So kenn ich das eher ..
Die Hochzeit von Nehat und Merita
Bereits in meinem Kosovo-Bericht 2003 habe ich ausführlich über die Hochzeits-Feierlichkeiten berichtet. Ich werde mich hier auf das Wesentliche und auf Neu-Erlebtes beschränken.
Daniela und Eshref waren die unermüdlichen Organisatoren dieser Hochzeit. Als sie heirateten, herrschte im Kosovo Krieg und sie heirateten in der Schweiz. Mit der Hochzeit für Nehat und Merita verwirklichten sie sich ihren Traum einer echten, traditionellen Kosovo-Hochzeit.
Es war unendlich viel vorzubereiten. Bereits Monate vorher haben sie damit begonnen. Nun waren noch Kleinigkeiten zu erledigen. Da wir beim Abholen der Braut durch Serben-Gebiet fahren mussten, hat Eshref wenige Tage zuvor die Polizei und die KFOR über unser Vorhaben orientiert. Als Konsequenz sind am Hochzeitstag im Serben-Dorf Gracanica und vor dem serbisch-orthodoxen Kloster zusätzliche UN-Wachen aufgezogen worden.
Aber auch die jungen Mädchen und Männer haben sich auf die Hochzeit vorbereitet und ihre Hochzeitsgesänge mit dem Tambourin geübt. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Lieder so schön sie auch tönen, sich auch gegen die Familie der Braut richteten. Es sind aber auch Lieder darunter, durch die der Bräutigam aufgefordert wird, eine Süssigkeit unter den Sängerinnen und Sängern aufzuteilen.
Und der Schreibende selber hat sich auch vorbereitet. Er ging nämlich zu einem einheimischen Friseur, nicht um sich eine Kunstfrisur zu leisten, sondern um sich für € 3 ein schöner Kurz-Haarschnitt à la Kosovo schneiden zu lassen.
Do, 26. Juli: Braut-Geschenke überbringen
Ich durfte die Sushica-Delegation der Krasniqis begleiten, die die Brautausstattung der Familie an die Braut zu überbringen hatte. Es waren mehrere Koffer und Reisetaschen, angefüllt mit etwa 10-15 Abendkleidern, Bettwäsche aller Art, Schuhe (alles High Heels), 3 Braut-Sträusse und vieles mehr. Leiter der Delegation war Misim, der Älteste noch lebende der Krasniqi-Dynastie, dann war Gani dabei, der Vater des Bräutigams Nehat und Eshrefs der Bruder von Nehat.
Empfangen wurden wir vom Vater der Braut und 2 seiner 5 Brüder sowie seinen beiden Söhnen. Es war wieder eine typische Männergesellschaft, die sich da im Wohnzimmer zusammensetzte und über Gott und die Welt plauderte, übers Wasser, die Gesundheit etc. Frauen waren nicht dabei und zeigten sich auch nicht. Geschäfte werden unter den Männern abgewickelt und eine Hochzeit ist ein Geschäft. Ein grosses Geschäft, denn man holt sich eine Frau ins Haus, die für männliche Nachkommen sorgen soll. Und diese Nachkommen sorgen im Alter für das Wohlergehen der Eltern, d.h. sind deren Alters-Vorsorge.
Wir waren nur 1 Stunde dort. Bedient wurden wir von den beiden erwachsenen Söhnen des Brautvaters:
* Zuerst gab es als Durstlöscher 1 Glas Cola mit Nüssli und Salzstengeli,
* dann folgte ein Früchte-Teller mit wunderbaren Trauben, Pfirsichen und Bananen,
* darauf eine feine Creme-Torte mit türkischem Kaffee,
* anschliessend russicher Tee,
* und als Abschluss Zucker- und Wassermelonen
Sa, 28. Juli: Polterabend
Am Vorabend der Hochzeit fand der Polterabend statt. Bereits am Nachmittag haben die jungen Männer und Mädchen (unverheiratete Jungfrauen) mir die Grundschritte des albanischen Tanzes beigebracht. Sie wollten mich einfach zum fröhlichen Tanzen bringen, was ihnen auch gelang. Im Laufe der Hochzeitstage stellte ich auch fest, dass das Tanzen ein ganz wichtiger Bestandteil im Leben der Kosovo-Albaner darstellt. Darin können sie am besten ihrer Lebensfreude Ausdruck geben.
Der Polterabend begann bereits am späteren Nachmittag und fand auf dem Hof der Eltern des Bräutigams statt. Es waren bestimmt über 200 Erwachsene und Kinder anwesend. Etwas erhöht unter einem Nussbaum waren Sitzgelegenheiten aufgestellt. Musik kam von den Jungen, die mit einer Stereoanlage und später noch unterstützt durch einen veritablen PC die Anwesenden mit einheimischer Musik beschallten. Zu später Stunde gabs Gulasch als Verpflegung.
So, 29. Juli: Hochzeitstag
Am Hochzeitstag fielen mir die vielen hübsch gekleideten und frisierten Frauen auf. Sie alle gingen am selben Tag noch zum Friseur und liessen sich eine Kunst-Frisur legen. Selbstverständlich trugen sie dazu auch eines der vielen schönen Festtags- und Partykleider, und die meisten wechselten im Laufe das Tages/Abends ihre Kleider.
Am Nachmittag Braut holen.
Der Auto-Konvoi bestand aus 24 Autos inkl. dem Brautwagen, einer gestreckten Mercedes-Limousine mit 6 Türen. Auf der Hinfahrt sahen wir unweit links von uns ein richtiger Tornado aufsteigen. Wow, war schon etwas unheimlich. Die Fahrt führte uns in Richtung Ferizaji in ein kleines Dorf, wo die Eltern der Braut in einem schönen Haus wohnten. Da wir ein wenig zu früh waren, machten wir unterwegs einen kleinen Halt und tanzten auf der Strasse.
Bei der Braut wurden wiederum die Männer und Frauen voneinander abgesondert. Die Männer sassen auf den "Schand-Bänkchen", rauchten Zigaretten und warteten. Auch der Brautvater samt seinen Söhnen sass hier unter den Männern. Er hatte bei den Frauen nichts zu suchen. Die Frauen hingegegen feierten die Braut und holten sie ab.
Vom Brautvater erhielt ich dann die einmalige Gelegenheit, zu den Frauen rüberzugehen, um dort Fotos zu machen. Die Frauen waren alle in einem "Beduinen-Zelt", das die Familie neben ihrem Haus aufgestellt hatte. Es war schwer zu schätzen, aber es waren bestimmt um die 200 Frauen. Die Braut wartete mit starrem, gegen Boden gerichtetem Blick und aufrechter Körper-Haltung, wie es die Tradition will im Brautzimmer (=Wohnzimmer), bis der Bräutigam sie abholte und sie ins Frauenzelt führte, wo sie sich von den Frauen verabschiedete.
Nachdem die Braut sich auch von ihren Eltern verabschiedet hatte, bestieg das Brautpaar begleitet von 2 Brautdamen (Daniela und Luda) die Stretch-Limousine. Die Braut setzte sich aber aus Tradition noch nicht hin, denn aus Ehrerbietung ihren Eltern gegenüber wartete sie bis zur ersten Brücke. Unter Gehupe gings dann wieder zurück nach Sushica.
In Sushica übergab die Braut je ein Geschenk an ihre Schwiegereltern und die Brüder ihres Mannes Nehat. Nach den obligaten Foto-Sessions begann das Fest im Freien. Die Braut begab sich sodann ins Haus, um sich etwas auszuruhen. Zuvor aber berührte sie mit Zuckerwasser befeuchteten Fingern die oberen Quer-Holme der Eingangstüre. Dies soll dem Haus Glück und Segen bringen. Es war mittlerweile 16 Uhr geworden.
Hochzeitsfest im Hotel Jakova
Als Start des Hochzeitsfestes stand auf der Einladung 19 Uhr. Die letzten Gäste kamen gegen 22 Uhr. Auch dies ist Kosovo. Für uns West-Europäer ist auch ungewohnt, dass die eingeladenen Gäste nicht zu- oder absagen mussten. Die Schätzung von Eshref und Daniela mit etwa 250 Gästen hat sich schlussendlich bestätigt .... bis das Brautpaar in einer Super-Stretch-Limousine vorgefahren war. Stolz und elegant wie ein Königspaar betraten sie den grossen Saal, links und rechts von einem Feuerwerk begleitet.
Es war ein unvergessliches Hochzeitsfest mit allem Drum und Dran: eine 3-köpfige Musik-Kapelle, die mit grosser Lautstärke die Gäste auf die Tanzfläche trieb. In der Tat wurde von Anfang an getanzt. Etwa die Hälfte der Anwesenden war immer auf der Tanzfläche. Auch ich konnte mich da nicht zurückhalten und gegen Schluss habe ich sogar einen kleinen Tanzgruppe mit einem Taschentuch angeführt.
Das Hotel war eine Spitzen-Lokalität mit wunderbarem Blick über ganz Pristina. Zur Freude des Magens gab es ein feines Essen in 5 oder 6 kleinen Schritten, sodass man immer wieder Tanzen konnte: Früchteteller, kalte Fleisch- und Salat-Platte, gerollter Palatschinken mit Käse, Frikadelle, Rindfleisch gekocht mit Pommes und Gemüse, und zum Abschluss Hochzeitstorte mit Baklava und Eis, dazu alle Arten von Mineralwasser, Säften, Bier und auch albanischen Wein. Ich glaube, es war mein erster festlicher Anlass, an dem ich keinen Schluck Wein getrunken und auch nicht das Bedürfnis danach hatte..
Mo, 30. Aug: Frauentag
Der Frauentag ist der Tag der Frauen. Da treffen sich die Frauen mit der Braut und nehmen sie in ihren Kreis auf. Derweil irren die Männer umher, denn zu Hause sind sie nicht geduldet. Wir besuchten zum Beispiel die Nachbarschaft und Verwandte.
Ich habe mich dann doch zu den Frauen gewagt und aus Distanz ihrem Treiben zugeschaut. Sie tanzten und plauderten miteinander, die Braut zog sich von einem Kleid ins andere um, und sie schauten im Brautzimmer die Geschenke und Stickereien an. Es wimmelte von Frauen und Kindern. Gegen Abend geschah dann auch das unfassbare: die heutige Hitze von 39 °C sank unterstützt von starken Winden innert wenigen Stunde auf unter 20 °C. Ich musste mir einen Faserpelz-Pulli anziehen, den ich glücklicherweise eingepackt hatte.
Ich finde diese Tradition des Frauentags schön und zweckmässig, denn die Braut wird ja von einem Tag auf den anderen von der bisherigen, gewohnten Umwelt in einer ganz neue Umgebung eingepflanzt. So lernt sie ihre neuen Freundinnen und Leidensgenossinnen, aber auch deren Nebenbuhlerinnen kennen. Auch im Kosovo gibts dieselben Eifersuchts-Geschichten wie bei uns, nur haben die Frauen gelernt, damit umzugehen.
31. Juli: Erster Tag nach der Hochzeit
Wie gewohnt stand ich erst um etwa 9 Uhr auf und begab mich hinauf ins alte Haus zum Morgen-Kaffee/Frühstück. Erstmals sah ich Merita in normaler Freizeitkleidung. Sie hat bereits die Aufgabe ihrer Schweiegermutter übernommen und bot mir einen türkischen Kaffee an. Von den anderen männlichen Kaffee-Trinkern wurde ich auf die Tradition aufmerksam gemacht, dass man der Braut zum 1. türkischen Kaffee nach der Hochzeit einen Geld-Schein zwischen Tasse und Unterteller schiebt. Dies bringe Glück und Segen.
Da die Bilder dazu ..
http://web.whosting.ch/maxlehmann/2007- ... ericht.htm