Ich habe diesen Beitrag mit grösstem Interesse verfolgt und ich weiss nicht welche Gefühle ich dabei am meisten empfand, war es Wut, Trauer, Schmerz oder einfach dieses Gefühl zu verspüren, machtlos dem gegenüber zu stehen, was dein Charakter schon immer als masslose Ungerechtigkeit abgetan hatte.
Auch wenn der Beitrag nach meinem Geschmack zu extrem über die Vorfälle aussagte und sich einfacheitshalber bei den Rückschlüssen beim Kanun bediente, deckte es nichtsdestotrotz eine traurige Wahrheit auf, die schon zu oft mit grösster Härte unter einem grauen Schleier verdeckt wurde und immer noch unter einem Vorwand von „zurechtgelegten“ Traditionen verdeckt wird.
Ich schäme mich dafür, dass wir in diesem Beitrag mit Türken und Pakistanern im gleichen Atemzug unter dem Schlagwort Zwangsheirat genannt wurden, so als ob unsere kulturellen Vermächtnisse mit denen der Türken und weiter tief im Orient sitzenden Ländern wie Pakistan gleichzusetzen ist; so als ob wir keine abendländische Kultur haben/pflegen sondern irgendwo fernab von Europa und dem Westen in der morgenländischen Wüste schmoren.
Ich schäme mich und bin zugleich zu tiefst entsetzt über die Aussage, dass 50% der gemeldeten Vorfälle bei der Zwangsheirat.ch-Organisation „Kosovaren“ seien, also sprich Albaner (Lehrt mich eines Besseren, wenn diese Aussage im Beitrag nicht anzutreffen ist).
Ich bin entsetzt, wie Fatmir über seine Heirat gesprochen hat, welchen Druckmitteln er ausgesetzt wurde und wie seine Sanktionen aussehen würden, wenn er „Nein“ gesagt hätte. Ich war geschockt so was aus einem albanischem Munde zu Hören.. Sieht so eine albanische Elternliebe bei uns aus, sieht so eine albanische partnerschaftliche Liebe aus und sieht so eine albanische Heirat bei uns aus? Sehen so unsere Traditionen und kulturellen Besonderheiten aus, die man unter Umständen getrost mit den Worten Unterdrückung, gnadenlose Gehorsamkeit und kein Recht auf partnerschaftliche Liebe, kein Recht auf eigene Entscheidungen und kein Recht auf Selbstbestimmung umtauschen könnte?
Um den Trotzigen schon vorab den Wind aus den Flügeln zu nehmen. Zwangsheirat bedeutet für mich auch dann, wenn man „Nein“ sagt und dabei mit Sanktionen und elterlichem „Liebesentzug“ rechnen muss.
Mindestens 90% der albanischen Lieder handeln über die Liebe zwischen Mann und Frau, über die wahre Liebe und deren Bedeutung, dabei ist dieses Wort gleichzeitig für viele ungebildete wie auch gebildete albanischen Eltern so bedeutungslos und irrelevant wie eine Fliege auf dem Misthaufen ( Die Liebe ist ja nur eine romantische Aufmachung von Schwächlingen, die nicht wissen, dass Liebe kommt und geht und dass Liebe planbar ist..) oder wird erst dann hervorgekramt, wenn vorgängig alle ihre Kriterien und Wünsche von ihrer Idealbesetzung Namens Schwiegersohn/tochter erfüllt sind. Doppelmoral? Ist das Liebe? Sollte so eine „Liebe“, die in erster Linie dazu dient die Eltern glücklich zu stimmen, eine Heirat einläuten und die Leben der Söhne/Töchter bestimmen?
Wir quasseln uns den Mund voll mit unserer hoch gelobten Freiheit, Selbstbestimmung mit unserem Gelöbnis zur Demokratie und zur Rechtsstaatlichkeit dabei verlieren diese Dinge schon ihren Wert bei den kleinsten Zellen eines Staates, nämlich wenn man auf zahlreichen albanischen Familien trifft, die ihre Familienordnung nicht demokratisch sondern archaisch, patriarchalisch und autoritär führen. Vorbei ist es da schon mit diesen Begriffen. Freiheit und Selbstbestimmung nur solange man die Vorstellung der Eltern, allen voran dem Vater und der Brüder nicht torpediert. Ein Junge darf sich mit bikulturellen und binationalen Frauen vergnügen, solange es nicht zur Heirat kommt, während das Mädchen keinen Freund haben darf, auch keinen Albaner wenn es den Eltern nicht passt und stets auf ihren Ruf zu achten hat und ihr Weg schon von den Eltern vorbestimmt ist. Ist dieses Verständnis, übliche albanische Handlungsweise?
Wir Albaner sind für unsere fürsorgliche Kinderliebe und den Familienzusammenhalt bekannt, doch ich frage mich seit wann es zum Repertoire einer behutsamen Kindererziehung und Kinderliebe dazugehört, wenn man seine Wunschvorstellungen und seine Ansichten von einer partnerschaftlichen Bindung oder Leben in das Gewissen seines Kindes einrammt und dem Kind von Klein auf Schwarz-Weiss Denken beibringt, die dem Kind vermitteln, dass seine Wünsche und Vorstellungen nebenrangig und zu unterdrücken sind wenn es mit der Ansicht der Eltern nicht übereinstimmt. Seit wann es erzieherisch und moralisch vertretbar ist, das Kind mit erpresserischen Mitteln gefügig zu machen und zum Heiraten einem/r ausgesuchten Mann/Frau zu bewegen und ihm mit Ausschluss aus der Familie, Liebesentzug und Depressionen zu drohen, wenn er/sie nicht Gehorsamkeit zeigt, dabei aber ihnen egal ist ob sie die Psyche des eigenen Fleisch und Blutes schädigen, das Glück und das Leben des Kindes zerstören? Hört Kinderliebe da auf, wenn man die Gedanken der Eltern über sich selber nicht vollkommen 1:1 übernehmen kann?
Dient dieses Jungfraudasein nur dazu da, um die eigene Attraktivität auf dem Heiratsmarkt zu steigern und die Wahrscheinlichkeitschancen bei der ausgesuchten Wahl der Eltern zu erhöhen? Sollte dieses Aufsparen und sich Enthalten nicht eher Sinnbild für das Besondere stehen, was man nur einem Jungen/Mädchen erst- und letztmalig aushändigen möchte, dem/die man von Herzen liebt und der/die es verdient hat, dieses Sinnbild ausgehändigt zu bekommen – und sich nicht von einem/einer anfassen und begrabschen zu lassen, der/die vorgängig sein/ihr Sextagebuch reichlich mit Inhalten zugekleistert hat und nur zu dieser „Ehre“ gekommen ist, weil die eigenen Eltern ihn oder sie für eine gute Partie halten, weil die Eltern die materiellen und hoch ansehenden Titeln vor seinem/ihrem Charakter und seiner/ihrer Einstellungen voranstellen. Soll die Bedeutung der Keuschheit auf diese Weise zielen? Soll Mann/Frau mit Jemandem schlafen und die Unschuld verlieren, ohne dass so etwas wie Vertrauen und Liebe existiert? Ist so unsere albanische Mentalität gegliedert?
Ich wehre mich dagegen, wenn jemand sich mit unseren Traditionen und kulturellen Eigenschaften profiliert und dabei unter diesen Deckmänteln Unterdrückung, Ungerechtigkeit und menschenunwürdiges Verhalten versteht. Seit wann ist es denn Tradition, dass man seine Kinder zwangsverheiratet? Traditionen sollten werteerhaltend sein und positiv die Eigenschaften eines ganzen Volkes ausdrücken. Jeder der Traditionen in sich und mit sich trägt, weiss, dass man mit diesen Trumpfkarten einen Unwissenden positiv über sein Land und sein Volk berichten und beeindrucken kann – und nicht mit zu Recht gelegten angeblichen Traditionen um sich schlägt und missbraucht, nur um den harten, gnadenlosen, gefährlichen Albaner zu markieren. Genau so ist es mit der „Ehre“. Ehre sagt genug über den eigenen Charakter etwas aus. Ehre ist die moralische Reflektion seines eigenen Verhaltens bei verwerflichen Situationen und nicht, wie ein paar meinen, dass man Ehre mit dem Auf Schritt und Tritt Verfolgen und Unterdrückung der Schwester oder Tochter für sich gewinnt. Das kann meiner Meinung nach eine türkische oder orientalische Auslegung der Ehre sein, aber bestimmt keine albanische!
Ein weiser Aristoteles hatte mal gesagt „Wer die Sicherheit der Freiheit vorzieht, der ist zu Recht Sklave“ und wer sich diese Weisheit nicht zu Herzen nimmt, der wird diese von einigen albanischen Eltern aufgezwungene und Unterdrückung nicht ausmerzen können und erweist damit der albanischen Gesellschaft, unserer Generation einen Bärendienst. Wen sich niemand diesem Missstand überzeugend auflehnt und sich selber und seinen Werten und Prinzipien unter schwierigsten Umständen nicht treu bleibt, wird es kein Anderer tun und dieser Teufelkreis wird kein Ende finden. Denn wie wir wissen kommt diese Ablehnung nicht nur bei ausländischen Partnern vor, sondern auch bei Albanern und Grenzen werden auf diese Weise unter uns Albanern gezeichnet, nur weil man sich als etwas besseres fühlt als der Albaner aus Albanien, der Albaner aus Mazedonien ihnen zu religiös erscheint und die ganzen Klischees über diesen und jenen Albaner als Abwehrhaltung herunterklappert. Es ist schon schwer genug, als heranreifende/r Albanerin in einem fremden Land, in dieser Welt und in dieser verkommenen Gesellschaft eine vertrauenswürdige Person zu finden, bei dem man aufrichtig liebt und sich behütet fühlt und die Vorstellung einer Heirat einem keine Angstzustände bereitet sondern ein Lächeln herbeizaubert – und genau deswegen und nur deswegen sollte eine Heirat geschlossen werden – und nicht aus irgendwelchen Interessen und Berechnungen. Aber ich mache mir diesbezüglich nicht allzu grosse Hoffnungen, eine Ungerechtigkeit wird in eine Gerechtigkeit umgetöpfert und als Selbstverständlichkeit willenlos angenommen, ein Albaner darf keine selbstgewählte Liebe eingehen, darf nicht lieben und muss schon vorbestimmt eine Zweckgemeinschaft eingehen. Mit dem Hirn denkend und mit dem Herz fühlend durch das Leben zu gehen ist ein schweres Vergehen und wird geahndet. In diesem Sinne Adé liebes Albanien, liebe albanische Gesellschaft, adé Hirn und adé Herz. Als Dummer lebt man besser und sorgenfreier, zu jeder Zeit und zu jedem Erfordernis, im Zwecke der Anderen und der Gesellschaft dienend.
Morgen ist ein bedeutender Tag, für all jene, die sich heimatverbunden fühlen. Aber Stolz kann man unter diesen oben genannten Gesichtspunkten und Aspekten nicht fühlen, nicht für solche Leute, die das Albanisch Sein verschandeln und stolz als albanische Handlung anderen verkaufen – aber was einem bleibt ist die ruhmreiche albanische Vergangenheit und ich kann nur für diese Helden wie Naim und Sami Frasheri, Isa Boletini, Hasan Prishtina, Bajram Curri, Idriz Seferi, Shote Galica, Anton çeta, Fehmi Lladrovci, Adem Jashari Stolz empfinden.
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