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Editorial
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Liebe Leserinnen, liebe Leser Albanien muss tödlich sein. Diesen Eindruck entsteht zumindest, wenn man der Berichterstattung der meisten Journalisten glaubt. Vor kurzem las ich einen über 300 Seiten dicken Reisebericht eines englischen Journalisten (Robert Carver: The Accursed Mountains - Journeys in Albania, Publishers John Murray, London 1998). Das Buch handelt vor allem von den Strapazen, die der Autor bei seiner Reise 1996 erlebte - er, einer der wenigen Ausländer, die je in Albanien gewesen seien. Albanien wird als äusserst gefährliches Land auf der Entwiclungsstufe von Zentralasien (die Sowjetrepubliken oder vielleicht doch Afghanistan) dargestellt. Jeder, der Albanien ohne ermordet oder zumindest ausgeraubt zu werden übersteht, könne sich glücklich schätzen. Denn die Albaner würden alle nur auf das Wohl ihres Clans achten und gingen dabei auch über Leichen. Er verstehe jeden Albaner, der nichts lieber wolle, als das Land schnellstmöglichst und für immer richtig Amerika zu verlassen. Und solange die Albaner bestechlich seien (und das seien sie auf ewig, da nur auf das eigene Wohl bedacht), sei Albanien nicht zu retten. Sogar Entwicklungshilfe müsste hier verboten sein, denn die ganze Hilfe lande ja in den Händen der korrupten Politiker und der Mafia. Während der Lektüre hat man das Gefühl, dass der Mann recht hat. Jeder von uns hat wohl schon genug negative Erfahrungen in Albanien gemacht, die die Erlebnisse von Robert Carver bestätigen. Und schon fast kommt beim Leser ein heldenhaftes Gefühl auf, weil man trotz all seiner Reisen nach Albanien noch lebt. Aber halt! Ganz so schlimm ist es auch wieder nicht. Obwohl die Situatiuon in Albanien sich seit 1996 überhaupt nicht zum bessern verändert hat. Trotz aller negativer Erlbenisse gefällt es uns doch immer wieder in Albanien, zieht es uns immer wieder zurück. Auch Robert Carver wird seine Gründe gehabt haben, dass er nicht nach wenigen Tagen wieder nach Hause reiste. So schlimm kann es nicht gewesen sein. Wie Konzert- und Theaterkritiker benehmen sich oft westliche Journalisten, wenn sie über Albanien berichten. Es zählt einzig die Sensationsstory. Wer interessiert sich schon für einen Bericht zur wirtschaflichen Lage Albaniens? Mit Blutrache, Mafia, Drogen und Kalaschnikows lassen sich Schlagzeilen machen. Solchen Journalisten ist der Text von Ardian Vehbiu zu empfehlen, indem beschrieben ist, wie man garantiert zu lukrativen Schlagzeilen findet (»The hotel hall will be your headquaters, the waiter your source, and the room window your eye. Complete the rest with your fertile imagination.« oder »Do not underestimate the well-tested impact of the following topical items: handicapped panhandlers, horse-drawn carts, stolen luxury sedans and satellite dishes.«). Sicherlich: Ohne eine gute Portion Optimismus ist Albanien schwer erträglich. Pessimisten sollen deshalb Albanien meiden und uns in unserer Hoffnung auf eine bessere Zukunft belassen. Denn solange nur negativ berichtet wird, ist auch niemand bereit, Albaniens Zukunft voranzutreiben. Auch das Glück muss herausgefordert werden.
Lars Haefner, Chefredaktor
Kosova - Anmerkung der Redaktion In dieser Ausgabe des newsletter Albanien finden Sie kaum ein Wort zu Kosova, obwohl die ganze Welt nur noch davon spricht. Natürlich bedauern wir das Leiden der Albaner im Kosvo und hoffen, dass baldmöglichst eine friedliche Lösung gefunden wird. Es gehört aber nicht zum Aufgabenbereich dieser Zeitschrift, sich dieses Themas spezifisch zu widmen. Der newsletter Albanien soll das Informationsdefizit bezüglich Albanien vermindern. Aktuelle Berichte zu Kosova, wie wir sie Ihnen so schnell gar nicht liefern könnten, finden Sie ja in den Tagesmedien. Die Redaktion
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