Mi, 24. Okt 2007, 9:52
Ausländerkriminalität
(Aus Vernunft Schweiz)
Die Kriminalität und die Integration von Ausländern in der Schweiz ist immer wieder ein Thema in den Medien und öffentlichen Diskussionen. Um dieses heikle Thema auf sachlicher Ebene zu diskutieren, ist es wichtig, die Fakten zu kennen. Dieser Text soll anhand von statistischen Daten und Analysen einen objektiven Überblick über die Thematik verschaffen.
Ausländer in der Schweiz
Ende des Jahres 2005 lebten rund 1,7 Mio. Ausländer in der Schweiz, was 21,9 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Seit dem 2.Weltkrieg stieg dieser Anteil von damals gut 5% fast ohne Unterbruch stetig an und ist heute im internationalen Vergleich sehr hoch. So haben in Europa nur Liechtenstein und Luxemburg höhere Ausländeranteile. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern weniger Ausländer einbürgert. 23,3% der in der Schweiz lebenden Ausländer sind hier geboren. In Deutschland z.B. sind es 20%, in Italien 12% und in Spanien 5%.
Die meisten Ausländer, die Ende 2005 in der Schweiz lebten, stammen aus Europa (85%). EU- und EFTA-Staatsangehörige (siehe Kasten) machen 58% der Ausländer in der Schweiz aus. Die grösste Nationalitätengruppe bilden dabei die Italiener, gefolgt von Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, Deutschland und Portugal. Ausländer leben in der Schweiz eher in den Städten als auf dem Land. Der Kanton Genf hat mit 38% den schweizweit höchsten Anteil an Ausländern, während der Anteil in Uri und Nidwalden mit 9% bzw. 10% am tiefsten ist.
Kriminalität
Unter Kriminalität versteht man das Begehen von unerlaubten, d.h. vom Staat verbotenen Handlungen. Um etwas zu verbieten braucht es immer ein Gesetz. Am meisten Verstösse gibt es gegen das Strassenverkehrsgesetz (SVG), gefolgt vom Strafgesetzbuch (StGB), dem Betäubungsmittelgesetz (BetmG) und dem Gesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt von Ausländern (ANAG) (Details siehe Kasten S.2).
Die Kriminalität zu messen ist schwierig, denn ein Teil der verbotenen Handlungen wird nie bekannt, z.B. wenn jemand zu schnell fährt und es keine Radarmessung gibt oder wenn ein Opfer eine Körperverletzung nicht anzeigt. Zusätzlich werden Bussen unter 5'000.- Fr. und gewisse Urteile statistisch nicht erfasst.
Um die Anzahl bekannter Fälle von Kriminalität zu messen, könnte man z.B. die Anzeigen bei der Polizei oder die von einem Gericht verurteilten Personen zählen. Zählt man die Anzeigen, hat man aber das Risiko, dass auch Fälle, in denen der mutmassliche Täter schlussendlich als unschuldig gilt, mitgezählt werden. Hinzu kommt, dass die Zahl der Anzeigen von den kantonalen Polizeikorps unterschiedlich erfasst wird und die Daten nur beschränkt vergleichbar sind. Deshalb wird in diesem Text die Zahl der gerichtlich verurteilten Erwachsenen als Kennzahl für die Kriminalität benutzt.
Sind Ausländer krimineller als Schweizer?
Die untenstehende Grafik zeigt die Anzahl der verurteilten Erwachsenen pro 1'000 Einwohner, für Schweizer und für Ausländer. Auf den ersten Blick scheinen die Ausländer deutlich krimineller zu sein. So wurden z.B. im Jahr 2005 rund 30 von 1'000 Ausländern verurteilt, während nur 8 von 1'000 Schweizer verurteilt wurden.
Diese Zahlen sind allerdings unbereinigt. Um beurteilen zu können, ob Ausländer gegenüber Schweizern tatsächlich häufiger verurteilt werden, sollten die folgenden Punkte berücksichtigt und statistisch bereinigt werden:
Abb. 1: Anzahl verurteilte Erwachsene (unbereinigt), pro 1000 Pers. ständige Wohnbevölkerung, Daten: BFS
Ein Teil der Verurteilten waren Ausländer, die keinen ständigen Wohnsitz in der Schweiz haben z.B. Grenzgänger, Touristen oder Asylsuchende. Eine Studie der Arbeitsgruppe Ausländerkriminalität der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat die Daten des Jahres 1998 (aktuellere Analysen gibt es nicht) analysiert und errechnet, dass rund 20% der Verurteilten keinen ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatten. Dieses Phänomen heisst Kriminaltourismus. Gründe für diesen grossen Anteil der Kriminaltouristen sieht die Studie im hohen Lebensstandard der Schweiz und den – vor allem für Kriminelle aus Drittweltländern – vergleichsweise „angenehmen“ Gefängnissen. Verurteilte Ausländer ohne ständigen Wohnsitz in der Schweiz müssen von der gesamten Zahl der verurteilten Ausländer abgezogen werden, weil sie nicht zur ständigen Wohnbevölkerung gehören und man nicht weiss, wie viele Ausländer ohne ständigen Wohnsitz sich durchschnittlich in der Schweiz aufhalten. Aus diesem Grund kann auch nicht bestimmt werden, ob Ausländer, die nicht in der Schweiz wohnhaft sind, krimineller sind als Schweizer.
Ein weiterer Grund, weshalb die Ausländerkriminalität auf den ersten Blick so hoch scheint, sind die Verurteilungen aufgrund des ANAG (s. Kasten). Gegen die meisten Strafbestimmungen dieses Gesetzes können nur Ausländer verstossen (z.B. illegaler Aufenthalt in der Schweiz). Die Verstösse gegen das ANAG machten im Durchschnitt der vergangenen Jahre 10-12% der Verurteilungen aus. Diese Urteile müssen von der Zahl der verurteilten Ausländer abgezogen werden. Aus dem gleichen Grund müssen Urteile gemäss Militärstrafgesetz (s. Kasten), gegen das nur Schweizer verstossen können, von der Zahl der verurteilten Schweizer abgezogen werden.
Ebenfalls bereinigt werden müssen die so genannten soziodemografischen Faktoren. Wie die Statistiken zeigen, werden Männer im Vergleich zu Frauen und junge Menschen im Vergleich zu älteren deutlich häufiger verurteilt. Ausländer in der Schweiz sind besonders häufig jung und männlich, was ebenfalls ein Teil der höheren Verurteilungsrate erklären kann.
Da die aktuellen Daten der verurteilten Personen in der Schweiz nicht detailliert genug veröffentlicht werden, kann man die Anzahl der Verurteilungen nicht genau bereinigen. Es gibt jedoch (ältere) Studien des Bundesamts für Statistik (BFS) für die Verurteilungsjahrgänge 1991 und 1997 sowie die bereits erwähnte Studie der KKJPD (1998), die eine solche statistische Bereinigung der Daten - so gut sie möglich ist - vornehmen.
Die Ergebnisse dieser Studien sind vergleichbar und kommen zum Schluss, dass die in der Schweiz wohnhaften Ausländer gesamthaft gesehen nicht bzw. kaum krimineller sind als Schweizer, wenn die oben genannten Faktoren berücksichtigt werden. In den einzelnen Bereichen gibt es aber auch nach der Bereinigung teilweise markante Unterschiede. Vor allem wegen Gewaltdelikten des Strafgesetzbuchs wurden junge ausländische Männer (18-29 Jahre) mit Wohnsitz in der Schweiz im Jahre 1998 bis zu 2.6 mal häufiger verurteilt als Schweizer der gleichen Altersgruppe. Im Gegensatz dazu wurden z.B. Ausländerinnen in allen Altersgruppen gesamthaft weniger häufig verurteilt als Schweizerinnen.
Extrem war die Situation bei den männlichen Asylsuchenden, die separat erfasst werden. Diese wurden bei fast allen Vergehen (Ausnahme: Strassenverkehrsgesetz) zwischen 3 bis fast 14mal (bei Verstössen gegen das BetmG von über 39-jährigen) häufiger verurteilt als gleichaltrige Schweizer Männer.
Innerhalb der Gruppe der Ausländer wurden zudem Osteuropäer verhältnismässig häufiger verurteilt als Westeuropäer. Erstaunlicherweise wurden unter 40-jährige Ausländer, die erst seit kurzer Zeit in der Schweiz leben, weniger häufig verurteilt als Ausländer, die bereits seit einiger Zeit in der Schweiz leben oder hier geboren sind. Bei den über 40-jährigen verschwinden diese Unterschiede beinahe.
Teilweise wird argumentiert, der Unterschied in der Kriminalität sei in der Realität grösser als in den Statistiken, weil ein Grossteil der kriminellen Schweizer eingebürgerte Ausländer seien. Dies zu überprüfen ist uns nicht möglich, da es keine Statistik gibt, welche zwischen eingebürgerten Ausländern und gebürtigen Schweizern unterscheidet.
Massnahmen
Im internationalen Vergleich ist die Kriminalität in der Schweiz, gemäss der KKJPD-Studie, trotz des hohen Ausländeranteils gering. Wenn man aber erreichen möchte, dass in der Schweiz lebende Ausländer und Asylsuchende bei allen Delikten, Geschlechter- und Altersgruppen nicht häufiger als Schweizer verurteilt werden und der Kriminaltourismus eingeschränkt werden soll, besteht dennoch Handlungsbedarf.
Eine mögliche Massnahme wäre, die Integrationsbemühungen zu verstärken. Ziel der Integration ist die Eingliederung der Ausländer in die Gesellschaft sowie deren Anpassung an die Landeskultur. Man geht davon aus, dass gut integrierte Ausländer unter anderem weniger unter Arbeitslosigkeit leiden und weniger kriminell sind. Der Bund hat 1999 eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um Geld für Integrationsbemühungen einzusetzen. 2001 bis 2003 wurden erstmals verschiedene Projekte mit insgesamt rund 34 Mio. Fr. unterstützt. Zusätzlich geben auch die Kantone Geld für Integrationsförderung aus. Beispielsweise hat der Kanton Zürich im Jahr 2005 Projekte mit insgesamt 434'830 Fr. mitfinanziert. Unterstützt werden beispielsweise Sprachkurse, in denen die Ausländer lernen, sich in Alltagssituationen zurechtzufinden.
Wenn man die heutige Situation betrachtet, so kann bezüglich der sprachlichen Integration festgestellt werden, dass heute mehr Ausländer eine Landessprache sprechen, als noch vor 10 Jahren. So gaben bei der Volkszählung 2000 62,3% der Ausländer eine der Schweizer Landessprachen als Hauptsprache an (1990 waren es 56,7%). Die Arbeitslosigkeit, als ein anderes Anzeichen für die Integration, ist bei Ausländern mit 6,4% (2005) aber immer noch fast doppelt so hoch wie diejenige der Schweizer.
Die Wirkung von Integrationsmassnahmen ist teilweise umstritten. Beim Kriminaltourismus dürfte sie beinahe wirkungslos sein, da diese Personen nicht in der Schweiz leben und deshalb nicht von Sprachkursen usw. profitieren können. Auch bei den Asylsuchenden ist es fraglich, inwiefern die meist langfristig angelegten Integrationsbemühungen die Kriminalität senken können.
Andere Seiten fordern, kriminelle Ausländer aus der Schweiz auszuweisen. Das ANAG und die dazugehörige Verordnung gibt den Kantonen die Möglichkeit, verurteilte Ausländer aus der Schweiz auszuweisen, wenn dies angemessen ist. Ausgewiesene Personen dürfen das Gebiet der Schweiz nicht mehr betreten. Bei Asylbewerbern bzw. Asylanten kann das Asyl beendet oder nicht gewährt werden, wenn sie verwerfliche Straftaten begangen haben. Ob durch häufigere bzw. strengere Ausweisungen die Zahl der kriminellen Ausländer gesenkt werden könnte, ist unklar. Bei Kriminaltouristen wäre die Wirkung wahrscheinlich gering.
Weitere Massnahmen sind, vermehrt Kontrollen an Grenzen und im Inland durchzuführen, was jedoch nur bei gewissen Delikten (z.B. Schmuggel) etwas bringen kann. Höhere Strafen zu verhängen ist eine Möglichkeit, die sowohl Ausländer wie auch Schweizer abschrecken könnte. Diese Massnahmen sind jedoch auch mit höheren Kosten verbunden, gegen die man den zu erwartenden Nutzen abwägen müsste.
Einfach erklärt
Ausländer
Als Ausländer gilt jemand, der sich in der Schweiz aufhält und keine Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt.
Der grösste Anteil der Ausländer in der Schweiz besteht aus Niedergelassenen (d.h. Ausländer mit Niederlassungsbewilligung C). Daneben gibt es noch Aufenthalter (Aufenthaltsbewilligung B), Kurzaufenthalter (Bewilligung L oder B mit Gültigkeit von weniger als einem Jahr), Personen im Asylprozess und internationale Funktionäre.
Ausländer zweiten Grades (auch Secondos oder zweite Generation genannt) sind Ausländer, die in der Schweiz geboren sind. Deren Eltern sind jedoch im Ausland geboren.
Migrant
Migranten sind Personen, die nicht in der Schweiz geboren, aber eingewandert sind. Dies ist unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Auch eingebürgerte Schweizer können Migranten sein.
Einfach erklärt
Zur EU-25 (Stand der Europäische Union bis 1.5.2004) gehören: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Zypern.
Zur EFTA (Europäische Freihandelsassoziation) gehören: Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.
Profi-Wissen
Strassenverkehrsgesetz (SVG)
Hierunter fallen Delikte wie Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeugs. Dies ist das am häufigsten verletzte Gesetz: 52% aller Urteile bezogen sich 2005 auf dieses Gesetz.
Strafgesetzbuch (StGB)
Dazu gehören Verbrechen gegen Leib und Leben (z.B. Mord, Körperverletzung) und Vermögensdelikte. 2005 haben in der Schweiz 32,2% der Verurteilten unter anderen gegen Gesetzesartikel des StGB verstossen.
Betäubungsmittelgesetz (BetmG)
Darunter fallen z.B. Drogenhandel und -besitz. Dieses Gesetz haben 2005 ca. 11,6% aller Urteile in der Schweiz betroffen.
Bundesgesetz über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG)
Gegen dieses Gesetz können meist nur Ausländer verstossen. Straftatbestände sind z.B. illegaler Aufenthalt in der Schweiz. 11,5% aller Verurteilten kamen 2005 u.a. mit dem ANAG in Konflikt.
Militärstrafgesetz (MStG)
In diesem Gesetz sind Straftaten im Militärdienst wie z.B. Ungehorsam oder Missbrauch der Befehlsgewalt geregelt. Gegen dieses Gesetz können nur Schweizer verstossen, weil Ausländer keinen Militärdienst leisten müssen. 2005 machten die Urteile aufgrund des MStG 1% aller Urteile aus.