten zu machen, um herauszufinden, welche Bedürfnisse und Erwartungen diese haben.

Diese Befragung wurde im November und Dezember 1998 während vier Wochen auf dem Flughafen Rinas bei Tirana durchgeführt. Alle mit Crossair zurückgeflogenen Albanerinnen und Albaner hatten die Möglichkeit, sich anonym befragen zu lassen. Mehr als 50 Prozent der in diesem Zeitraum Zurückgeschafften machten von dieser Möglichkeit Gebrauch.

De Mestral leistete vor und während dieser Zeit in der Schweiz Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Befragung bei den zuständigen Polizeistellen und informierte sämtliche Albaner, welche während dieses Zeitraumes aus der Schweiz ausgeschafft wurden.

Auswertung der Daten
Die Auswertung der Fragebogen ergab, dass Armut und Arbeitslosigkeit die Hauptgründe für die Migration waren, daneben wurden jedoch auch familiäre oder persönliche Probleme genannt. Die Mehrheit der Befragten war zwischen 18 und 25 Jahren alt und verfügte nur über den obligatorischen Grundschulabschluss. Aus den Ergebnissen der Interviews schlossen wir, dass eine Anlauf- und Beratungsstelle sowie ein Job-Netzwerk unsere Antwort auf einen Teil der Probleme sein sollte (Der Fragebogen und die Auswertung sind auf Verlangen bei Franziska. Camenzind erhältlich).

Personalsuche und Stelleneröffnung
Für die Anlauf- und Beratungsstelle suchten wir zwei Sozialarbeiterinnen mit Halbzeit-Pensen und einen Job-Netzwerker für eine Vollzeit-Stelle. Als Administratorin, ebenfalls mit einer 50%-Stelle, wählten wir eine gemeinsame Bekannte, welche bereits verschiedene Arbeiten für uns erledigt hatte.

Auf den 1. April 1999 stellten wir zwei Sozialarbeiterinnen und eine Job-Netzwerkerin ein. Den ersten Monat nutzte das Team dazu, die Arbeitsgrundlagen zu erarbeiten und die Stelle einzurichten. Seit dem 3. Mai ist die Informations- und Beratungsstelle offen für die Klientinnen und Klienten. Nach einem Anfang ohne Leitung übernahm die Administratorin diese Aufgabe auch formell. Diese Neuerung erleichterte es den Mitarbeiterinnen, eine eigene Identität zu finden.

Die Job-Agentin hat die Stelle Ende Oktober verlassen. An ihrer Stelle arbeiten nun zwei Männer mit, der eine als Job-Agent im Team und der andere als freier Mitarbeiter im Süden des Landes.

In der Schweiz machten wir die Eröffnung mit einem Rundbrief bei Rückkehrberatungsstellen, Jugendanwaltschaften, Untersuchungs- und Strafvollzugsbehörden sowie den kantonalen Fremdenpolizeien bekannt, welche mit unserem Zielpublikum in Berührung kommen.

Standort
Nach reiflichem Überlegen haben wir uns für Tirana als Standort entschieden. Ursprünglich wollten wir die Stelle beim Flughafen eröffnen. Da jedoch weder Telefonanschluss noch Stromversorgung gewährleistet waren und die nächtliche Sicherheitslage schlecht war, entschieden wir uns dagegen.

Angebot und Nachfrage
Klienten können unentgeltlich ein- oder mehrmals die Informations- und Beratungsstelle besuchen. Sie erhalten Informationen zu Schulen, Kursen und Ausbildungsplätzen in ihrer Stadt und in ganz Albanien. Diese Informationen sind sonst nur mühsam und zeitaufwändig zu erhalten. Weiter haben sie Gelegenheit, in den aufliegenden Zeitungen nach Stelleninseraten zu suchen. Letzteres ist buchstäblich ein Tropfen auf den heissen Stein, da sehr wenig inseriert wird  und die Arbeitslosenquote zwar unbekannt ist, jedoch als hoch geschätzt wird.

Berufslehre
Zum eigentlichen Herzstück haben sich neunmonatige Anlehren in verschiedenen handwerklichen Berufen entwickelt. Lehrmeister und Praktikanten werden von der Beratungsstelle begleitet und diese übernimmt einen Teil der Lohnkosten.

Weiter wird Beratung bei persönlichen und familiären Problemen angeboten, diese wird jedoch sehr selten in Anspruch genommen.

Unsere Beratungsstelle wurde in den ersten Monaten wenig genutzt. Nach einer ersten Evalutation führten wir ab September die Anlehren ein. Von diesem Angebot wird rege Gebrauch gemacht, bis jetzt haben mehr als dreissig Männer und eine Frau eine Anlehre begonnen.

Um sicher zu gehen, dass potenzielle KlientInnen von der Existenz der Stelle wissen, gelangen wir periodisch an die oben erwähnten Stellen in der Schweiz. Auch in Albanien ist Öffentlichkeits- und Überzeugungsarbeit nötig, sie wird geleistet durch Präsenz in den Medien. Gewichtiger in der Gesellschaft ist jedoch die Mund zu Mund Propaganda, welche langsam zu spielen beginnt.

Im Gegensatz zu materieller Hilfe, welche wenig oder keine Anstrengung von den Unterstützten verlangt, ist ressourcenorientierte Sozialarbeit und -beratung  neu und unbekannt. Ausserdem stösst sie zum Teil auf eine Erwartungshaltung, welche schwer zu durchbrechen ist. Unser Angebot richtet sich an eine Minderheit, da viele möglichst bald wieder ins Ausland wollen. Diese Minderheit zu erreichen und ihr Vertrauen zu gewinnen, wird noch mehr Zeit und viele Anstrengungen erfordern.

Franziska Camenzind




Fremdenpolizei spendet Geld für Albanien

Man sollte auch Fremdenpolizisten ein gutes Herz zutrauen. Im Wesentlichen liess sich aber Fremdenpolizeichef Urs Gürtler von ökonomischen Argumenten überzeugen, als der ehemalige Gefängnisseelsorger Patrice de Mestral ihn um eine Spende bat. [...]

Die Rechnung des Pfarrers war einfach: »Ein junger Albaner, der in der Schweiz mit der Justiz in Konflikt kommt, kostet den Staat zwischen 8'000 und 10'000 Franken.« De Mestral meint damit alle Kosten, die zwischen dem illegalen Grenzübertritt des Albaners und seiner Ausschaffung bei den Behörden anfallen. »Beteiligen Sie sich mit 20'000 Franken an unserem Projekt«, rechnete de Mestral dem Chef der Fremdenpolizei vor. »Ihr Beitrag hat sich schon gelohnt, wenn deswegen nur zwei Albaner weniger in die Schweiz einwandern und hier straffällig werden.« Das hat Gürtler überzeugt, und auch seiner Chefin Rita Fuhrer leuchtete die Rechnung ein. Die Fremdenpolizei sicherte einen Beitrag von 20'000 Franken zu. Der grosse Rest des Geldes für das Projekt stammt vom Hilfswerk Heks, von Kirchgemeinden und Privaten. »Wir haben es auch lieber«, erklärt Gürtler seine Unterstützung, »wenn illegal Anwesende erstens freiwillig in die Heimat zurückgehen und zweitens auch dort bleiben.« [...]

In der Schweiz wurde zwecks Verankerung des Projekts bei den Behörden eine Koordinationsgruppe gegründet, in der neben Vertretern der Fremdenpolizei und der Asylkoordination auch solche der Jugendanwaltschaft sitzen. Dort ist man hocherfreut über die Initiative: »Ich finde das Projekt sehr gut und halte es für Erfolg versprechend«, sagt Jugendanwalt Christoph Hug. Für ihn ist es auch ein Mittel gegen Lähmung und Frustration auf seiner Amtsstelle: »Seit Jahren haben wir bei uns diese minderjährigen Ameisen-Dealer aus Albanien, die zum Teil mehrmals kommen.« Das binde einerseits Ressourcen, andererseits könnten sie diesen Jugendlichen trotzdem nicht bei der Integration helfen, wie es eigentlich gesetzliche Aufgabe der Jugendanwaltschaft sei. »Das hier ist erstmals ein Versuch, jugendliche Täter im Ausland zu integrieren«, sagt Hug.

Auszüge aus einem im »Tages-Anzeiger« publizierten Artikel von Thomas Isler


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