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Liebe Leserinnen und Leser

Die oppositionellen Kräfte wehrten sich vehement gegen die Annahme der albanischen Verfassung. Immer wieder tauchte das Argument auf, sie sei anti-albanisch. Es wurden fadenscheinige Gründe herangezogen: In der Bestimmung, die die Separation eines Teilgebiets Albaniens regelte, sahen sie einen Ausverkauf heimatlichen Bodens an Griechenland und eine Legitimierung griechischer Ansprüche auf den Nordepirus. Die Norm über die Religionsfreiheit, die spezifisch auch den Religionswechsel erlaubt, erachteten sie als Zersetzung des gesellschaftlichen Gefüges. Die Mitarbeit ausländischer Juristen bei der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs beurteilten sie als Einmischung in innere Angelegenheiten und als Versuch, den albanischen Staat mittels der oben erwähnten Artikel zu zerstören. Es wurde darauf hingewiesen, dass Europa noch nie die albanischen Interessen vertreten habe. Und noch heute würden beispielsweise im Kosova-Konflikt nicht auf die albanischen Forderungen eingegangen und die Albaner mit leeren Versprechungen vertröstet.

Alle Versuche, diese Ideen duch logische Argumente zu vernichten, blieben erfolglos. Nur allmählich habe ich gemerkt, dass mit sachlichen Einwänden nichts zu erreichen war, weil die Problematik ganz eine andere ist. Es geht um eine existenzielle Angst der Albaner, wieder einmal von der Geschichte benachteiligt zu werden. Schon 1914 in London, als auf einer Konferenz das albanische Staatsgebiet festgelegt wurde, waren vor allem serbische und griechische Interessen beachtet worden, was zur Folge hatte, dass noch heute ein Grossteil der Albaner nicht innerhalb des Territoriums des albanischen Staats lebt. Die jüngste Krise in Kosova zeigt auch wieder, dass Europa primär die eigenen Interessen verfolgt und nur dann den Albanern unter die Arme greift, wenn dies dem Westen selbst nützt. Die Albaner haben aber den Eindruck, dass mit dieser Politik nur den Serben gedient sei.

Noch nicht überwunden ist aber auch die Hoxha-Ära. Nur die jungen Albaner sind von der jahrzehntelangen Indoktrienierung durch die Kommunisten verschont geblieben, die erklärten, dass die ganze Welt (amerikanische Imperialisten und Sowjets) Feinde des Volkes seien und nur darauf warten, in Albanien einzumarschieren. Der Verfolgungswahn des Diktators, der in den unzähligen Bunkern im ganzen Land zum Ausdruck kam, hinterliess auch seine Spuren in den Köpfen des Volkes.

Die Vergangenheit war ja auch nur allzu sehr durch Fremdbeherrschung gekennzeichnet. 500 Jahren Besatzung durch die Türken folgte eine schwache Unabhängigkeit unter Bevormundung eines deutschen Fürsten. In den darauffolgenden Jahren drohte nicht nur immer wieder der Einmarsch durch die Nachbarn, die Herrschenden mussten sich dieser immer wieder zur Erhaltung ihrer Macht bedienen. So drangen auch bald die italienischen Faschisten in Albanien ein, gefolgt von den Deutschen, die ein erstes Grossalbanien schafften. Der albanische Nationalheld Skanderbeg war ein Freiheitskämpfer. Das ist fast überall so, nur in Albanien ist Skanderbeg noch allgegenwärtig, während besipielsweise der Mythos Tell langsam zerstört wird.

Und so haben viele Albaner auch heute noch Angst, dass man ihnen ihr Land wieder wegnehmen will. Die erneute Besetzung durch ausländische Truppen (darunter Griechen, Türken und Italiener) nach den Unruhen 1997 machte vielen zu schaffen. Noch schwerer zu verkraftet war, dass griechische Soldaten auf albanischem Boden Albaner erschossen.

Es wird schwierig sein, diese Albaner von ihren Verschwörungstheorien abzubringen. Rivalitäten unter den Völkern des Balkans verhindern aber den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region, denn sie haben Unsicherheit zur Folge und verbrauchen Energie. Andererseits ist auch denkbar, dass wohlhabendere Menschen eher auf Gehässigkeiten verzichten.

Wie bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung und der Vermittlung demokratischer Werte wird auch hier unsere Hilfe notwendig sein, damit die Völker auf dem Balkan in Frieden und ohne wirtschaftliche Not leben können.

Lars Haefner, Chefredaktor

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