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Kolumne
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»Vlora Vice« Ein einsamer Lastwagen zuckelt gemächlich durch das wilde Albanien, als sich ihm plötzlich ein genauso einsamer Polizist in den Weg stellt. Der Gendarm von Vlora steht, bewehrt mit einer müde blinkenden Leuchtkelle aus aufgelösten DDR-Beständen, mitten auf der löchrigen Strasse. Seine dunkelblaue Uniformjacke, die schon bessere Tage gesehen hat (ganz sicher ist das allerdings nicht), trägt er salopp offen, seinen Gurt hat er durch einen einfachen Strick ersetzt, die Kappe hängt ihm gefährlich weit hinten auf dem Kopf. Mit grimmigem Blick und schlurfenden Schritten nähert er sich der Führerkabine. In mir steigt ein ungutes Gefühl auf. Handelt es sich hier nur um eine normale Polizeikontrolle, einen korrupten Staatsbeamten auf Beutezug, oder aber ist das ein raffiniert getarnter Wegelagerer? Das ungute Gefühl wächst sich zu einem ganz schlechten aus, als mich der Polizist bittet, ihm doch umgehend in ein kleines Hüttchen abseits der Strasse zu folgen. Wird er mir dort etwa mit Hilfe eines Gummihandschuhs meinen Darm nach Drogen durchsuchen oder blüht mir gar ein Verhör à l'albanaise? Nichts von alledem. In diesem kleinen Hüttchen pflegt des Nachmittags einfach eine fröhliche Runde albanischer Polizisten gemütlich um einen heruntergekommen Billardtisch herumzustehen und sich die Bälle um die Ohren zu hauen. Mir wird ein selbstgebasteltes Queue und ein gefülltes Raki-Glas in die Hand gedrückt, derb auf die Schultern geklopft, dann wird gejohlt, geschrien, gespielt und auch schon mal geprügelt - schliesslich ist man von der Polizei. Solche und ähnliche Anekdoten gibt es von der albanischen Polizei viele zu erzählen. Manche sind lustig, manche weniger. Fast immer aber zeugen sie davon, dass die albanischen Gesetzeshüter noch in keiner Beziehung auf dem Stand ihrer Idole in Miami sind, die sie aus einer TV-Serie kennen. Auch wenn sie jetzt von ihren italienischen Kollegen mit Alfa Romeos ausgerüstet wurden, halbmoderne Sonnenbrillen tragen und es mit allem anderen eigentlich auch nur aufwärts geht - bei den albanischen Polizeikorps bleibt noch viel Aufbauarbeit zu leisten. Dies besagt auch die Aussage eines albanischen Freundes, der auf meine Bitte, mir doch etwas über die Polizei zu erzählen, nur meinte: »Ich weiss nicht recht, vor wem ich mich mehr fürchten soll - vor Räubern oder vor der Polizei.« Da freut man sich, wenn man in diesem Zusammenhang immer wieder davon liest, dass albanische Polizeikader in der Schweiz eine Ausbildung erhalten. Mit Sicherheit der beste Weg dazu, dass eines fernen Tages eine Action-Serie über unsere Bildschirme flimmert, die uns von den Erfolgen der legendären Sonderpolizeitruppe »Vlora Vice« berichtet. Tamás Kiss - Probeabonnements |
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