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Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: So, 23. Feb 2014, 23:25
von GjergjD
volkergrundmann hat geschrieben:
Willkommen im Bermuda-Dreieck um den Ostrovica. Hatten wir nicht letztens jemanden, der über Krushova nach Lozhan getobt ist? Lustig vor allem Googles Zeitberechnung: 19 Minuten ab Voskopoja!
Wäre mal interessant, welche Durchschnittsgeschwindigkeit man auf solchen Strecken zugrunde legen sollte. Hier kalkuliert google immerhin schon mit 20-30 km / h..
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 24. Feb 2014, 0:01
von volkergrundmann
GjergjD hat geschrieben:
Wäre mal interessant, welche Durchschnittsgeschwindigkeit man auf solchen Strecken zugrunde legen sollte. Hier kalkuliert google immerhin schon mit 20-30 km / h..
Nachprüfung meiner Tracks ergibt, dass die Lästerei eigentlich nur bedingt begründet ist. Der Track verzeichnet von Voskopoja bis Shipcka-Bergansatz 22 Minuten. Die Strecke ist von der Qualität etwas besser und auch etwas kürzer als die nach Krushova abweichende, schätze also, der reale Bedarf dorthin wäre etwa 30-35 Minuten.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 24. Feb 2014, 0:09
von GjergjD
Hallo Volker, also so ca. 15 / km in der Stunde. Da kann man ja während der Fahrt auch noch bequem Blumen pflücken, wenn nicht der Schlamm wäre
Danke.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 24. Feb 2014, 0:23
von volkergrundmann
GjergjD hat geschrieben:Hallo Volker, also so ca. 15 / km in der Stunde. Da kann man ja während der Fahrt auch noch bequem Blumen pflücken, wenn nicht der Schlamm wäre
Danke.
Das kommt wohl hin, und ich kann für viele albanischen Bergregionen auch nicht zu höheren Schnitten raten. Diese Wege werden bekanntlich hin und wieder gesplittet, aber mit Material, das man einfach aus einem seitlichen Berghang entnimmt, der das her gibt. Wenn dort, was nicht selten der Fall ist, scharfkantiges, flaches Bruchmaterial ansteht, dann arbeitet sich das bei höheren Geschwindigkeiten als 20 km/h in die Reifen. Ich habe in solchen Gegenden mindestens dreimal Reifen eingebüßt, weil ich es zu eilig hatte.
Stadt Memaliaj
Verfasst: Di, 25. Feb 2014, 23:21
von GjergjD
Memaliaj ist vielen bekannt als Etappenpunkt vor Tepelena (dort wo die Nationalstraße so richtig schlecht war - oder immer noch ist).
Die Siedlung läuft Gefahr, ebenfalls in die Kategorie "Geisterstadt" zu geraten.
Als Stadt für die Beschäftigten im Bergbau erst 1946 konzipiert, hat sie nach der Schließung der Steinkohle Förderung ihre Bedeutung eingebüßt - und damit auch ihre Einwohner . Das aktuelle Video zeigt die Details und schaut zurück.
http://youtu.be/mnWdnbvy8Cc
Ein interessantes Detail: Die Stadt liegt wie auf einer Halbinsel eingebettet in die Biegung des Flusses Vjosa. Die Dorfbewohner vom jenseitigen Ufer (auch die Schulkinder) nutzen zum Übersetzen eine primitive Seilbahn mit einem Käfig aus Metall an einem dicken Draht – oder das Boot, denn die nächste Brücke wäre ein Umweg. (Auch bei 09:30 im Video zu sehen)
Bildquelle: LSA / Studio-Agentur für Gazeta Dita vom 25.02.2014
http://youtu.be/yveir-CUe4A
Kardhiq
Verfasst: Mo, 31. Mär 2014, 22:18
von GjergjD
Das Dorf
Kardhiq mit seiner Burg im Kreis Gjirokastra hat eine bewegte Vergangenheit, am 15. März 1812 wurde der Ort mit mehr als tausend Häusern von Ali Pasha zerstört, dabei starben 730 Bewohner! Heute ist der Ort auch weitghend verlassen, wie man auf der Erkundungsfahrt von Marin Mema erfährt. Nur noch zwei Familien leben dort, einer der Bewohner kommt auch zu Wort. Dorfschule, Laden, Kulturhaus und Gesundheitszentrum, alles ist geschlossen, die Bewohner sind nach der Wende abgewandert. Am Ort soll die neue Straße nach Delvina vorbeiführen, aber der Ausbau ist schon seit Jahren eingestellt (ich hatte an anderer Stelle darüber geschrieben). Nach Kardhiq kommt man nur mit einem SUV, der Weg ist schlecht.
https://ssl.panoramio.com/photo/52721546
http://youtu.be/WHpwPdpAnxM
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 31. Mär 2014, 22:51
von volkergrundmann
Merkwürdig, diese Verzerrungen der Wahrnehmung: Zum einen: Da sei Jahren von dieser gewaltigen Straße „über Kardiq“ die Rede ist, hatte ich immer den Eindruck, es müsse sich um ein bedeutendes, lebendiges Siedlungszentrum ,vielleicht gar eine Kleinstadt, handeln. Gibt es überhaupt eine Begründung, warum der Bau der Straße eingestellt wurde?
Zum anderen: Die Wahrnehmung des Ali Pasha im Westen: Hier erscheint er, durch mehrere Romane glorifiziert, als so eine Art edler Held, Kämpfer gegen die Allmacht des osmanischen Sultans. Tatsächlicher war er wohl der ruchloseste Verbrecher seiner Zeit auf dem Balkan. Auf sein Konto geht die Zerstörung und Entvölkerung dutzender Ortschaften, man weiß gar nicht, wie viel. Nivica, Himara und Berat auf alle Fälle. Wer Vithkuq und Voskopoja zerstörte, ist nicht bekannt. Ich tippe sehr stark, dass auch die beiden auf sein Konto gehen.
Verigo (Kreis Delvina)
Verfasst: Mo, 14. Apr 2014, 23:22
von GjergjD
Gerade war er noch in Kardiq, jetzt arbeitet Mema auf der anderen Seite der Berge die Gemeinde
Vergo an dieser geplanten Überlandverbindung ab. Die Dörfer dort gehören zum Kreis Delvina und sind ebenfalls stark entvölkert. In die Kreisstadt sind es 25 lange km.
Im Dorf Senice hinter Vergo lebten einst 70 Familien, heute sind es noch drei. Im Dorf Tatzat weiter nördlich leben noch 25 von einst 150 Familien.
http://youtu.be/73u_D_CWRXU
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Di, 15. Apr 2014, 9:30
von Estra
Das ist ein allgemeines Problem, dass die Jugend aus den Bergregionen oder schlecht zugänglichen Dörfern abwandern.
Um das zu verhindern braucht es gezielte staatliche Förderung für diese Gebiete, gute Erreichbarkeit und auch ein Umdenken und vor allem zukunftsorientierte Ideen, die die Jungen nach Schule/Studium wieder zurück bringen.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Di, 15. Apr 2014, 10:09
von volkergrundmann
Die Landflucht ist übrigens kein Problem nur des Balkans. In Deutschland, speziell in Ostdeutschland, hat die Flucht der Jungen voll eingesetzt und wird nur dadurch kaschiert, dass die Alten bleiben und mit Hilfe ihrer meist ausreichenden Renten die Grundstücke im Dorf recht gut instand halten können. Wenn sie sterben, werden auch diese Dörfer schnell verfallen. Grund: Der Staat dünnt die Schulen aus, die Kinder müssen ewig weit mit dem Bus fahren und früh zeitig raus. Das ist für junge Familien der Horror, sie ziehen lieber in die Stadt.
Die albanischen Geisterdörfer, speziell jene in den ehemals reichen Südregionen, bieten aber zum Teil noch sehr interessante historische Architekturreste, Wehrhafte Häuser, dunkle Arkaden, enge, getreppte Gassen, oft noch schöne Kirchen. Meist sind sie richtig romantisch mit Oleander bewachsen. Für Wanderer oder 4x4-Fahrer ist es oft sehr reizvoll, diese Dörfer zu besuchen. Ich denke, speziell Kalasa und Tatzat gehören auf alle Fälle zu den lohnenswerten. Es gibt aber auch in der Gegend südlich vom Syri Kalter noch recht intakte, meist von Griechen bewohnte Dörfer, das sind noch wahre Schätze, etwa Dhrovian, mit seinen vielen Kirchen und seinem höchst eigenartigen Zisternenbrunnen.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 17. Nov 2014, 22:37
von GjergjD
Mal wieder ein Beitrag zur schwierigen Lage auf dem Lande: Nur drei Kilometer Luftlinie von Poliçan entfernt liegt das Dorf
Zgërbonje, Gemeinde Vertop, trotz Sichtweite nur mit längerem Umweg zu erreichen, da auf der Anderen Seite des Osumi gelegen.
Es gibt auch Lichtblicke, Emigranten haben den Gesundheits-Stützpunkt renoviert ein kleines privates Museum eingerichtet.
40.58614,20.088624
http://youtu.be/UZ0bz3CLXdU
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 17. Nov 2014, 23:31
von volkergrundmann
Über das Dorf verläuft übrigens eine überaus anspruchsvolle "Abkürzung von der Berat-Kelcyra-Straße nach Polican. Aber nur 4x4 mit Geländeuntersetzung!
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Fr, 05. Dez 2014, 22:19
von GjergjD
Selcka, Geburtsort von Pandeli Sotiri (vermutlich 1843-1891, auch andere Angaben), dem Begründer der ersten albanischen Schule in Korça.
Das Dorf in der Region Lunxhëri liegt etwas abseits der Nebenstraße von Libohova und Poliçan und könnte aufgrund der alten Bausubstanz wohl auch als Museumsdorf bezeichnet werden. Die üblichen Probleme in einem langsam aussterbenden Dorf, das nur schwer erreichbar ist.
http://youtu.be/C8woehCDEFI
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 15. Dez 2014, 22:34
von GjergjD
Armut und Verfall prägt das Bild im heute im albanischen Fernsehen vorgestellten Bergdorf
Selita e Malit, Gemeinde Zall-Bastar (Tirana).
http://youtu.be/FASji9uSJPo
aaaaallex beschrieb den Abschnitt der
Route von Klos über Shengjergj nach Labinot Fushe, die am Dorf in einiger Entfernung vorbei führt als "sehr schwierig"
Mit dem Geländewagen kommt man noch bis zu den schönen Wiesen und der bekannten Quelle
Burimet e Selitës (Lage in der Nähe von 41.378515,20.015178). Es sind die wichtigsten Quellen für die Trinkwasserversorgung von Tirana, seit 1951 eine Leitung gebaut wurde.
Nur 35 km trennen uns vom Zentrum von Tirana, aber wir befinden uns hier in einer komplett anderen Welt und nun ist Kraxeln angesagt, nach 40 Minuten Bergauf hat man die ersten Häuser erreicht.
Das Dorf verfügt über eine teilweise wertvolle Bausubstanz, die aber schwer beschädigt ist. Die Kulla e Fisit Gega verfügt über interessante Steinmetzarbeiten (man beachte die Bilder am Ende des Videos).
Die Ortsteile hatten einmal drei Schulen, wovon die größte über 120 Schüler und 12 Lehrer verfügte samt Biologie- und Chemie Labor. heute gibt es nur noch 16 Schüler dort.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Mo, 02. Mär 2015, 21:10
von GjergjD
Bericht aus einem der abgelegensten Dörfer hinter Maliq im Kreis Korça. Marin Mema besuchte das langsam aussterbende Dorf
Desmira (19 km hinter Maliq, Koordinate 40.760813,20.580122). Hier leben noch 22 von einst 110 Familien, die Bauten verfallen. Die nächste Schule ist 6 km entfernt in Lozhan i Ri, ein weiter Weg ins Tal für die Kinder. Das Dorf war bekannt für seine landwirtschaftlichen Produkte, einst erntete man dort 280 Doppelzentner Kirschen, 3000 Doppelzentner Äpfel, aber auch Weizen und Bohnen. Ein Bewässerungskanal war vorhanden, es gab eine Schule und ein Gesundheitszentrum. Heute herrscht Apathie unter den verbliebenen Bewohnern, sie haben dort keine Zukunftsaussichten.
http://youtu.be/X2uHPvC57A4
Rabija (Tepelena)
Verfasst: Di, 14. Apr 2015, 19:50
von GjergjD
Wieder ein „Geisterdorf“, diesmal geht es mit Marin Mema in seiner aktuellen Reportage ins Dorf Rabija, Gemeinde Luftinja, Kreis Tepelena.
Es liegt auf der Koordinate 40.483833,19.941868 und wurde 1969 nach einem Erdbeben neu aufgebaut.
Die 4x4 Zufahrt verläuft von Norden, alle Transporte werden mit Tieren durchgeführt. Das Gemeindezentrum im Süden erreicht man nur zu Fuß in 2,5 Stunden, Memaliaj ist 7-8 Stunden entfernt, Fratar in Mallakastra nach 4,5 Stunden Fußmarsch.
Das Dorf ist von mehr als 800 Einwohnern auf 15 Familien geschrumpft. Die Schule, in der in den 80'er Jahren noch 150 Kinder von 12 Lehrern unterrichtet wurden, ist eine Ruine, es gibt noch 6 Kinder, die in einem Privathaus lernen.
https://youtu.be/VxL91DeKvzM
Zhepova, ein Dorf in der Großgemeinde Kelcyra
Verfasst: Sa, 26. Sep 2015, 1:05
von GjergjD
Hinter Suka bei Kelcyra (SH 74) endet die Zivilisation: folgt man der schlechten Serpentinenstraße 8 km nordöstlich, kommt man ins Bergdorf Zhepova, die Fahrt ist nur mit viel Bodenfreiheit möglich.
https://goo.gl/maps/YHXLZvzn3mC2
Von den mehr als 300 Häuser sind heute nicht mal mehr 80 bewohnt. Das Dorf war einst bekannt für seine ertragreiche Agrarproduktion, angebaut wurden große Mengen von Weizen, Wein, Äpfel, Nüsse usw. Eine Molkerei war in Betrieb. Heute ist alles in Verfall begriffen, 200 Bewohner leben noch im Dorf, aber ohne Traktoren oder Großgeräte zu besitzen. Zwei Furgone stellen die Verbindung zur Außenwelt her.
https://youtu.be/Zy8ALyxaAE4
Izvori (Kreis Tepelena)
Verfasst: Di, 27. Okt 2015, 21:48
von GjergjD
Ein weiteres typisches Beispiel für so eine "Geisterstadt" ist Izvori, es liegt nördlich von Tepelena auf der Koordinate
40.450408, 19.958377
Die Örtlichkeit war im Jahre 1969 das Epizentrum eines Erdbebens. In der Folge wurde an der Stelle relativ improvisiert eine Siedlung hochgezogen, "weder Stadt noch Dorf", seitdem war das Kohlebergwerk in Danaj der Hauptarbeitgeber, aber es schloss bereits 1995. Seitdem versuchten sich die Einwohner als Bauern und Viehzüchter. Eternit und Asbest bedrohen das Leben der Bewohner. Sie leben in bitterer Armut
https://youtu.be/xuzvszTV_NU
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Di, 27. Okt 2015, 22:32
von TiranaAlb
Fast alle Dörfer sind verlassen.
Im Sommer vielleicht einige da aber das wars. Ich könnte einige nennen. Was soll man da noch ?
Dieses Jahr war ich in einem Bergdorf. Den Leuten ging es wohl gut da aber da oben leben ? Für Junge unvorstellbar.
Re: "Geisterstädte" in Albanien
Verfasst: Di, 27. Okt 2015, 22:47
von volkergrundmann
Wir erleben in AL eine schwierige, vielleicht mehrere Jahrzehnte dauernde Übergangsfase, wo viele alte Bergdörfer durch Landflucht verfallen. Aber schauen wir auf das Beispiel Griechenland. Da sind in schon totgesagten Landschaften (Zagoria, Mani) nach Jahrzehnten die Nachkommen zurückgekehrt und haben die Dörfer, wenn auch oft nur für Urlaubszwecke, praktisch wieder erstehen lassen. Ich denke, wir werden einen ähnlichen Prozess auch in Albanien erleben. Bevor die griechische Krise kam, nahm das auch in Dörfern etwa an den Berghängen um Gjirokastra, schon seinen Anfang. Die (ethnisch griechischen) Leute, die eigentlich längst in Athen oder Thessaloniki wohnen, kamen im Sommer zurück und investierten in die Renovierung ihrer Sommersitze.