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Flüchtlinge rein - Flüchtlinge raus

Wie dieses ereignisreiche Frühjahr Albanien verändert hat

In Kukës erzählt man sich folgenden Witz, der ein Bild von der Lage in Albanien wiedergibt: »Wieso haben die Nato-Piloten nie Albanien bombadiert? - Wenn sie über Albanien flogen, schauten sie runter und meinten: 'Fliegen wir weiter, hier wurde schon gebombt.'« Albanien ist nach wie vor das ärmste Land Europas. Dies darf trotz der in Kosova dringend notwendigen Hilfe und trotz des Elends der Flüchtlinge nicht vergessen werden.

Nato hilft Albanien
Durch die Nato und die starke Präsenz von Ausländern in Albanien während der letzten Monate hat sich zwar einiges im Land verbessert. Albanien ist aber immer noch weit von Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung entfernt. Die vielen Ausländer (Soldaten, Vertriebene, Arbeiter von Hilfsorganisationen, Journalisten) haben viel Geld ins Land gebracht, da sie Hilfskräfte, Chauffeure und Übersetzer brauchten, Projekte finanzierten, Flüchtlinge versorgt werden mussten und sich selber verpflegen mussten. Diese neue Geschäftigkeit ist zumindest den grossen Städten in Albanien auch anzusehen. Mit den Flüchtlingen verschwinden aber auch viele dieser Ausländer und damit auch die neuen Jobs und anderen Einnahmequellen.

Albanien profitiert auch von Arbeiten der Nato an der Infrastruktur. Tiranas Flughafen Rinas, bis vor kurzem ein riesiges Heerlager, war nur über eine kleine Strasse zu erreichen. Den zusätzlichen Verkehr durch die Militärs konnte die enge Strasse nicht mehr aufnehmen, weshalb amerikanische Soldaten sie ausbauten (was während der Bauzeit dazu führte, dass der einzige Flughafen Albaniens nur noch über eine Schotterpiste mit sogar für albanische Verhältnisse grossen Schlaglöchern zu erreichen war). Aus strategischen Gründen wurde auch an der Strasse Tirana - Shkodër - Kukës gearbeitet. Nicht einmal der einzige brauchbare Weg von Albaniens Küstenregion ins Grenzgebiet zu Kosova war gut genug. Die neuen Strassen sollen ungefähr zehn Jahre halten. Zu hoffen bleibt, dass nicht auch die Bautrupps Albanien verlassen, bevor sie ihr Werk vollendet haben.

Gebaut wird auch am Flugfeld in Rinas. Die sprunghafte Zunahme des Flugverkehrs durch Transportflieger mit Hilfsgütern und militärischem Material hatte sowohl die räumlichen Kapazitäten des kleinen Flughafens als auch die organisatorischen Anforderungen überfordert. Zur Abhilfe haben die Amerikaner den Flugbetrieb übernommen - die Albaner waren mit rund zehn Maschinen pro Tag überfordert und viele Flieger mit Hilfsgütern mussten umkehren. In Kukës haben Araber einen neuen Flugplatz gebaut. Das Zentrum der Flüchtlingstragödie war zuvor nur nach zehnstündiger Autofahrt oder halbstündigem Helikopterflug erreichbar.

Ein weiterer positiver Effekt der ausländischen Militärpräsenz ist eine deutliche Zunahme der Sicherheit. Im ganzen Land sind jetzt Nato-Soldaten unterwegs, die mit ihren Patrouillen die Strassenräuber vertreiben. Ob sie wirklich gegen Verbrecher vorgehen (meines Wissens sollen sie vor allem Hilfstransporte schützen) oder die verbesserte Sicherheitslage nur ein indirekter Effekt der Nato-Präsenz ist, ist nicht ganz klar. Jedenfalls drücken viele Albaner - darunter auch die Regierung - den Wusch aus, dass die westlichen Freunde Albanien nicht so schnell verlassen sollen. Reisen quer durchs Land (auch in den Süden) scheinen wieder zum Alltag zu gehören. Das muss auch so bleiben, der persönlichen Sicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zuliebe.

Flüchtlinge rein
Trotz der Armut Albaniens hat das Land nicht wirklich unter den 440'000 kosovarischen Flüchtlingen gelitten, obwohl es dadurch zu einer Zunahme der Bevölkerung von ungefähr 10 bis 20 Prozent gekommen ist. Die Flüchtlinge wurden von ausländischen Hilfsorganisationen und Privaten versorgt, belasteten also nicht direkt die Staatskasse. Negativ war aber, dass viele Schulen als Flüchtlingsunterkünfte genutzt wurden, und wohl nur wenige Hilfsorganisationen sich um die Wiederherstellung der nicht mehr genutzten Flüchtlingslager kümmern werden. Der Nutzen für Albanien wird aber eher überwiegen: Durch die Flüchtlinge, die anderen Ausländer und die Hilfsprojekte wurde die Wirtschaft belebt, es wird wohl auch vieles, das Hilfswerke gebracht und gebaut haben, erhalten bleiben und sich andersweitig nutzen lassen (beispielsweise die vom Schweizerischen Katastrophenhilfekorps installierte Wasseraufbereitung), Weltbank und IWF haben grosszügige Kredite versprochen und vielleicht können sich die EU und die anderen G8-Staaten doch noch auf einen »Marshall-Plan« für den Balkan einigen. Nutzen hin oder her, für viele Albaner war es selbstverständlich, die vertriebenen Kosovaren aufzunehmen - wenn nicht bei sich zu Hause, so zumindest im Land.

Flüchtlinge raus
Anders war dies in Albanien. Trotz des Entsetzens gegenüber den serbischen Greueltaten und trotz des Mitleids mit den Vertriebenen waren die Aufnahme-Aktionen in der Schweiz und in anderen westeuropäischen Staaten sehr halbherzig und allzu sehr von nationalen Interessen geprägt. Denn langfristig hätten die Flüchtlinge in Albanien, Montenegro oder Mazedonien keine Zukunft gehabt, da diese Staaten nicht einmal das eigene Volk ernähren können und von innterstaatlichen Schwierigkeiten geprögt sind.

Wenigstens kam das Ende des Krieges, noch bevor man sich um ihre Unterbringung während des Winters kümmern musste. Für diejenigen, die jetzt schon trotz Bedrohungen durch Minen und mangelnder Versorgung nach Kosova zurückkehren, bleibt somit gerade noch genug Zeit, in Kosova das Überleben im Winter vorzubereiten. Deshalb macht es für viele Flüchtlinge auch Sinn, sofort in die Heimat zurückzukehren. In Albanien hätten sie ja so oder so nichts zu tun. Für die wenigen Flüchtlinge, die noch länger in Albanien bleiben werden, werden sich geeignete Unterkünfte für den Winter finden lassen.

Im Falle der Kosovaren bei uns lässt sich wohl eine schnellere Rückkehr als bei den Bosniern rechtfertigen. Es sollte ihnen aber doch die Möglichkeit gegeben werden, noch ein wenig hier verdientes Geld mitzunehmen, das sie für den Neubeginn und Wiederaufbau zu Hause gebrauchen können.

Trotz dem Elend, das den Kosovaren wiederfahren ist, darf aber auch Albanien nicht vergessen werden. Albanien ist auch ohne Flüchtlinge weiterhin dringend auf internationale Hilfe angewiesen.

Lars Haefner


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