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Herbst 1998 Von Mord und Tumult, Regierungswechseln, neuen Verfassungen, Studentenprotesten sowie hoffnugsvollen Gesprächen »Am besten wäre es, beide würden auf eine einsame Insel verschwinden«, meinte eine albanische Beobachterin zur Lage im Herbst. Nachdem am 12. September der oppositionelle Politiker Azem Hajdari von Unbekannten erschossen wurde, drohte die Lage in Albanien wieder einmal ausser Kontrolle zu geraten. Gleich nach dem Mord am Studentenführer von 1990 machten die Demokraten die Sozialisten für die Tat verantwortlich und riefen zu Protesten in Tiranë auf. In den folgenden Tagen kam es dann erneut zu Tumulten in der albanischen Hauptstadt, die »Demonstranten« besetzten zeitweise sogar das Parlament und andere staatliche Gebäude. Berisha forderte den Ministerpräsidenten Fatos Nano zum Rücktritt auf, verlangte Neuwahlen und nannte Nano Hajdaris Mörder. Viele sahen die nächste Unruhewelle über Albanien hereinbrechen, doch dieses Mal tobte nicht der Zorn des Volkes, sondern einige sich hassende Politiker und ihrer Anhänger. Einige versprachen sich eine Lösung, wenn die alten Kämpfer Berisha und Nano, die unfähig sind, einen lösenden Dialog zu führen, von der Politszene verschwinden würden - eben am besten weit weg auf eine einsame Insel. Zumindest einer folgte dem Ratschlag oder wurde durch den Rücktritt etlicher Minister dazu gezwungen: Fatos Nano erklärte am 29. September seinen Rücktritt. Ihm folgte der Generalsekretär der Sozialistischen Partei, Pandeli Majko. Majko ist lediglich 31 Jahre alt und damit nicht nur der jüngste Regierungspräsident Europas, sondern leitet auch eine neue Generation von Politikern ein, die nicht mehr der kommunistischen Ära anzurechnen ist. Auch er war an den Studentendemonstrationen beteiligt, die den Umsturz des kommunistischen Systems einleiteten. Majko eilt der Ruf eines Mediators voraus, und tatsächlich beruhigte sich die allgemeine Situation in Albanien bald. Politisch kam Albanien aber nach wie vor nicht zur Ruhe. Der sozialistische Staatspräsident Meidani plante nämlich immer noch, am Nationalfeiertag Ende November die neue Verfassung in Kraft zu setzen. Die Demokraten, denen dieses Unternehmen vor vier Jahren misslang, wollten den politischen Gegnern diesen Erfolg nicht gönnen. Mit fadenscheinigen Argumenten kritisierten sie den Vorschlag und riefen zum Boykott des Verfassungsreferendums auf. Die Situation war erneut sehr angespannt. So erhielt ein ausländischer Beobachter, der die neue Verfassung unterstützte, Todesdrohungen. Die Sozialisten schienen aber weiterhin die Gunst des Volkes zu haben. Das Resultat von 93 Prozent ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 50,57 Prozent lässt aber doch Zweifel an der Korrektheit der Abstimmung aufkommen. Denn die Sozialisten hatten sich als Hürde eine Stimmbeteiligung von 50 Prozent gesetzt (In Anbetracht des Boykotts ist die hohe Zustimmung schon eher glaubhaft). Trotz der oppositionellen Proteste wurde die neue Verfassung am 28. November in Kraft gesetzt. Das ist auch gut so, denn Albanien brauchte dringend eine neue Verfassung. Die alte kommunistische Verfassung, lediglich durch einige »Verfassungsgesetze« an die neuen Zeiten angepasst, entsprach nicht mehr den Bedürfnissen des neuen Albaniens. Endlich wurde die gesetzliche Basis für eine moderne Entwicklung Albaniens geschaffen. Kurz darauf folgte aber eine neue Bewährungsprobe für die sozialistische Regierung: Studenten forderten bessere Studien- und Lebensbedingungen und begannen einen Hungerstreik, als ihre Forderungen nicht umgesetzt wurden. Dieser vom Umfang her wohl eher bescheidene Protest schürte die alten Konflikte wieder erneut aufs Heftigste. Umso erstaunlicher ist folgende neue positive Entwikklung von Ende Dezember als Reaktion auf die Studentendemonstrationen: Es kam zu einem von Albanern als »revolutionär« bezeichneten Treffen zwischen dem Führer der Opposition, Sali Berisha, und dem neuen Ministerpräsidenten Majko. Auch wenn die Demokraten weiterhin das Parlament boykottieren und sich die Parteien immer noch skeptisch gegenüberstehen, es besteht endlich wieder einmal Hoffnung, dass sich die albanischen Politiker nicht mehr gegenseitig nur Vorwürfe machen, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen werden. Lars Haefner - Probeabonnements |
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