Hallo zusammen,
Ich habe lange hier herumgestöbert um eine Lösung für mein Problem zu finden, doch diese gab es nicht. Zunächst möchte ich ausdrücklich erwähnen, dass ich nur ehrliche Antworten möchte, von Menschen, die sich intensiv mit der Fragestellung auseinander gesetzt haben oder sogar in der gleichen/einer ähnlichen Situation waren. Meine Geschichte beginnt als ich 15 war. Ich hatte es in das Gymnasium geschafft und kam in ein neues Umfeld. Ich lernte viele neue Dinge, Ansichten und Menschen kennen. In meiner Schule gab es keine andern Albaner – Ich war die Einzige. Dies war zuvor ganz anders. Ich hatte vorher nur albanische Freundinnen, was daran lag, dass ich in einem Imigrantenquartier lebte und zur Schule ging und somit nur AlbanerInnen kannte. Ich hatte ein neues Kapitel geöffnet und war aufgeregt. Doch relativ schnell kam es in meiner Familie zu Kommentaren wie „AHA mit deinen Schweizerfreundinnen“. Ich hatte das ignoriert. Inzwischen bin ich viel älter und um die Geschichte abzukürzen: Ich bin in eine neue Welt eingetaucht. Ich habe keine albanischen Freundinnen mehr – höchstens Bekannte. Ich kann mich mit dieser Kultur nicht mehr identifizieren. Ich fühle mich voll und ganz als Schweizerin. Ich habe Schweizer – oder WAS AUCH IMMER – Freunde, die ich alle sehr mag und – nun kommt der springende Punkt - einen Schweizerfreund. Ich und mein Freund sind seit 3 Jahren ein Paar und er ist das Wichtigste auf der Welt für mich. Nur muss ich hier leider sagen, dass meine Eltern nichts von unserer Beziehung wissen – meine Mutter vermutet es aber, denke ich. Sie hat mir auch sehr klar zu verstehen gegeben – genau wie mein Vater – dass sie eine solche Beziehung niemals dulden wird und ich nicht mehr ihre Tochter wäre. Diese Kommentare fielen einst bei einem relativ offenen Gespräch zwischen mir und meinen Eltern. Bei diesem Gespräch versuchte ich ihnen klarzumachen, dass nur weil eine Person so und so viele km in die eine oder andere Richtung geboren wurde, nicht schlecht sein muss. Ich war sehr offen in diesem Gespräch. Zum ersten Mal in meinem Leben, erzählte ich ihnen davon, dass ich nicht gläubig bin und gab meine Meinung zu „Mischehen“ wieder. Ich erzählte ihnen von meinem Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. (Ich bin 23 und muss um spätistens 22 Uhr zu Hause sein.) Ich möchte hier weiterhin klarstellen, dass mir Kommentare wie „Du bist volljährig“ nichts bringen. In meiner Familie ist man nicht volljährig bis man verheiratet ist, erst dann wird man als erwachsene Person angesehen. Was mich bei diesem Gespräch erstaunte war, dass mein Vater viel rationaler als meine Mutter damit umging. Mein Vater ist allgemein gesprochen der liebevollere Elternteil. Doch dann kamen Kommentare wie: Ich will nicht dass meine Enkelkinder Opa zu mir sagen. Was wenn dein Mann in die Kirche mit deinen Kindern will? Oder Weihnachten feiern will? Wir können nicht richtig mit ihm kommunizieren. Ich blieb stumm, doch ich muss sagen, dass ich nichts von Religion halte, gar nichts!! (Meine Meinung) Doch Weihnachten kann man gerne feiern. Finde ich eine wunderschöne Tradition und tausche auch jedes Jahr mit meinen Freunden Geschenke aus.
Ihr merkt hier vielleicht, dass mein Freund nicht das einzige Problem ist. Ich liebe ihn mehr als alles auf der Welt, doch hier geht es ganz einfach um mich und darum akzeptiert zu werden, so wie ich bin. Ich will keine Aussagen meiner Mutter mehr hören die mich als „nicht normal“ bezeichnet, Ich will mit den Menschen meine Zeit verbringen, die ich mag ohne darüber zu lügen, ich will reisen und die Welt sehen. Und hier geht es wirklich nicht darum zu heiraten und Kinder zu bekommen, denn ich bin noch nicht soweit. Ich bin schlichtweg dazu bereit eine ganz normale Studentin zu sein, die ihren Weg selber bestimmen möchte.
Seit einiger Zeit jetzt habe ich zum Studium 2 Jobs. Der eine ist dazu da die laufenden Kosten zu decken, der andere um mich zu befreien. Mein unsicherer Plan ist es noch ein Jahr zu Hause zu bleiben und dann auszuziehen. Meine Familie weiss natürlich nichts davon. Ihr denkt, dass meine Entscheidung hier getroffen wurde, doch dem ist nicht so. Jeden Tag durchstöbere ich Foren und weine und frage mich, warum ich Albanerin bin. Auch wenn ich und meine Familie uns in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden, liebe ich sie. Wir haben auch Abende, an denen wir auf dem Sofa sitzen, mein Vater mir meine Hand hält und wir einfach nur miteinander rumalbern und reden. Dann gibt es meinen Neffen (meine älteste Schwester ist verheiratet mit einem Bosnier aber Muslimen!!! Und hat ein Baby). Ich liebe ihn so sehr und mit ihm zu spielen ist eine der schönsten Aktivitäten, die ich mir vorstellen kann. Bin ich dazu bereit das alles hinter mir zu lassen? Denn sie werden mich nie so akzeptieren wie ich bin. Sobald ich nur einen kleinen Teil meines Selbsts zeige, wird kritisiert und dann kommt das Silent Treatment. Und wenn ja, wie? Wie soll ich das Gespräch beginnen? Mami, Papi ich habe einen Schweizerfreund und habe euch jahrelang belogen oder…? Ich habe echt keine Ahnung. Manchmal denke ich, dass ich es schaffe diese Tür zu schliessen und ein neues Leben zu beginnen, doch dann fällt mir aber auch ein, was ich ihnen damit antue. Ich werde aus dem albanischen Umfeld voll und ganz verschwunden sein aber sie werden dann diejenigen sein, die sich den unangenehmen Fragen und Kommentaren aussetzen müssen. Sie werden sich schämen müssen und es wird ihnen das Herz brechen, dass ich ihnen das antue. Hier kann man sagen, dass es ihnen Recht so geschieht, doch dessen bin ich mir nicht sicher. Ich liebe sie auch wenn sie mich nie so lieben werden wie ich bin.
Damit meine Beziehung hier nicht zu kurz kommt folgendes: Mein Freund stellt den wichtigsten Menschen in meinem Leben dar. Er ist ebenfalls Student und der klügste und warmherzigste Mensch, den ich kenne. Er kann mich, nachdem ich stundenlang geweint habe, mit einem Satz zum Lachen bringen. Wir führen eine sehr harmonische, leidenschaftliche und respektvolle Beziehung. Er ist alles was ich mir von einem Partner wünsche und alles, was ich vergessen habe, mir zu wünschen. Ich kann mir sehr gut vorstellen in 3 Jahren mit ihm zusammen zu ziehen und irgendwann mal zu heiraten und eine Familie zu gründen. Ich möchte nichts überstürzen, da wir beide noch sehr jung sind und trotzdem heisst es nun er oder meine Familie. Doch hier muss auch gesagt werden, dass wenn er es nicht sein wird (meine romantische Ader schreit hier, denn gerne stellt man sich vor, dass man für immer zusammen sein wird, aber ich versuche rationaler zu sein – heisst nicht, dass ich ihn nicht liebe), dann ein anderer, der meiner Familie auch nicht gefallen wird. Wie gesagt: Ich bin kein Teil dieser Kultur mehr und für mich persönlich ist es ausgeschlossen, dass ich jemals eine Beziehung mit einem Albaner eingehen werde. Soll ich warten und die Familientragödie verschieben und noch einige ruhige Jahre verbringen und hoffen, dass meine Eltern eine Erleuchtung haben? Oder soll ich es wie geplant durchziehen und das Leben leben, das ich mir wünsche? Natürlich gibt es noch eine weitere Option: Meinen Eltern gehorchen und den Familiensegen bewahren – auch wenn es bedeutet nie den Wunsch einer eigenen Beziehung und Familie zu erfüllen.
Ich brauche wirklich eure Hilfe, denn ich kann nicht mehr. Die ganze Sache macht mich kaputt. Falls ihr Fragen habt, beantworte ich diese gerne. Ich habe versucht die Angelegenheit kurz und knapp zu schildern - auch wenn der Text trotzdem relativ lang wurde - und da geht oftmals etwas verloren.